„Du tust es schon wieder‟, stöhnte Dorian und stand auf, er reckte die Arme bis sie knackten und sah missbilligend auf Josh hinab, „Lass uns nach unten gehen. Vielleicht benimmst du dich in Gegenwart deiner Mutter normal.‟ Josh sah verblüfft auf und folgte seinem Cousin widerwillig in das untere Stockwerk. Er hatte die böse Ahnung, dass vielmehr das Gegenteil eintreffen würde.
„Da seid ihr ja endlich, ich wollte bereits Nora schicken, um euch zu rufen. Das Essen ist jeden Moment fertig‟, begrüßte sie Tante Risha mit in die Hüfte gestemmten Fäusten. Sie verzog auf die gleiche Art wie ihre Kinder missbilligend den Mund und schüttelte leise murmelnd den Kopf. Joshs Mutter lachte und grinste ihre Schwester wohlwollend an.
„Ich muss meinen Sohn fast an den Haaren an den Tisch zerren, um ihn aus seinem Zimmer zu bekommen.‟
„Das stimmt gar nicht‟, grummelte Josh beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust, „Aber wenn du so gut kochen könntest wie Tante Risha, wären die Umstände sicher anders.‟
Seine Mutter warf ihm einen warnenden Blick zu. „Du spielst mit dem Feuer, junger Mann‟, drohte sie ihm mit erhobenem Zeigefinger. Josh lachte auf und nahm seiner Tante die Teller ab, die sie ihm reichte.
„Mach dir nichts aus seinen Worten‟, warf Risha ein, bevor ihre Schwester erneut ansetzten konnte, „Ich sage es immer wieder. Diese Generation kennt ausschließlich da Wort nehmen. Zu unserer Zeit hätte niemand gewagt etwas derartiges zu sagen.‟ Sie sprach weiter, aber Josh musste ein Lachen unterdrücken, als er Dorian dabei beobachtete, wie er die Augen verdrehte und die Lippen zu den Worten seiner Mutter bewegte.
„Lasst uns einfach essen‟, seufzte Dorian, als Risha ihren Vortrag über den Undank der Jugend beendet hatte. Sie sah ihn scharf an und drückte auch ihm einen Topf in die Hand.
„Nora komm endlich!‟, brüllte sie in Richtung Wohnzimmer und scheuchte ihre Gäste zum Esstisch. Risha seufzte schwer und ließ sich erschöpft auf einen Stuhl sinken. Erneut rief sie den Namen ihrer Tochter, bis diese mit patzigen Gesichtsausdruck den Raum betrat. Nora verdrehte die Augen und setzte sich neben ihren Bruder, der bereits dabei war seinen Teller zu überhäufen.
Risha wechselte mit ihrer Schwester einen hoffnungslosen Blick, bevor sie allen einen guten Appetit wünschte und das Essen offiziell eröffnete.
„Es schmeckt fantastisch‟, schmatze Nora beim Nachtisch und schob sich einen weiteren Löffel Creme in den verklebten Mund. Dorian beobachtete sie dabei leicht angeekelt und sah Josh mit hochgezogenen Brauen an.
„Danke mein Schatz‟, erwiderte Risha und reichte ihrer Tochter einer Servierte, „Doch versuch bitte den Mund beim Essen zu schließen. Danke.‟ Nora schnaubte und verdrehte die Augen. Sie steckte sich den letzten Löffel zwischen die Lippen und richtete sich kerzengerade auf. Dorian warf Josh einen scharfen Blick zu, aber der schüttelte energisch den Kopf.
„Heute ist etwas unglaubliches passiert …‟, begann Nora aufgeregt zu erzählen und Josh stöhnte innerlich auf.
Das gesamte Essen über hatte er sich still verhalten und sdamit begnügt die Auren seiner Verwandten zu beobachten. Die Farbschleier flossen ineinander, lösten sich und leuchteten, bis auf Noras Aura, sanft. Ihre Energie explodierte förmlich unter ihren Worten und drängte die Farben ihrer Familie zurück, die sich zusammenzogen und verblassten.
