Die Story, die ihm der neue erzählte klang abenteuerlich. Faszinierend wie unglaubwürdig. Seltsam, so dachte Robert hingegen, war der - erschrockene - Ausdruck in dessen Zügen. Die Augen nahmen einen seltsamen Glanz an, so als würden sie etwas spiegeln wollen. Ihm lief es eiskalt dem Nacken hinab, als er endlich locker wurde und erzählte, was es mit dem Tattoo auf sich hatte.
Robert musste sich oftmals zwingen, nicht mit den Augen zu rollen, so windig klang das Gesagte in seinen Ohren wieder.
Das Wappen stamme aus einer feudalen Zeit, aus einem Gebiet, welches erst vor wenigen Jahrzehnten zugänglich wurde. Nahe dem heutig bekannten Italien liegt ein bracher wie ausgebeuteter Landstrich, dessen einziges belebtes Dorf liebevoll ›Briga‹ getauft wurde.
Einst solle der gesamte Landstrich, mit seinen grünen Wiesen und üppigen Wäldern Malern posiert haben. Reichhaltig Wild versorgte die Einwohner mit ausreichend Fleisch. Ausladende Ackerflächen sorgten für Ernten im Überfluss.
Sechs Baronien umfasste dieses ominöse Königtum, welches aus vorherigen sieben Königländern erwuchs. Fünf weitere von Königen befohlene Landstriche gab es daneben, wie auch eine beinahe ebenso große Landmarke, bewohnt von wilden unzähmbaren Stämmen. Männer und Frauen, die nicht bereit waren, sich unter- oder einzuordnen. Sie kämpften auf verlorenem Posten, hielten die Grenzländer jedoch zweifelsfrei und nahezu pausenlos in Aufregung. Deren schiere Anzahl an Kämpfern schien zahllos.
Aus fragwürdigen Quellen erfuhr Robert tatsächlich Details, die den Erzählungen seines Kollegen untermauerten. Es gab diese Stadt oder eher Gemeinde, welche diese heutzutage noch sei. Gerade einmal sechshundert Seelen lebten dort. Plus Minus ein einer Handvoll Bewohner mehr.
Es gab Hinweise und mancherlei Aufzeichnungen, dass das umliegende Land wahrhaftig einst üppig bewachsen sein musste. Heute hingegen, zeichneten sich Dürre und Zerfall.
Politik und Industrielle haben sich wie Maden im Speck gelabt. Ein gehöriges Erdbeben sorgte vor vielen Jahrzehnten für ein heilloses Durcheinander und sorgte dafür, dass etwas geborgen oder viel mehr zu finden war, was der Natur willen hätte niemals gefunden werden sollen.
Lediglich dieses ›zufällig‹ wird nicht weiter erklärt oder schaffen welche Quellen auch immer glaubhaft zu erklären. Fakt hingegen ist die dortige Ausbeute. Ein Stromriese nutzt die dortigen Topografien und umschloss ein gesamtes Tal mit einem Staudamm, um ›billig‹ Strom zu erzeugen.
Seliges Unternehmen trüge daran Schuld, dass nahezu das gesamte Land austrockne. Der einstige Wasserlauf führe kein Wasser mehr, da die Kanäle der Turbinen unterirdisch bis hinab zum Meer führten. Der einst größte See, der auf unermesslichen mengen Kohle ruhte, wurde von riesigen Schaufeln ausgeraubt.
Einzig die in der Mitte befindlich Insel ließ man aufgrund Denkmalschutzes unberührt. Ein Kloster befand sich auf dieser und wurde von dortig lebenden Mönchen hart umkämpft. Um dieses alte Gemäuer auch finanziell wie auch politisch manipulierend zu erhalten, gründete man in derer Räume so etwas wie eine Privatschule. Kinder aus aller bekannter Länder fanden sich dort ein, um sich später der Gesellschaft in welcher Form auch immer anzuschließen. Gerüchten nach, seien die Annahmekriterien undurchsichtig und diese Schule unterlag keiner landesüblichen Rechtsprechung. Es gäbe ein undatiertes Dokument, welches es dem Kloster erlaubte eigenständig und unabhängig jeglichem politischen Konstruktes zu agieren. Dieses kleine ›Ländchen‹ glich einem Freistaat, trug wenngleich kein eigenes Wappen.
Einem Text nach, gäbe es nur drei Lehrkräfte, die eingeschriebene Schüler unterrichteten.
Die angrenzende Ortschaft, welche sich einst beginnend des Sees weiträumig bis zum Kamm des Gebirges erstreckt haben sollte, trägt unbestritten den Namen ›Briga‹. Zu bestaunen würde hingegen nur noch ein kleiner Teil samt einer mittelalterlichen, halb zerfallenen Burg. Dieser Ort war sogar als Urlaubsort hinterlegt und wäre am besten über den Seeweg oder einer längeren Reise mit dem Auto zu erreichen. Es gab eine Touristenstadt, mitten am Meer und könne der Reklame wegen einer Kasinostadt gleichen. Führungen und Pilgerfahrten wurden angeboten. Auch Übernachtungen in drei vor Ort befindlicher Pensionen standen zur Auswahl.
»Was für ein Spinnkram«, entschied Robert sich jedoch mit einem Lächeln dafür. »Liest sich echt verrückt, ist aber verdammt billig zu schießen. Zwei Wochen für nen spott Preis. Spaß, Abenteuer und mal was Neues. Hauptsache weg von der Alten.«
Er klickte auf den ›Buchen‹-Button. Sein Familienleben lag eh als Scherbenhaufen vor ihm. Sein Kind bekam er kaum noch zu Gesicht, dafür sorgte seine ›Alte‹. Der Drachen, den er einst geheiratet hat und dachte es wäre Liebe.