Ein jeder von Ihnen trug eine entzündete Fackel vor sich ausgestreckt und nickten sich erwartungsvoll zu. Jarik, Yaeko, Aguschal, die beiden Brüder Kabar und Galoth mit ihren Äxten sowie jeweils fünf Schwertmänner und Kämpfer der Naïns machten sich bereit. Jarik und Aguschal, die jeweiligen ranghöchsten Anführer ihrer Völker vor Ort, hielten nebeneinanderstehend ihre Fackeln in die Finsternis. Nur mühsam ließ sich das Dunkel zurückdrängen – es schien durchdringend und vollendet.
»Ich geh‘ voran«, beteuerte Jarik, zog den Kopf ein und drängte voraus. Die Schwärze des Ganges war dermaßen, dass der Widerschein der Fackel nur verblichen zu erkennen war, so, wie die schemenhaften Umrisse seines Trägers. Die Übrigen folgten auf dem Fuß, nach wenigen Augenblicken war der gesamte Trupp im Berg verschwunden. Sie blieben nah beieinander um sich gegenseitig im Auge zu behalten und dem Gang so etwas Sicherheit abzuverlangen.
Die zur Absicherung des Ein- beziehungsweise Ausganges abgestellten Posten gesellten sich zu überschaubareren Stellungen. Die Arbeiter ackerten bedrückt weiter, auch wenn sie stets das gähnende Loch des Schachtes im Augenwinkel beobachten. Unermüdlich schafften sie Geröll und Erdmassen von links nach rechts und bewegten sich dabei beharrlich und temporeich. Stück für Stück wich die Schräge des aufgeschütteten Hanges und wurde Flacher. Aguschal hatte sie angewiesen den Schutt bis auf Oberkante des Einganges umzusetzen, sodass der zweckmäßig herabstürzende Block darüber, in einem Stück blieb. Dieser sollte die losen aufgeworfenen Massen darunter durch sein bloßes Gewicht verdichten und den Zugang ein für alle Mal versperren.
Die Wände des Ganges waren Nass und kalt, der Boden matschig und schlüpfrig, sodass sich die Männer nur verhältnismäßig langsam voranwagen konnten, ohne ihren ohnehin mühseligen Halt gänzlich zu verlieren.
»Vieles von dem Erdreich hat sich hier im Tunnel angesammelt, als das Wasser abgelaufen ist. Passt auf, wohin ihr tretet«, erklärte Aguschal unnötigerweise, nur um die drückende Stille zu übertönen.
»Wenn wir sehen könnten, wohin wir unsere Füße setzen, du Tramp. Der Gang ist so finster wie das Innere, des Arsches, einer Bergziege«, grollte Galoth zwischen den Zähnen hindurch.
»Halt endlich die Klappe. Dein Gezeter ist nicht zum Aushalten«, meckerte Jarik von vorn.
»Ach, jetzt haben die Menschen auch schon was zu melden? Beim Hammer des Einers, was für eine Qual.«
»Galoth, verdammt. Jarik hat Recht. Sei endlich still, ich hab‘ was gehört und das kam ausnahmsweise nicht aus deinem Gehege«, wies ihn sein Prinz zurecht auf dessen er wahrlich Ruhe gab.
Aguschal mahnte unnötigerweise mit Handzeichen zur Ruhe, eine Geste, die in jener Finsternis von niemandem außer ihm selbst gesehen wurde. Dennoch, alle blieben sie ruhig und lauschten. Leises plätschern und schmatzen ihrer Stiefel im Matsch war zu vernehmen, sonst nichts – oder doch? Ein fauler Geruch drängte sich ihnen in die Nasen und ließ im Zwielicht der Fackeln angeekelte Gesichter vermuten.
»Oha, was ist das denn?«, verlangte einer der Schwertmänner zu wissen. Zu dem üblen Geruch mischte sich nun auch ein leises Getriller, das allen sofort die Münder verschloss.
Aguschal schnüffelt angestrengt und schluckte schwer. Er zitterte und würgte einen Klumpen Schleim hervor, den er angewidert, links von sich an die Wand rotzte. »Morroval.« War das einzige Wort, das er hervorbrachte und als Erklärung reichen musste. Jarik nickte im Fackelschein und streckte seinen Arm voran.
»Da vorn, seht. Der Gang gabelt sich.«
»Lass uns nachsehen«, äußerte Aguschal mit rümpfender Nase, die er sich mit dem kräftigen Unterarm rieb.
Keine sieben Schritte voraus führte der Gang weiter abwärts, in die Tiefe. Ein Angrenzender, verlief seitlich zur Linken, aber nahezu ebenerdig in rückwertige Richtung.
