Eric postierte sich mit seinem halben Beritt in der Lichtung des dritten Wegepunktes und beobachtete angestrengt die Umgebung. Vereinzelte Jäger trennten sich vom Beritt und schlichen tiefer in den Wald hinein, um die übrigen rechtzeitig warnen zu können. Vorsichtig aber dennoch in Hast trieb er seine Männer weiter, um in Sichtweite des Passes zu kommen und auf den Tross zu warten. Die Zeit verstrich quälend, bis sich die Nachzügler endlich näherten und Fendrik befahl in nordöstliche Richtung zu eilen, um den schützenden Bergseinschnitt, dessen Schatten bereits zum Greifen nahe war, zu erreichen. Auf dem Weg hatte er allen aufgetragen, sich innerhalb des Passes ausschließlich an den äußersten Wänden entlang zu halten, was auch immer passieren mag. Der Tross würde langsamer vorankommen, jedoch dürfe der nahenden Hilfe nichts im Wege stehen. Sie begriffen, dass ein Reiter im vollen Galopp es nicht vermochte auszuweichen, wenn ihm irgendetwas vor die Hufe geriet, sei es ein Karren oder ein unachtsames Kind. Bereits an eines jeden Leistungsgrenze angekommen, ächzten die Leute und ihre Fuhrwerke dem Ziel entgegen. Hüter trieben mitgeführtes Vieh ohne Rücksicht in Richtung des rettenden Spaltes, als aus dem nahen Wald warnende Rufe und die hasserfüllten grunzenden Laute und Schlachtenhörner der Gouwors erklangen.
»Bewegt euch, macht, dass ihr in den Pass kommt«, brüllte Fendrik über seine Schulter hinweg. »Los Leute, Bewegung oder euer Leben ist verwirkt! Beritt in Aufstellung!«
Kinder schrien vor Angst und Mütter zogen sie sich ebenso ängstlich in die Arme und blickten mit starrenden Augen erwartungsvoll zu den sich in drei Linien anordnenden Kämpfern. Vor Furcht blieben viele, die zu Fuß den Tross begleiteten, erstarrt stehen und hefteten ihre Blicke in die Schatten der Bäume.
»Vorwärts, bewegt euch verdammt«, blafften die Männer des Geleites. Die Wehrhaften aus Halis Gefolge gesellten sich zu denen Fendriks und warteten gespannt dem Nahenden. Elm‘emo begab sich ebenso zu den Berittenen und versprach ihnen mit allem, was er an Macht aufbieten konnte beizustehen.
Besorgte Blicke richteten sich auf den Waldrand. Das Grunzen wie die Laute derer Hörner nahten mit jedem Atemzug und erklangen stetig lauter. Man konnte die förmliche Anspannung der kampferwartenden Männer deutlich spüren. Knöchel knackten, als Waffen fest umgriffen und gereckt wurden.
»Bereithalten! Unsere Freunde haben bereits einen Sieg gegen sie errungen, nun wollen wir es ihnen gleichtun«, versuchte Fendrik die seinen zu bekräftigen.
Lanzen richteten sich auf und energische Gesichtszüge deuteten davon, dass zumindest bei einigen die Worte anklang fanden. Die Gewissheit, dass auch Gouwors nicht unsterblich waren, haftete in ihrem Gedächtnis.
Die ersten Karren und fliehenden Menschen betraten den schützenden Pass, als die Schatten des Waldes begannen sich zu bewegen und verzerrte Formen annahmen. Schwarz befiederte Pfeile zischten ungezielt heran, sacken jedoch weit vor den Berittenen ohne Wirkung zu Boden.
»Auf meinen Befehl«, mahnte Fendrik mit gezücktem Schwert und stieg dabei in den Bügeln aufrecht. Mahlende und knirschende Zähne, hüpfende Adamsäpfel und verzerrte Gesichter der Männer deuteten von steigender Nervosität. Gouwors trampelten hervor, verließen die umgebenen Schatten und betraten die Lichtung. Auge in Auge geiferten die Invasoren ihrem Feind entgegen und schoben immer wieder angriffslustig ihre massigen Oberleiber voran. Kräftige Arme mit herausgepressten Klingenknochen schnitten die Luft und teilten imaginäre Feinde, aber niemand wagte es, ihnen entgegenzutreten. Ein Berserker trat hervor und hob seinen Arm. Von weit über seinem gehörnten Kopf senkte er ihn langsam nach vorn und brüllte den Befehl zum Angriff grotesk heraus.
»Haut in zwei! Wir Fleisch fressen heute!« Seine befohlenen Artgenossen nahmen sein Gebrüll auf und erwiderten es mit gutturalen Lauten. In breiter Front liefen sie auf die Berittenen zu, die ihnen ihrerseits die mitgeführten Lanzen entgegen senkten. Bögen wurden gespannt und Ziele ins Visier genommen.
