Es wurde spürbar kälter und die Winde, die von der See her ins Landesinnere bliesen, zerrten gierig an ihren Gewändern. Die hohen Berge und der dichte Wald wirkten wie ein Trichter und somit kam es ihnen Eisiger und stürmischer vor, als es gemeinhin war.
Für ein jedes Auge ersichtlich, fanden sie sich auf dem vorgelagerten Platz des Eingansportales ein. Der Wind fegte jedwedes Wort, welches sie sprachen davon und der Wald würde wie immer ... allesamt erhaschten für sich behalten. Die Zwei brauchten nicht zu schreien, um einander zu verstehen, so stark blies der Wind nicht aber das Wetter kam ihnen entgegen. Niemand, der vorhatte ihr Gespräch zu belauschen, kam ihn nahe genug, dass es nicht auffällig wäre.
»Wenn das stimmt, was du mir erzählst ...«
Der zweite Mann wedelte ab und legte seine Hand auf die Mauerkrone der abwärtsführenden Rampe. Er viel seinem Gegenüber ins Wort. »Niemals könnte ich die Zwei hintergehen. Schon gar nicht Kayden, der mir noch am nächsten ist.«
Es war ihm nicht anzusehen, aber spürbar war das Verziehen der Mundwinkel unterhalb der vorgezogenen Kapuze trotzdem. »Dennoch. Ich mag mir die Ausmaße nicht einmal im Ansatz vorstellen.«
Vorbeikommende oder Neugierige würden keinesfalls an Bedenklichkeiten denken, schon gar nicht, dass diese direkt vor ihrer Augen vertrauliche Dinge anbesprachen. Zwei Männer die sich an einer der beiden Zuwegungen zum unteren Zwinger oder wenn man von dort kam, halt zum Vorhof der Burg aufhielten und augenscheinlich miteinander sprachen. Es war ein unauffälliger wie stetiger Anblick, dass sich Menschen trafen und unterhielten. Selbst bei Regen gar Stürmen, die über die Lande fegten. Geselligkeiten mochte jeder.
»Du musst mit deinen Leuten reden. Wenn die Rotte ausreitet, um den Weiler anzugreifen ...« Der Sprecher spürte eine Hand auf seiner Schulter ruhen und einen musternden Blick.
»Es wäre ungeheuerlich. Ich will es einfach nicht glauben, aber solltest du Recht behalten und die Zwei gegen uns spielen, ...« Der Mann schüttelte den unter einer Kapuze befindlichen Kopf und atmete angespannt. Offensichtlich reihten sich gerade jetzt mehrere vergangene Momente in seinem Geiste zu einem Bild zusammen. »Warum tun sie das nur?«
»Ich verstehe von diesen Machenschaften noch viel weniger als du. Als ich die beiden unabsichtlich belauschte, dachte ich ... mich tritt ein Pferd. Ausgerechnet ...«
»Ich werde mit dem einen oder anderen darüber sprechen. Gemeinsam wird uns etwas einfallen.«
»Du sprichst nicht mit Kayden und Veyed?«
Abermals schüttelte der Mann den Kopf. »Möglich, dass uns dieser Verrat zugutekommt. Unter Umständen könnte es der Sache schaden, wenn einer der beiden vorab davon erführe.«
»Vermutlich würde Veyed sofort das Schwert in die Hand nehmen. Was wird aus der Kleinen?«
»Du bist dir sicher, dass es sich um sie handelt? Verwechslungen sind ausgeschlossen?«
»So sicher, wie man nur sein kann. Ich habe beide gesehen, als ich meine Zählung vorlegen wollte. Er gab ihr einen Umschlag und trug ihr auf, diesen durch den Wald zu Klarichs Hof zu schleusen. Sie solle zu einem Hauptmann ... ich Weiss nicht mehr, wie er heißt ... bringen.«
»Was hältst Du von dem Plan?« Mit ineinander verschränkten Armen sah er auf und drehte den Kopf im Kreis herum. Bis eben saß er da, in seinem gemütlich aussehenden Sessel und schien zu schlafen.
»Was daran meinst du genau? Den Plan an sich, die Durchführung oder wer alles darin verstrickt ist? Das macht schon einen gewissen Unterschied.«
Less erhob sich von seinem angestammten Lieblingsplatz, Kaydens Fußende seines Bettes. Als der Hund erst mit den Vorderpfoten herabrutschte, gähnte er ausgiebig und hinterließ ein lang gezogenen quirligen laut. Die Hinterläufe lagen derweil noch ausgestreckt auf dem Bett und so zog er sich weiter, bis er auf allen Vieren stand. Er gesellte sich zu seinem Herrchen und legte ihm seinen Kopf auf den Schoß. Ihm verlangte es nach Streicheleinheiten.
»Was tust du da?« Kayden war im Begriff aufzustehen, doch hielt sein treuer Vierbeiner ihn davon ab. Erst wollte er gekrault werden und so oblag es ihm lediglich einen langen Hals zumachen.
»Ich plane.«
»Du tust ... für was, wenn ich denn fragen darf?«
»Darfst du nicht und es hat auch nichts mit dem Plan zu tun.«
»Veyed?«
»Kay?« Endlich sah sein Bruder auf und schmunzelte. »Was kann ich für den ›Falken‹ tun? Ausgenommen natürlich zu erklären, was ich plane. Das bleibt so lange meins, bis ich so weit bin.«
Geschlagen hob Kayden die Hände und Less quittierte dies mit einem ungehaltenen Schnauben, was ihm wiederum lachen ließ. »Ja ja, ist ja schon gut. Den einen darf ich nichts fragen, den anderen muss ich seine Befriedigung verschaffen. Ein toller Anführer bin ich.« Mit beiden Händen knuddelte er die Ohren des Hundes und drehte sie in den Fingern. »Mal im Ernst. Ich habe kein gutes Gefühl bei diesem Überfall. Irgendwie ... ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll.«
Endlich legte Veyed seinen Schreibkram zur Seite und musterte seinen jüngeren Bruder. Seine Lippen kräuselten von links nach rechts und wieder zurück, sodann nickte er. »Ich fand die Ausführungen auch etwas dürftig, ebenso wie einige der Ansätze.«
»Soll ich den Überfall abblasen?«
Veyed schüttelte nun vehement den Kopf. Unterschwellig riet er ihm doch eben noch dazu, weil irgendetwas nicht zu stimmen schien und dennoch, will er das Wagnis eingehen? »Ganz im Gegenteil, nur werden wir das was wir unten in der Bibliothek besprochen haben, abändern.«
»Also traust du der Sache nicht.«
»Der Sache? Klar Brüderchen, aber zu vielen, die vermeintlich Wissen wie es geht, eben nicht.«
»Was also schlägst du vor?«
Ein schelmisches Schmunzeln umschloss Veyeds Züge, als dessen Blick sich hob und seine Stirn begann zu zucken.