»Was jetzt?«
»Mhm. Kabar wird sich den linken Gang ansehen.« Ohne den Angesprochenen anzusehen, reckte er seinen Hals etwas seitlich. »Nimm dir eine handvoll Streiter und geh. Wir folgen dem Abwärtsführenden.«
Kabar nickte, schwenkte seine Fackel als Zeichen und drängte sich an den Vorderen vorbei. Mit Yaeko und drei Schwertmänner verschwand er im Seitengang und war kurzerhand außer Sicht. Die Übrigen begaben sich weiter hinab. Angespanntes Schnaufen und wiederkehrende Tropfgeräusche blieben ihre stetigen Begleiter.
»Siehst du das, Yaeko?«, flüsterte Kabar und zeigte nach vorn.
»Nein, was ist da?«
»Da vorn. Etwas bewegt sich, dunkler als das hiesige Schwarz.«
Yaeko strengte seine Augen an, hielt seine Fackel abseits und bemerkte es auch, als sich seine Augen an das Dunkel gewöhnten. »Was ist das?«, hauchte er unsicher.
»Finden wir es heraus.«
Die Schar griff zu ihren Waffen, leises Scharren gesellte sich zu den üblichen Geräuschen hinzu. Der Gang führte sie an mit Krallen bearbeiteten Wandflächen vorbei. Tiefe Furchen waren ins massive Gestein geritzt, bildeten aber weder Schrift noch Form. Vor ihnen wich die durchdrungene Finsternis verhaltenem bläulichen Schimmer, sodass die Gefährten die Konturen einer Höhlenkammer ausmachen konnten. Schemen huschten an den Wänden und unruhige Schnatterlaute mischten sich unter jene, welche wie schlagende Schwingen klangen. Einer der Schwertmänner zeigte mit seinem Schwert schroff zur gegenüber befindlichen Höhlenwand, wo sich ein Schatten löste und in die Lüfte erhob.
»Da.«
Kreischen und Heulen ertönten im Widerhall des Echos.
»Morroval«, grollte Aguschal und sprang aus dem schützenden Gang, hinein in die Höhle. Er packte den Griff seiner Axt fester, sodass das Knacken seiner Knöchel zu hören war, und rammte die Fackel, in fließender Bewegung, neben sich in den Boden. Die Anderen machten es ihm gleich und beugten sich hinter ihm in Kampfhaltung. Sie deckten sich, in Erwartung eines ungleichen Kampfes, gegenseitig. Die Morroval verharrte mit schlagenden Schwingen in der Luft, beobachtete die Eindringlinge und kreischte ihren Unmut heraus. Schwächere rufe mischten sich ihrem Schrei bei, aber kein weiteres Morroval erhob sich.
»Worauf wartet dieses Biest? Wo sind wir hier verdammt«, zischte einer der Männer.
»Dieses schimmernde Licht stammt von fluoreszierenden Blaupilzen, sie kommen auch in unseren tieferen Minen häufig vor. Mir ist jedoch nicht klar, was diese Kammer bedeuten mag.«
»Mir schon«, antwortete ein heraneilender der Schwertmänner, der sich aus den Schatten eines Felsens schälte. Neugierig blickten Kabar und Yaeko in seine Richtung. »Es muss eine Kinderstube sein. Ich habe rücklings, nur wenige Längen von hier, ein Nest gesehen, in dem eines dieser Kindwesen liegt.«
»Ein Kindwesen?«
»Das kann sein, ja. Diese weibischen Wesen gebären ihren Nachwuchs wie ihr Menschen oder wir Naïns, nur das sie sich selbst schwängern. Sie sind zeitgleich zwei Geschlechter und werfen üblich in regelmäßigen Abständen. So zu mindest ihre Königin. Die Drohnen sind meist nur kriegerisch veranlagt.«
Yaeko deutete auf die fliegende Morroval. »Das ist ihre Königen?«
»Nein, das glaube ich nicht«, verneinte Kabar mit schüttelndem Kopf. »Sie hätte schon längst angegriffen und das unter Garantie nicht allein.«
Flatternde Geräusche wurden von rechts und links Laut, weitere Morroval gerieten ins Zwielicht der leuchtenden Pilze.
»Sie greifen an!«
»Ai-Oi! Schlachtet sie!«, rief Kabar und stürmte, mit drohend erhobener Axt, nach Links, auf eines der kleineren Wesen zu. Yaeko lief mit schwingendem Schwert hinterher. Die übrigen Schwertmänner stürmen in gegenüberliegende Richtung – nach rechts.