Unregelmäßig hob und senkte sich Bestlins Brust, so als wäre er vollends außer Atem. Seine Zunge fuhr ihm über die Lippen und seine Hand wischte seine mit Blut besprenkelte Grimasse. Dessen Stimme klang verzehrt. »Wozu verdammt ... seid ihr ... eigentlich ... mein Hauptmann und Jäger?«
Mit fahrigen Gesten rückte der Mann seinen Stuhl zurecht und ließ sich in diesen hineinfallen. »Ihr zwei sollt mir Vorfälle wie diesen eben vom Hals halten.« Nacheinander besah er beide noch lebenden Anwesenden mit verzogenen Brauen und gesengten tonal. »Schafft diese Schweinerei hier weg«, schnauzte dieser.
Alric blähte die rechte Wange und prustete. Er musterte seine besudelte Klinge und wischte diese an der verschlissenen Kleidung des Enthaupteten sauber. »Ich weiß nicht, wie ihr es seht, aber ich entsinne mich, zwei dieser Bastarde erledigt zu haben.«
Bestlins Brauen verengten sich weiter als man es je vermuteten würde und sein Blick suchte den des Jägers. Anstatt ein Wortgefecht zu entfachen, lenkte der Lord wohl wissend ein. »Ist der Weg nach Holmfirth vorbereitet?«
»Nein.«
Alrics Schwert glitt in die schützende Hülle an seiner Hüfte. Er sah aus dem Fenster und bemerkte eine seltsame Bewegung auf dem Dach des Torhauses gegenüber.
»Nein? Was heißt nein? Ich schickte ...«
Was auch immer der selbst ernannte Lord des Landes weiter von sich gab, der Mann mit den vielen Charakteren hörte nicht länger zu. Stattdessen schritt er näher ans Fenster und glaubte, eine Vogelart zu erkennen, die es diesseits des ›flüsternden Waldes‹ nicht mehr geben dürfte. Staunen stand ihm im Gesicht und seine Lippen formten ein kaum wahrnehmbare Frage. »Ein Bussard?«
»Alric! Was ist in Holmfirth passiert«, verlangte Bestlin zu erfahren.
Der Hauptmann trat an des Jägers Seite und sah in dieselbe Richtung. »Unsere Abendmahlzeit?«
Dieser Mann war nicht nur außerstande seiner Stellung gerecht zu werden, er missverstand überdies die Bedeutung dieses Vogels. Er hatte nicht einmal den Ansatz einer Ahnung.
»Der Obrist hat für euch keinen Bedarf und regiert die Stadt wie das Land selbst. Ihr sollt weiterhin für das leibliche Wohl des Landes und all der anderen Verantwortung tragen.«
Etwas polterte hinter ihm, doch sein Blick blieb auf das Antlitz des Greifvogels gerichtet. Sein Körper verweigerte sich, fanden seine Augen den Anblick viel zu faszinierend. Noch bevor dieses Tier sich in die Lüfte erhob und in Richtung Norden davonflog, vernahmen seine Ohren dessen schrillen Ruf und er glaubte, weitere dieser zu hören.
Unten auf dem Hof zeigten Soldaten in mit ausgestreckten Armen in den Himmel; andere wendeten die Köpfe.
Hoch droben, wo die Zweibeiner verschiedenster Völker sie nur als kleine sich bewegende Punkte auszumachen vermochten, zogen sie ihre Bahnen.
Adler, Falken und Bussarde begaben sich ihrer Wege.
Auf Feldern, Scheunen und Gewerken einzelner Ansiedlungen und Häuser ließen sie sich nieder und stießen ihren frohlockenden Ruf aus. Die Vögel gaben Acht, sich dort zu zeigen, wo das verarmte Volk lebte und arbeitete. Aus hohen Höhen ließen sie kleine Nagetiere in Ansammlungen fallen, um außer Sicht zu bleiben. Einzig ihr Ruf schwang im Wind und so mancher vernahm diese vielerorts unbekannten Laute.
Die Bande zu den Majestäten der Lüfte hielt sie über viele Jahre hinter den schützenden Wald, verschonten ihre Arten vor der vollendeten Ausrottung. Nun jedoch galt diese als unlängst erfüllt und vereinzelt begaben sich einige der ihren, Pioniere gleich, zurück zu angestammten Gefilden.
Der Tag würde nahen, an welchem die Aars zu ihrem Letzten befreiendem Flug riefen. Die Fesseln der Knechtschaft sollten fallen, der lang ersehnte Ruf erschallen.
Einem Sturm gleich würden sie über die Landesflächen stoben, hinter ihnen der Schwarm des Falken.