Der gesamte Tross hatte sich weit in die Länge gezogen und kam zum Stocken, da niemand eine Vorstellung hatte, wo sich zu sammeln war. Ben griff in die Mähne Artemis und setzte seinen linken Fuß in den Steigbügel. Mit gekonntem Beinschwung schwang er sich hinauf in den Sattel, um vom Rücken seiner Stute aus einen Überblick der aktuellen Lage zu gewinnen. Beim gebotenen Anblick prustete er geschlagen und bedeutete vieren seiner Jäger, sich ihm zu nähern.
Oje, bis hier Ordnung einkehrt, wird es zum Abend dämmern. Was soll‘s, auf in den Kampf.
Die Angewiesenen eilten herbei und erwarteten ihre Befehle. »Männer, wir brauchen Ordnung. Errichtet nahe dem Gebirge, zwischen dem Einschnitt voraus und der dortigen Anhöhe, eine provisorische Koppel für die Pferde.« Ben zeigte ihnen die Richtung, wo Angrol seinen Steinbruch begründen sollte und anschließend in Richtung der Anhöhe. »Versorgt diese dort und lasst sie grasen. Die übrigen Männer sollen direkt neben der Anhöhe genügend Fläche zum Errichten unsere Zeltstatt abstecken. Die Leute sollen für die Nacht ihre Unterkünfte aufstellen, Feuerstellen graben und aufschlichten.«
Die Jäger bestätigten ihren erhaltenen Auftrag und begaben sich ihrer Wege. Sie bedeuteten Helfern, ihnen mit entsprechendem Baumaterial zu folgen und so rückten einige Fuhrwerke aus. Angrol, der Steinmetz führte ebenfalls diverse Karren und Handlanger zu ihrem neuen Bestimmungsplatz und Ben bemerkte, wie dieser mit den Armen in verschiedenen Richtungen wies und Anweisungen mit dem Mund formte.
Naja, noch nicht viel Bewegung, aber zumindest mehr als zuvor. Was für ein Chaos.
»Wer von euch ehrenvollen Leuten ist ein erfahrener Schreiner? Ich benötige ebenso einen befähigten Getreidebauern«, rief Ben lauthals über die Menge hinweg, die sich verstohlen und wild gestikulierend verständigte. Zurufe und Fingerzeige wiesen ihm den Weg zu den Gesuchten.
»Hier, Herr. Korian Rorlin. Er ist der Beste und Bekannteste unter den Schreinern, die uns folgen«, rief einer der Männer, der auf einen der Karren geklettert und mit Handzeichen auf den neben sich deutete. Ben hob den rechten Arm, um anzuzeigen, dass er verstand und trabte in dessen Richtung. Auf halbem Wege trat ihm ein junger Mann in den Weg und fragte aufgeregt und mit wild gestikulierenden Händen: »Herr, wo sollen wir jetzt hin? Es geht nicht weiter.«
Mit ruhiger und freundlicher Mine bückte sich Ben im Sattel hinab und legte dem Erregten freundschaftlich die Rechte auf dessen Schulter. »Nur die Ruhe – beruhige dich. Wir sind doch gerade erst eingetroffen und koordinieren die weiteren Abläufe. Schau hinter mich, die Jäger und die Steinmetze gehen längst ihren Aufgaben nach und das schiere Durcheinander nimmt bereits ab.«
Der Angesprochene erschrak durch diese Geste, da er nicht bemessen konnte, wie er sich zu verhalten habe. Jedoch entspannte er sich schnell wieder, bedingt der freundlichen wie ruhigen Ausdrucksweise und nickte eifrig. »Ja Herr. Ich habe es gar nicht bemerkt. Ihr habt recht.«
»Geb uns noch ein wenig Zeit, ja?«, bat Ben ihn lächelnd.
»Ja, Herr. Gewiss doch. Danke, Herr«, erwiderte der junge Mann weiterhin kopfnickend.
Ben drückte ihm freundschaftlich die Schulter, richtete sich auf und trabte weiter zum gewiesenen Schreiner, der sich bereits auf den Weg zu ihm begab. Ben zügelte Artemis und schwang sich aus dem Sattel. »He, du«, rief er dem vorherigen jungen Mann zu, der sich erschrocken umsah und fragend den Finger auf sich selbst lenkte.
»Ja, du. Verrate mir, welche Aufgabe magst du hier in unserer neuen Heimat nachgehen?«
»Ich möchte gern mit Holz arbeiten, Herr«, beteuerte dieser merklich unbehaglich und senkte betroffen den Kopf.
»Wieso grämst du dich? Es handelt sich um eine dringend benötigte Tätigkeit und ist zudem ehrenhaft. Sei so gut und führe meine Stute hinüber zu den übrigen.« Ben zeigte dem Ängstlichen die Richtung. »Dort drüben, wo die Jäger an der Koppel bauen, ja? Anschließend eile wieder her, ich möchte dich jemanden vorstellen.«
»Ja, Herr.« Der junge Mann nickte und griff nach den Zügeln, um Artemis fortzuführen, die sich jedoch ziemte, mit ihm zu gehen. Ben kraulte ihr beschwichtigend hinter den Ohren und flüsterte ihr in Selbiges, welches sie sodann veranlasste, sich doch fortführen zu lassen.
Ein nahender Mann, ebenso wie Angrol in mittlerem Alter, hob grüßend die Hand. »Ich bin Korian, der Schreiner. Ihr habt nach mir gefragt?«
»Ganz recht. Sei gegrüßt Korian. Ich benötige eure Hilfe.«
Die beiden fassten sich kräftig bei den Handgelenken und der Schreiner erkundigte sich leise, was er dem Pferd zugeflüstert habe, das der Junge sie habe führen können. Man munkelte, dass sich niemand außer ihm selber der Stute so nähern sollte.
»Nichts weiter, ich habe die schlicht darum gebeten«, gestand Ben und lächelte. »Sie ist eben reichlich wählerisch und mag nicht jeden an sich heranlassen.«
»So ist es Recht. Herr, darf ich eine Rüge äußern?«
»Oje, worum geht es?«
»Ich möchte euch nicht zu nahe treten, aber ihr solltet das gemeine Volk nicht zu freundschaftlich benennen. Mir ist aufgefallen, dass ihr viele förmlich anredet und andere wiederum nicht.«
»Hm, ist mir nicht bewusst geworden, aber ich danke dir - euch - für den Hinweis.«
Korian nickte unterwürfig und fuhr fort: »Wie kann ich euch dienen, Herr?«
»Zweierlei. Den Jungen, den ihr eben gesehen habt, möchte Schreiner werden.«
»Verstehe. Gut, ich nehme ihn unter meine Aufsicht und bringe ihm bei, was es zu wissen gilt. Genügend Handwerkszeug sollte er bei unserem Unterfangen lernen können. Das Zweite?«
»Das freut mich, ihr könnt ihm, sobald er wieder hier ist, die freudige Nachricht mitteilen. Ich möchte mit euch ein paar Pläne besprechen, die ich ausgearbeitet habe. Begleitet mich auf diese Anhöhe hinauf.«