Sein klar denkender Geist setzte aus, seine Instinkte übernahmen die Steuerung und Koordination jeglicher seiner Bewegungen. Ein kurzer Blick über die Schulter hinweg, um sich sodann mit einem elastischen Ausfallschritt und einem aus dem Handgelenk drehenden halbmondangedeuteten Schwertschwung in Kampfhaltung zu bringen. Umherspringende Jäger legten eiligst Pfeile nach, die die Sehnen jedoch nicht verließen.
Es galt inzwischen drei nahende Feindbegegnungen zugleich zubestehen. Aus vielerlei Übungskämpfen beim Training und während Turnieren hatte er mehrfach einer solchen Übermacht gegenübergestanden und verlor daher nicht die Kontrolle. Er dachte nicht einmal nach und überließ jegliche Abfolge seinem gedrillten Körper und vor allem den Instinkten – er gab sich ihnen vollkommen hin.
Er wusste, dass es aussehen müsse, als sei er der Messias. Unbesiegbar und all diese dusseligen Gedanken und Aussagen, die man ihm andichtete. Keines dieser stimmt. Er war einfach nur gut, wenn nicht sogar der Beste, wenn er nicht über seine Handlungen nachdachte.
Die aus dem Augenwinkel Erspähten mussten Lagerwachen sein und hielten mit erhobenen und bereits herausragenden Klingenknochen direkt auf Ben zu. Wo sich diese beiden auch immer versteckten, sie haben die Entfernung zu ihm auf zwei Armlängen verkürzt und rückten unaufhaltsam näher, um ihn zu zerreißen. Die Vorgänge, die augenblicklich in Folge abliefen, waren für das ungeschulte Auge kaum nachvollziehbar. Ein im Uhrzeigersinn gedrehter Hüftschwung mit ausholendem Mithrodin, beschreibend einer tödlichen Sichel gleich. Begleitend eines knurrenden Wutschreis mit einem geführten Kreuzschlag und anschließendem Endhieb von oben nach unten. Einen fortgeführt wuchtigen Querschlag förderte die eben noch herannahenden Gouwors mit einem matschig und knackenden Geräusch in die Anderswelt. Ein durchdringend kupferner Geruch verbreitete sich, als Blut und Eingeweide ungehindert zu Boden klatschten.
Das Schwert, geführt in einer absoluten Vollkommenheit schnitt dem ersten dieser abartigen Wesen nahezu komplett in der Länge von oben nach unten in zwei. Nur bedingt durch die Vollführung einer geänderten Schlagrichtung wurde dieser hinrichtende Schlag, nicht durchgängig vollendend durch den aufklaffenden Körper gezogen. Diese seltsame Waffe glitt durch Muskeln und Knochen wie ein Brötchenmesser durch warme Butter.
Der zweite Gouwor geriet bei diesem Richtungswechsel in eine ähnliche Situation, nur das dieser wahrhaftig und unbestreitbar zweigeteilt dalag. Dieser wurde von unten rechts beginnend der Hüfte, nach oben links endend an der Schulter sauber durchtrennt und sackte, beide Körperhälften voneinander schmatzend und rutschend zu Boden.
Der dritte ihrer Art, jener, der aus dem Lager heranstürmte, brüllte guttural auf. Lief an Beutegut und Erschossenen vorbei um den Abstand zwischen Ben und Jarik weiter zu verkürzen, mit dem Ziel wenigstens einen mit in den Tod zu zerren. Pfeile verließen endlich pfeifend die Bogensehnen um den Nahenden zu Fall zu bringen, doch dieser schien trotz tödlicher Treffer nicht erliegen zu wollen. Es blieb keine Zeit zu verlieren, als genau zur rechten Zeit jemand mit gezücktem Dolch aus dem nahewachsenden Gebüsch sprang und den Hünen so zum Straucheln brachte. Ein wuchtiger Stoß mitten ins Genick, gefolgt eines wutentbrannten Schreis machte auch diesem dann doch noch den gar aus.
»Stirb du verfluchte Brut«, fauchte Jarik schnaubend und drehte kraftvoll den in Fleisch und Knochen getriebenen Dolch. Ein verhaltenes Grunzen, aus dem Maul der Bestie bedeutete der Jagdgruppe den Sieg. Anstatt fünf, wurden letztendlich sieben der Invasoren erlegt.
»Ein brauchbares Ergebnis, Sieben zu null für uns«, freute sich Jarik, als er seinen Dolch schmatzend befreite und im Gras säuberte. Ben stand weiterhin mit leicht gespreizten Beinen da, schnaufte schwer und wartete auf weitere Feindberührungen. Sein Körper schien vollkommen angespannt, doch der erwartete Kampf blieb aus. Obwohl nur wenige Augenblicke vergingen, kamen ihm diese wie eine Ewigkeit vor. Die Gruppe versammelt sich vorsichtig um ihn und begutachteten die zwei Zerlegten mit ungläubigen Blicken. Jarik musterte die beiden gefällten Kadaver und hob eine der Hälften angewidert mit dem Fuß an. Er kniff die Augen zusammen und senke den Blick prüfend, so als suche er nach etwas Bestimmten. Einschätzend schaute er von Ben zurück zu dem Kadaver.
