Ben begab sich auf direktem Wege zu Elm‘emo, der auf dem Weg durch den Pass abseits von ihm ritt und kein Wort sprach. Als er in Hörweite kam, vernahm er leichtes Getuschel Umherstehender, die ihn verstohlen betrachteten und vereinzelt mit dem Finger auf ihn zeigten.
»Da ist er.«
»Ein Baum von einem Mann.«
»Das muss der Fürst sein.«
»Ah, Benjamin. Ich möchte euch den guten Herrn Halis vorstellen. Der letzte Nachfahre der alten Hofschmiede Bregerans. Eine uralte Schmiedewacht der Naïns und ein Geschenk dieser an die Bündnisfreundschaft zwischen ihnen und dem Volk der Pferdeherren.«
Halis der Schmied sank bei der Aussprache seines Namens auf ein Knie und neigt das Haupt. »Mein Fürst. Zu euren Diensten.«
»Erhebt euch bitte. Ihr seid also dieser Schmied, von dem im Lager erzählt wird. Sagt mir Herr Halis, was führt ihr für Ladung mit euch, die ihr von euren Männern bewachen lasst?«
Der Schmied folgte der Aufforderung zum Aufstehen und sah unbeholfen zu Elm‘emo, der ihm aufmuntern zunickte.
»Mein Fürst, ihr kennt die Geschichte um meine Person?«
Ben nickte. »Unser guter Herr Elm‘emo berichtete sie mir, noch bevor wir uns vor einiger Zeit verabschiedeten, um eigener Wege zu gehen.« Er warf dem Hüter einen Seitenblick zu, der diesem unmissverständlich zu verstehen geben musste, dass das ausbeleibende Gespräch noch zu führen sei.
»Herr, ich habe meine angestammte Schmiede komplett räumen lassen und führe nebst Arbeitsmaterial und Werkzeuge auch das mit, was die einstigen ...« Leiser, fast flüsternd trat er näher an Ben heran. »... Schwertmänner zurückließen.«
Mit einem Wink seines rechten Armes zu einem seiner direkten Begleiter warf dieser die Abdeckung des nahestehenden Karrens zur Seite und gab den Blick auf die Ladung frei. Ben hob die linke Braue, starrte vor Verwunderung und ließ den Mund vor Erstaunen offen stehen - er war sprachlos. Von dem Inhalt zum Schmied schauend und wieder zurück trat er heran und befühlte die in Armeslänge, ordentlich aufgeschichtete Fracht. Sauber in geöltem Leder eingewickelte Waffen. Frisch gefettete, aus Leder gefertigte Rüstungsteile und vieles weitere befand sich in diesem. Er wühlt einige jener Dinge zur Seite, zog ein Schwert heraus und sah es vor sich haltend fasziniert an. Ein nahezu perfekt ausgewogener Einhänder. Etwas breiter als ein normales Schwert, aber dennoch leicht zu führen. Eine kurze anliegende Parierstange, geformt wie zwei sich anstarrende Pferdeköpfe. Nur die bis zum Heft verlaufende Blutrinne hinderte die Mäuler der Köpfe daran, sich zu berühren – ähnlich dem seinem.
»Das Schwert eines Schwertmannes, mein Fürst. Das Eure jedoch, Bemessen meines geschulten Blickes, kommt eures Titels gleich.«
Ben hörte ihm jedoch nicht zu und schwang seinen Fund leicht in der Hand und legte sich die flache Seite der Klinge auf den linken Oberarm und blickte dieser entlang. Er legte das Schwert zurück und hielt einnehmend seine Hand weiter an dem Karren.