»ANGRIFF!«, schallte es über die äußeren Gebirgswände und donnerte als Echo den Pass hinein, bis hinauf zu dem kleinen Plateau, auf dem die Naïns entsetzt die Flüchtigen und den Ansturm der Brut beobachteten. Die flüchtende Menge strengte sich an, so schnell wie irgend möglich in den schützenden Pass zu gelangen.
Der Beritt Fendriks verfiel vom leichten Trab in vollen Galopp, gesenkte Lanzen wurden für den Zusammenstoß kräftig gepackt. Grimmige Blicke säumten die Reihen der Reiter und wild grunzende Laute der Gouwors schlugen ihnen entgegen. Die erste Linie des Berittes lehnte sich in den Steigbügeln, mit angewinkelten Beinen, nach vorn, um die zu erwartende Wucht des Aufpralles mit den Lanzen entgegenzuwirken. Entsetzliches Knacken und Krachen ertönten, als die feindlichen Linien aufeinandertrafen. Geschmiedet und gehärtete Lanzenspitzen drangen wie von Geisterhand geführt in die leichten Harnische der Brut und stießen sie so mit voller Wucht zu Boden. Jene, die es schafften ihre Waffen rechtzeitig aus ihren Opfern zu entziehen, bevor das jeweilige Pferd zu weit vorausgeritten war, zerfetzten innere Organe der sterbenden. Andere wiederum beließen die aufgespießten Gouwors samt Lanze an Ort und Stelle, um sich dem Feind mit dem Schwert in der Hand im Nahkampf zu stellen.
Pfeile sausten über die vordersten Köpfe hinweg, als die Zurückgebliebenen ihrer Angriffswelle aufnahmen und damit nachrückende der Brut zu dezimieren.
Lanzen brachen, als diese beim Vorbeireiten nicht rechtzeitig aus den Leibern der Gouwors gerissen werden konnten, andere zersplittern wirkungslos an stabileren Rüstungen oder wurden jäh von den bewehrten Armen der Berserker zur Seite gelenkt.
Die erste geführte Angriffswelle beider so ungleichen Wesensparteien schien zugunsten der Pferdeherren zu gehen und die Fronten rückten unaufhaltsam aufeinander. Nachrückende Gouwors eilten an ihren Gefallenen und an den immer wieder zustechenden Lanzen und Schwertern vorbei, um selbst zum aktiven Angriff überzugehen. Ihre Klingenknochen glichen perversen Werkzeugen, geführt mit roher erbarmungsloser Gewalt. Ohne Gnade hackten sie auf Mensch und Pferd ein, um den Feind zur Strecke zu bringen. Sie stachen mit zum Dorn verlaufenden Knochen meist rückhandartig zu und versenkten so ihre spitzen Gebilde voran bewusst in die üblicherweise weichen Bauchgegenden. Hatten sich die rückläufigen Klingenknochen erst einmal verfangen, rissen sie den Reiter vom Sattel und Entweideten ihn mit einem brachial angeführten Spalthieb. Dermaßen getroffen blieben Einigerorts die armen Seelen noch bei Sinnen, um ihr Gedärm mit den Händen beim Ausfallen zu hindern, um beim Anblick und Schock dessen zu sterben oder schlicht zu verbluten. Andere trugen es leichter, als ihnen beim Fallen die messerscharfen Klingenknochen die Köpfe vom Rumpf fegten. Wohin der Blick auch gerichtet wurde, überall lagen leblose Körper - Menschen, Pferde und auch Gouwors. Röcheln, schnauben stöhnende Laute säumten den Schauplatz der Kontrahenten.
Ein heilloses Gemetzel entstand unter den Kämpfenden, welches die Bemühungen der Unbewaffneten verstärkte, schleunigst in den Pass zu eilen. Ihnen wurde eingebläut, das Yaeko Hilfe bringen würde und diese benötige dringend Platz, um im vollen Galopp den Pass durchreiten zu können, als ihnen eiliges Hufgetrappel entgegenschallte.
Vereinzelte Lichtblitze zuckten durch die Reihen und trafen zielsicher. Getroffene wurden von diesen wie mit einer glühenden Lanze durchbohrt und von innen heraus zerfetzt. Organe barsten bei der sich im Körper entfaltenden Druckwelle. Der Tross war noch längst nicht im schützenden Pass und die Unbewaffneten schrien vor Angst, als die breite Masse der Brut die Flanken der berittenen Menschen ausdünnte und in Begriff schien, zu den Wehrlosen vorzudringen. Reiter preschten aus dem Pass und drängten rücksichtslos in die linke Flanke. Zwei Zehnen zu Pferd sprangen in die ahnungslos vordrängenden Gouwors und unterstützen so die zerfallene Kampfkraft ihrer Gefährten. Die Horde der Brut war jedoch zu gut vorbereitet und in wilder Rage, als dass Fendrik mit seinen Männern noch lange durchzuhalten vermochten. Bisweilen befanden sich mehr Menschen unter den Verwundeten und Toten als aufseiten der Invasoren.