Dorians Farbschleier nahm eine tiefviolette Farbe an und er stütze genervt das Kinn auf dem Arm ab, während sich Risha erschöpft nach hinten lehnte und ihrer Tochter mit bemühtem Lächeln zuhörte. Ihre Aura wechselte in ein stählernes Grau, wobei sie zwischen Noras Erzählungen abwesend nickte.
Josh grinste bei seinen Beobachtungen und wechselte einen Blick mit Dorian, der ihn hilfesuchend ansah. Er deutete unauffällig auf seine Schwester und anschließend auf ihn. Josh zog skeptisch eine Braue hoch und schüttelte kaum vernehmlich den Kopf. Sein Cousin faltete flehend die Hände und legte zwei Finger an seine Schläfe.
Er musste grinsen und sah wieder auf Nora hinab, die wild gestikulierend die uninteressanteste Geschichte erzählte, die er je gehört hatte. Ihre Aura flackerte orange und schlug wild um sich, während sie mit den Händen weit über sich deutete. Josh konzentrierte sich mit schräg gelegtem Kopf auf seine kleine Cousine und atmete tief durch, wobei er sich auf seinen gleichmäßigen Herzschlag konzentrierte. In Gedanken stellte er sich vor, wie seine eigene, ruhige Aura sich ausdehnte und nach dem hektisch pulsierenden Schleier griff. Er wusste, um ehrlich zu sein, nicht was er erwarten sollte, oder ob seine Gabe auf diese Art funktionierte, aber plötzlich verkrampfte sich sein Magen und sein Sichtfeld verschwamm. Die Farben flackerten hinter seinen Lidern grell auf und auch Nora verstummte für einen Augenblick. Sie hustete keuchend auf und Josh trennte die Verbindung, bevor er in Ohnmacht fallen konnte.
Unauffällig warf er einen Blick zu seiner Mutter, die jedoch nichts von seinem kleinen Zusammenbruch bemerkt hatte. Dorian beobachtete ihn mit großen Augen und sah besorgt zu seiner Schwester, die wieder in ihre Erzählung vertieft schien.
„Hey Nora‟, unterbrach Josh ihren wilden Vortrag und griff nach seiner Servierte, „Warte kurz, sonst macht mich dieser Fleck wahnsinnig.‟ Er langte über den Tisch und wischte seiner Cousine einen Himbeerfleck von der Stirn, dabei streiften seine Finger leicht ihre Haut. Augenblicklich versuchte es Josh erneut und hielt Noras Aufregung seine eigene Ruhe entgegen.
Er spürte nach wie vor ihre Hektik in der Magengrube, doch dieses Mal war es auszuhalten. Unter seinem Willen beruhigte sich die unruhigen Bewegungen ihrer Aura und wurden träge. Sie verlor an Leuchtkraft und zog sich sich allmählich zurück.
Josh ließ die Hand sinken und sich zufrieden in die Lehne fallen. Das Farbgewirr verlor seine glühend orangene Farbe, die ihm mittlerweile in den Augen gebrannt hatte, und verblasste zu einem schmutzigen Grau. Nora gähnte ausgiebig und zeigte dabei die Essensreste zwischen ihren ungenutzten Zähnen.
„Nora, Schatz, ich fürchte es wird spät für dich. Sei brav und geh in dein Bett, ja?‟, ergriff Risha die Möglichkeit und lächelte erleichtert. Nora sah sie verwirrt an und musste erneut gähnen. Langsam begann sie zu nicken und torkelte unsicher die Treppe hinauf.
Dorian blickte ihr erstaunt hinterher, sein Mund stand offen und als er Josh ansah formten seine Lippen die Worte Warst du das?
Josh zuckte feixend mit den Achseln und grinste seinen Cousin an. Dorians Aura verfärbte sich in ein helles violett, während er ihn stirnrunzelnd ansah.