Wo war ich? Wo war das Monster? War ich jetzt tot?
Hinter meinen Augenliedern musste es taghell sein. Ich sah ein rotes Leuchten. Langsam versuchte ich meine Augen einen kleinen Spalt zu öffnen und sofort brannte sich das beißende Licht in meine Augäpfel. Taghell war noch untertrieben, ich hatte das Gefühl, dass alles um mich herum nur aus blendendem Weiß bestand.
War ich im Himmel? Hatte mich dieses Ding also doch getötet?!
Ich wusste ja, dass es sich nicht um einen normalen Traum gehandelt haben konnte, aber irgendwo in mir war doch noch dieser kleine unscheinbare Funken Hoffnung, dass ich wie bei jedem Traum zuvor einfach wieder aufwachen würde. So als wäre nichts geschehen. Aber ich saß nicht auf dem unbequemen Stuhl in der Uni. Stattdessen spürte ich einen harten, glatten Boden unter meinem Rücken. Es war verdammt kalt. Irgendwie dachte ich immer, dass es im Jenseits behaglich und warm wäre. Wie an einem schönen Sommertag, der niemals endete. Das hier fühlte sich aber eher so an, als würde ich auf der Oberfläche eines zugefrorenen Sees liegen und geradewegs in eine sehr helle Sonne starren. Ich versuchte mich aufzurichten, aber irgendwie schaffte ich es nicht. Egal wie oft ich mich bemühte, mein Oberkörper schien wie magisch am Boden zu kleben. Unerwartet durchschoss ein scharfer Schmerz meine Schulter. Ich stöhnte auf und verzog gequält mein Gesicht. Schlagartig wurde mir klar, dass ich noch lebte. Es konnte nicht anders sein! Die übel riechende Kreatur hatte mich doch nicht gefressen. Obwohl ich keine Ahnung hatte, wo ich gerade war und die Situation, in der ich mich befand mehr als merkwürdig war, konnte ich nicht umhin mich zu freuen und lächelte für einen Augenblick.
Ich war noch am Leben! Irgendwie konnte ich hier schon rauskommen.
Ich schöpfte wieder Hoffnung.
Aber Moment mal... wenn das nicht der Himmel war, wo war ich dann gelandet?
Plötzlich hörte ich entfernte Schritte. Es klang so, als würde jemand eine Treppe hinuntersteigen. Zuerst nur ganz leise und dumpf, dann wurden die Schritte immer lauter und hallender. Nervös hielt ich die Luft an.
Wer war das? Was wollte er? War ich etwa in einem Keller? Wer hatte mich hierher gebracht? Das Monster? Wollte es mich nicht fressen? Und warum zum Teufel konnte ich mich nicht bewegen?!
Die Fragen überschlugen sich in meinem Kopf. Meine momentane Verwirrung war zu groß, um einen klaren Gedanken zu fassen. Den pochenden Schmerz in meiner Schulter ignorierend, versuchte ich mich aufzusetzen und in Richtung der Geräusche zu sehen. Aber weder schaffte ich es mich aufzurichten, noch konnte ich irgendetwas erkennen. Das Licht über mir war einfach zu hell. Ich wollte meine Augen mit der Hand abschirmen, aber ich konnte meine Arme nicht bewegen. Immer wieder stemmte ich mich nach oben, aber etwas hielt mich zurück, schnitt in mein Fleisch, hinderte mich daran aufzustehen und mich in Sicherheit zu bringen. Vor den nahenden Schritten. Denn mein Gefühl sagte mir, dass, wer auch immer da kam, sicher nicht vorhatte Tee mit mir zu trinken. Verzweifelt stieß ich meinen Oberkörper immer wieder nach oben, strampelte mit Armen und Beinen, aber es half alles nichts. Von all der Zerrerei bekam ich nur Striemen und Kratzer am ganzen Körper. Außerdem bemerkte ich etwas: ich war splitterfasernackt.
Was sollte das alles hier?
Im tiefsten Inneren wusste ich, was mich da zurückhielt. Genauso glaubte ich zu wissen, was gleich passieren würde. Aber ich wollte es einfach nicht wahr haben. Verdammt, warum konnte das kein normaler Traum sein?
Mein Herz hämmerte wie verrückt, während die Schritte immer näher kamen. Kalter Angstschweiß legte sich über meinen ganzen Körper und brachte mich zum Frösteln. Auf einmal stoppten die Schritte. Ich hatte schon Hoffnung, dass dieser Jemand gar nicht auf dem Weg zu mir war und an diesem Zimmer vorbei lief. Doch dann hörte ich ein metallisches Klimpern, gefolgt von einem lang gezogenen Quietschen und wusste, dass der Unbekannte genau dort war, wo er sein wollte. Mein Glaube an einen Ausweg zerbrach in tausend Scherben, als ein furchtbar krankes, hohes Lachen von den Wänden wiederhallte und meine Nackenhaare zu Berge stehen ließ. Mit wild pochendem Herzen riss ich an meinen Fesseln und versuchte mich zu befreien, aber es war aussichtslos.
Eine kühle Männerstimme dröhnte in meine Richtung:
„Na, bist du bereit, Tommy?“