Wiederkehrend hämmerndes Klopfen hallte über den Hof, als der schwere Kopf des Hammers auf das von der Hitze der Kohlen glühende Metal aufschlug. Funken stoben auf und jedes Mal erneut, glühten Neue farbenfroh auf, wenn der Druck des Werkzeuges sie weckte. Klarich, eine stattliche Erscheinung mit üppiger Muskulatur an Armen wie Beinen stand vor einem Amboss und bearbeitete halb fertige Fassreifen. Seinen Oberkörper, sicherlich ebenso formvoll muskulös, verdeckte er mit einem gräulichen Leinenhemd und einer ledernen Schürze. Er war, wie sagt man, ein Mann für alle Fälle. Er betitelte das Umland als sein Land, wohl wissend, das dem nicht so war. Dennoch, ihm hörte man zu, wenn er kundig Aufträge vergab, sich nach Güte und Wachstum erkundigte. Es waren die einfachen Landarbeiter und Handlanger, die seinem Wort lauschten und ihm berichteten. Dieser Mann legte außerordentlich viel Wert auf Treue, Loyalität und Hilfsbereitschaft. Er tat, was andere auch taten, ohne der alltäglichen Arbeiten zu scheuen.
Er bestellte das Land als Bauer und drosch das Getreide. Verkaufte seinen zehnt als Händler und reparierte sein Hab und Gut als Schreiner oder Schmied. Er war ein natürlich gebliebener Mensch. Kein Mann mit besonderen Gaben oder speziellen Kenntnissen, dafür jedoch ein unvergleichlicher und liebender Ehemann wie Vater zweier strammer Burschen. Den einen mit seiner Alna gezeugt und geboren; den anderen im Kleinkindalter aufgenommen und wie sein Eigen aufgezogen.
Ausgerechnet Veyed, der Sohn, der nicht seinen Lenden entsprang, war es, der ihm am ähnlichsten kam. Er eiferte ihm nach, half und Unterstützte überall, wo es ihm möglich und erlaubt war. Auch seine Statur entwickelte sich eher zu jener seines Ziehvaters. Kayden hingegen fühlte und benahm sich noch als das, was beide von Alters wegen her waren - Kinder. Wohingegen der Ältere sich in der Schmiede nützlich machte, jagte der drei Jahre jüngere über den Hof. Er durchforstete die vernachlässigten wie verfallenen Gebäude nach verschollenen Schätzen, turnte in den angrenzenden Sandsteingruben oder verbotenerweise nahe des ›flüsternden Waldes‹. Jenem Ort, der sich beginnend der äußersten Gebirgsausläufer im Norden bis hinab zu den Klippen im Südosten ausdehnte. Seit Zeiten Gedenken wagte sich kein vernunftbegabter uneingeladen in die Nähe dessen gar den Ausläufern der Bäume.
Die Waldung galt gemeinhin vollkommen unbekannt und so gab es weder Überlieferungen noch stichhaltige Aussagen über dessen wahrhaftige Ausmaße.
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Alna trat mit einer hölzernen Schüssel im Arm aus der Tür und rührte dessen Inhalt kräftig mit einem ebenso hölzernen Löffel. Sie verfolgte dem munteren Treiben aufmerksam und schüttelte lächelnd den Kopf.
Ihr Jüngster rannte mit wedelnden Armen Mal hier hin, mal dorthin. Kletterte oder sprang auf Mauervorsprünge und Reste. Er brachte die armen Tiere durcheinander und schien kein Ende zu finden.
Hühner fegten meckernd über den Hof und stoben in allen Richtungen auseinander. Staub und vereinzelte Federn wirbelten umher. »Kayden!«, buhlte sie den Tumult übertönend um Gehör, doch widererwartend mit ausbleibendem Erfolg. Sie holte tief Luft und änderte ihren Standpunkt. Ihr Blick fixierte den gerufenen.
Aus dem Tor der Schmiede lugte Veyed hervor, dem der mahnende Ruf seiner Mutter scheinbar nicht entgangen blieb. Dunkle Schlieren überzogen nicht nur sein Gesicht, auch sein an vielen Stellen geflicktes Oberteil war mit dem Schmutz des Tages behaftet. Er deutete mit seiner Rechten in Richtung seines Bruders und seine Lippen formten unverständliche Worte. Abrupt verstummten die rhythmischen Klänge, die zweifelsfrei des Vaters werken entstammten. Mit in den Hüften gestemmten Armen platzierte er sich neben Veyed. In Erwartung einer ordentlichen Maßregelung stahlen sich diesem schelmige Züge ins Gesicht.
Noch bevor Alnas Ruf erneut ertönen konnte, korrigierte Kayden schlagartig seine scheinbar unkoordinierten Rennereien und blieb keuchend und nach Luft japsend vor dem Wohnhaus stehen. Sein Blick wechselte unverkennbar hinüber zur Scheune. Die Hände auf den Knien ruhend schaute er verheißungsvoll in das vielsagende Antlitz seiner Mutter. Seine eben noch erheiterten Gesichtszüge schlugen um. Von gehetzt zu ertappt bis hin zu einer Unschuldsmiene, wie nur unschuldige Kinder sie hervorzubringen vermochten. Er beherrschte das Verstellen seiner Mimiken beinahe in Perfektion, was dazu führte, dass für seine Schandtaten oftmals sein älterer Bruder den Kopf hinhalten musste.
Aufgrund der nunmehr ausbleibenden Verfolgung beruhigten sich auch allmählich die umherstobenen Hühner. Aufgewirbelter Staub legte sich und eine einzelne gelblich rot schimmernde Feder sank direkt vor seiner Nasenspitze, seicht hin und her schwebend in Richtung Boden. Seine Augen beobachteten ihren Sinkflug und er blies diese aus dem Mundwinkel heraus von sich.
Alna rang mit sich und verzog die Lippen. Sie musste sich ein Grienen verkneifen. »Kayden, wie wäre es zur Abwechslung mit einer sinnvollen Beschäftigung? Geh und sammle Eier, anstatt den armen Hühnern wie aufgestochen hinterherzujagen.«
Seine Mundwinkel neigten sich, erzeugte sein mitleidiger Blick nicht das ersehnte Ergebnis. Seine schmalen Lippen schoben sich beleidigt Übereinader. »Ma'. Aber.«
»Kayden?« Ihre Brauen hoben sich und aus dem Augenwinkel bemerkte er die sich aufblähende Brust seines Vaters.
»Na gut«, gab er sich geschlagen.