Nachdem Alric die Laster des Wiedersehens verdaut und Rondal unlängst in Falkenhorst eingetroffen sein musste, gingen er und Dolvi abermals ihrem Treiben nach. Sechs volle Tage waren derweil vergangen und noch immer traf keine Kunde von den Inseln ein. Der alte Seebär wurde allmählich gereizt und beschloss seine Ungeduld anderweitig zu kompensieren.
Gemeinsam mit Eingeweihten stifteten sie Unruhen und arbeiteten im verborgenen an dem innerörtlichen Widerstand. Beraubten Fuhrwerke, um deren Güter unter den Armen zu verteilen, oder befreiten jene, die wie Vieh hinter die Palisaden der Hafenumgrenzung geführt werden sollten.
Meist zu nächtlichen Stunden wurden diese dann in stickigen Decks größerer Boote wie Schiffe gepfercht. Hissten diese sodann Segel und fuhren hinaus auf die See, saßen oder lagen diese armen Seelen in Kürze in ihren eigenen Fäkalien.
Auf offener Fahrt blieben diese eingepfercht und bekamen den Himmel nur dann zu Gesicht, wenn sie sich direkt unter die Ladeluken begaben. Die Bilge trat regelmäßig über und durchnässte nicht nur die maroden Planken. Die unteren Decks wurden selten gewartet und noch seltener instand gesetzt.
Oftmals kamen die für Arbeiten bestimmten Menschen mehr schlecht als Recht in den nördlichsten Häfen an, um dort halbwegs gesund gepflegt zu werden, um ihr letztes Dasein in den frostigen Bergen zu fristen. Das kalte Land bedurfte immense Arbeitskräfte, da die südlichen Warmblüter die schieren Temperaturumstände nicht lange verkrafteten.
Niemand vermochte Genaueres zu berichten, doch die Gerüchte brodelten. Die Frauen würden als Gebärgut hergehalten und die Männer erbauten eine unüberwindbare Mauer. Andere Stimmen behaupteten, sie würden der Göttlichen einen Tempel errichten, dessen Türme bis an den Himmel reichen sollen. Weitere wussten wiederum zu erzählen, das glaubwürdigem Hörensagen zu urteilen, ein Palast in den höchsten Bergen des Nordens errichtet wurde, um einem vergessenen Volk die Zivilisation zu bringen.
»Dort. Sie haben wieder ein paar Betrunkene aufgelesen. Die armen Hunde wissen gar nicht, was ihnen widerfährt«, wies der Erbjarl flüsternd voraus.
»Glaub mir, dass wissen sie. Wo aber sollen sie hin, wenn nichts mehr vorhanden ist, worin sie die Nächte verbringen können?«
»Du hast recht. Seitdem das Umland kaum mehr bewohnt ist, fehlt es an allem. Komm, wir gehen näher ran. Vielleicht erfahren wir was Neues.«
Noch bevor Alric die schützenden Schatten und somit vor die Kisten treten konnte, hielt Dolvi ihn zurück. »Warte. Was macht er da?«
»Wer? Dieser wandelnde Baum dort?«
»Hüte deine Zunge, Maskenmann. Ich erkenne meinesgleichen, wenn ich sie sehe.«
»Ach was. Dann erkläre mir, wieso ausgerechnet einer der deinen, sich bei einem der Obristen verdingen sollte.«
»Genau das werde ich herausfinden. Lass das meine Sorge sein.«
Noch während die beiden ihr haltloses Wortgefecht ausfochten, beobachteten sie, wie besagter Kerl einen Soldaten brüsk zur Seite stieß, um einen gestürzten auf die Beine zu helfen. Er musste bemerkt haben, dass es schiere Absicht war, den Mann erst ins Straucheln dann zu Fall zu zwingen. Das hämische Lachen verging, wie es aufkeimte - abrupt und kommentarlos. Ein einziger Blick dieses muskelbepackten Kerls reichte vollends aus, seiner Stellung Gewicht zu verleihen. Er schenkte dem vom Hunger Geschwächten ein aufrichtiges Lächeln. Es wirkte völlig fehl am Platze und musste auf den armen Burschen wirken wie ein Hieb mit der Faust.
»Man munkelt, er sei geistig umnachtet.«
»Dennoch führt er dieses schäbige Pack, welche sich Soldaten nennen. Irgendetwas stimmt mit ihm nicht«, stellte ausgerechnet der Mann fest, der behauptete, dieser Hauptmann sei einer der seinen.
Alric hob die Brauen und sah von Dolvi hinüber zu den umstehenden Soldaten. »Was meinst du? Der Mann ist ...«
»Nicht geistesgegenwärtig«, vervollständigt er den Satz, wohl wissend, dass sein Weggefährte einen anders klingenden Wortlaut genutzt hätte.
Auf der einen Seite ist er ein ausgezeichneter Hauptmann, der seine Männer im Griff zu haben schien, auf der anderen ergriff er offen Partei für die Schwachen.
»Mhm. Er hat Gerechtigkeitssinn, meinst du?«
»Da ist noch mehr. Ich spüre es.«