»Wie viele dieser und ähnlicher Ausrüstungen führt ihr in die Mark?«
Überlegend führte er seine Hand ans Kinn und rieb es. Er schürte die Lippen hervor und legte einen nachdenklichen Blick auf. »Ich bringe euch komplette Ausrüstung für mehr als einen vollgerüsteten Beritt. Weiterhin einfachere Schwerter, Äxte und Bögen sowie ähnlich viele Umhänge. Mein Gefolge, Herr, besteht aus vielen begabten Händen. Mein Neffe assistiert mir und übertrifft mich zum Teil. Begnadete Frauenhände weben diese prächtigen Umhänge, die einst so typisch für uns alle waren und mit denen wir Stolz in Erscheinung traten. Bogner und Kürschner schaffen diese vortrefflichen Bögen wie Lanzen und Grundlagen meiner Erzeugnisse.«
»Ihr bringt mir«, knurrte Ben ungehalten und erntete einen verwirrten Blick Elm‘emos. »Mit diesem hier ...« Ben klopfte mit seiner fachen Rechten zwei Mal auf den Rand des karren »... hättet ihr längst beginnen können, die Invasoren aus euren Marken zu treiben. Wieso hieltet ihr sie unter Verschuss?«
»Lasst mich erklären, guter Herr Halis«, ermunterte Elm‘emo den in Verlegenheit geratenen Schmiedemeister, der sich einen Schritt rückwärts entfernte. »Benjamin, ihr habt doch eigens erlebt, wie weit das Volk heruntergekommen ist. Niemand von diesem ist auch nur ansatzweise in der Lage, seine Mark oder gar sich selbst zu beschützen. Es fehlt ihnen ein Anführer. Erst durch euch erfuhren diese Leute hier, was es bedeutet, in Freiheit und Geborgenheit miteinander leben zu dürfen.«
Mit zu schlitzen verengten Augen betrachtete Ben den Karren und blickte ab und an hinein. Er nickte und verzog die Mundwinkel, als lasse er sich jedes Wort durch den Kopf gehen. »Verstehe. Es war ein steiniger Weg und er scheint noch lange nicht ebener zu werden. Entschuldigt meinen Ausbruch, Herr Halis. Ich bin noch nicht allzu lange in dieser Welt, als das ich mir ein voreiliges Urteil bilden sollte.«
Er reichte ihm zur Unterstreichung der Entschuldigung die Rechte zum Handschlag und blickte ihn erwartungsvoll an. Der Schmied schaute ihm lange entgegen und schlug dann ein. Ben führte Elm‘emo und Halis zu einem der mittlerweile entfachten Feuer und gemeinsam sprachen sie über die mitgeführte Ladung und deren Verfügbarkeit. Sie kamen zum Einvernehmen darüber, die Fracht weiterhin unter Verschluss zu halten, bis ein geeigneter Tag zum Austeilen gekommen war.
»Die Fertigstellung des Weilers am See und dessen Einweihung dürfte ein solcher sein«, gab Halis zu bedenken.
»Mir scheint, dass dieser Tag dazu mehr als geeignet ist. Der König unserer neuen Verbündeten soll zu jenem Ereignis ebenfalls geladen werden und würde diesen Tag zu einem Besonderen abrunden.«
»Ich möchte euch beiden bei euren Gesprächen nicht weiter stören, Benjamin. Ich muss mich um das erbeutete Relikt kümmern und dafür sorgen, dass wir augenscheinlich verloren haben. Wer auch immer die Verbindung zu diesem Stein hält, wird erfahren wollen, ob dieser Fehlgeleitete meiner Art erfolgreich war.«
»Wie wollt ihr das anstellen? Wir waren siegreich und wir können keinen dieser Bestien wiederbeleben.«
»Ich werde meine Gabe gebrauchen, und versuchen der anderen Seite glaubhaft zu machen, dass die Pferdeherren versagt haben.«
Ben und Halis schauten sich unbehaglich an und wollten Elm‘emo noch etwas erzählen, nur war dieser bereits auf und davon.
»Wir können keine weiteren Einmischungen von außen brauchen.«
»Dem stimme ich euch zu, mein Fürst.«
Halis erzählte weiter von seinen Schmiedearbeiten, sowie den mitgeführten Materialien als ihm bewusst wurde, wie spät es war und müde er doch sei. Ben klopfte ihm aufmunternd auf die Schultern und beteuerte ebenfalls, zur Ruhe gehen zu wollen. Die morgige Tageswende würde anstrengend, pflichtet er bei und verschmolz mit den Schatten der umstehenden Zelte.