»Verflucht, wo hast Du gelernt so mit einem Schwert umzugehen? Dies eben hatte mit normalen Kämpfen nichts mehr zu tun.« Jarik schüttelte zur Untermauerung seiner Aussage den Kopf und ließ von den Überresten ab. »Das mein Lieber kam einen Tanz gleich und das mit einer dir angeblich unbekannten Klinge. Wer oder was verdammt bist du?«
Angewidert des Anblickes, den er eigens verursachte, blickte er auf und reichte Jarik das Schwert - Griff voran. »Nimm es zurück, es gehört dir und ich habe keinen Schimmer, was hier eben passiert ist. Ich habe es einfach geschehen lassen, so als habe dieses Ding mich geführt und nicht umgekehrt.«
Verständnislos griff Jarik nach dem Dargebotenen und schaute sich achselzuckend sein Eigen an. »Es hat dich geführt? Wie soll ich das verstehen? Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie du dieses Schwert geschwungen hast und niemand anderes, schon gar nicht es dich.«
Ben wischte die Aussage lässig mit der Rechten beiseite und saugte Luft tief in seine Lungen, um dem schnaufen Herr zu werden. Er hatte leider nicht bedacht, welchen Gestank diese Wesen allein schon verursachten, ganz zu schweigen als zerlegte Filets und übergab sich. Mit glasigen Augen richtete er sich auf und wischte sich mit dem Handrücken den Mund. »Scheiße. Wie ich sagte, ich hatte so ein Gefühl. Man ich weiß es doch auch nicht, ich trainiere seit Jahren mit Schwertern, aber so etwas wie eben ist mir noch nie untergekommen. Solange ich nicht weiß, was das für eine Klinge ist,« Ben winkte mit der Rechten ab und ein abgewischter Speichelfaden landete vor Jariks Füssen, »bleib mir bloß weg damit.«
»Aber, das kann nicht sein. Es ist eine ganz normale Waffe, zumindest wenn man die Form außer Acht lässt. Sie entstammt den Schmieden der Naïns und ist einzigartig, mehr nicht. Sieh dir an was du mit diesem angerichtet hast.« Mit Mithrodin auf die Kadaver zeigend, »Sie hatten nicht einmal den Hauch einer Chance dir nahezukommen, und das da waren keine gewöhnlichen der Brut. Diese beiden hier entstammen der Berserkerzucht. Und dieser Zweigeteilte dort war dazu ein Rottenführer. Schau dir sein Abzeichen an.«
Ben, der allmählich wieder zur Besinnung kam und verinnerlichte, was kürzlich geschah, schaute sich verwundert die von ihm Erlegten als auch das Schwert abwechselnd an. »Berserker, Gouwors, Brut, Zucht? Was ist das für ein Ding dieser Naïns, mit dem ich die da in Zwei gehauen habe?«
»Die dunkle Brut, allem voran die Gouwors und deren kräftigeren Verwandten sind die Ausgeburt eines finsteren Wesens. Eines, welches sich übelster Magie bedient und einst unter dem Namen Lord Inat weilte. Diese Wesen entstammen keinem natürlichen Wuchs wie bei uns Menschen. Sie werden in den Tiefen der Erde gezüchtet. Berserker, gegenüber der einfacheren ihrer Art zeichnen sich durch ihre stämmigere Körperform und einer vielfachen Aggressivität als deren kleinwüchsigeren Kumpanen aus. Sie führen überwiegend größere Rotten an und dienen als eine Art Hauptmann.« Das Mithrodin vors Gesicht gehoben und leicht drehend erklärte Jarik weiter. »Was diese Klinge betrifft, sie ist mutmaßlich eines der letzten Artefakte aus längst vergangen Epochen. Dieses Schwert stammt aus den tiefsten Schmieden der Berge, in denen einst die Naïns beheimatet waren. Ob und wie viele von ihnen noch leben, ist unbekannt. Nach dem Krieg hat niemand mehr einen der ihren gesehen, noch von ihnen gehört.«
»Das sind ja ganz tolle Aussichten, in die ich hineingeraten bin. Sonst noch was?«
»Ja. Du darfst dich ab jetzt einen Helden schimpfen. Kein Lebender hat sich bisher freiwillig einem dieser Berserker gewagt, im Zweikampf zu stellen. Du hingegen hast gleich zwei davon in einem einzigen Tanz zur Strecke gebracht«, erklärte Fendrik noch vor einer Erwiderung seines Bruders, der dieser nur zuzustimmen vermochte und anerkennend die Brauen hob. Die übrigen Jäger klopften Ben auf die Schulter und beglückwünschten ihn.
»Ein Held. Wollt ihr mich verarschen?« Der Gute wurde allmählich ungehalten und führte den Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand zum Daumen, verzog mahnend die Gesichtszüge und stellte seine Sicht der Dinge klar. »Ich habe mich diesen Abscheulichkeiten nicht entgegengestellt, sie sind geradewegs auf mich zugesprungen. Ich vermute, dass das ein kleiner aber feiner Unterschied ist, ich habe mich lediglich verteidigt. Ich hänge an mein Leben, wisst ihr?«
»Fendrik hat Recht Benjamin, das hier Geschehene ist bisher mehr als unglaublich und ich wage nicht einmal im Ansatz darüber nachzudenken, was sich alles mit deinem Auftauchen verändern mag. Wir sollten die beiden Gefangenen befreien, sie scheinen wie angewurzelt und starren dich unentwegt an. Rafft die Beute zusammen und verbrennt die Kadaver in ihrem eigenen Feuer. Ich will hier schleunigst weg. Ach, noch was, du kannst es drehen und wenden, wie du willst. Du hast die Berserker erlegt und niemand sonst, alles Weitere ist Wortklauberei«, erwiderte Jarik beim Vorbeigehen und klapste ihm freundschaftlich auf die Schulter. Eric und die Übrigen hingegen richteten ihren Weg schnurstracks auf die Gefesselten und die Beuteansammlung. Niemand von ihnen mochte sich unnötig in seiner Nähe aufhalten, da er merklich kurz vorm Überkochen stand.