Si'mon bemerkte, wie Alanel hinter sich griff und ein längliches umwickeltes Etwas barg, welches er voller Ehrfurcht in Händen hielt. Er schnaufte bedrückt. »Si'mon, erinnerst du dich, wie die Freundschaft zwischen Naïns und unserem einstmals geeinten Volke besiegelt wurde?«
Angesprochener verzog ungläubig die Brauen. Sobald er die Ernsthaftigkeit der Frage erkannte, nickte er zustimmend und begann zu erzählen. »Es war der Hochkönig selbst, der vor ungezählten Jahreswenden in den tiefsten Tiefen des Berges zwei gleichartige Schwerter schmieden ließ - die Mithrodin. Diese galten als Geschenk an die jüngst geborenen Zwillinge, die den Namen des Volkes trugen - Lynke und Lynka. Während der anhaltenden Länderschlachten an den alten Ufern ging jenes verloren, welches Lynka führte und wart nie mehr gefunden. Als auch an unseren Ufern die Kriege begannen und die ersten Lynkas flohen, legte Lynke das ihre als Dank der Verteidigung und Rettung jener, jenseits des Flusses, in die Hände des Menschenkönigs.«
»Das stimmt, soweit die Kurzfassung.« Alanel lächelte bewundernd und fuhr fort die Darstellung zu vervollständigen.
Als die Boote die Ufer dieses Landes ansteuerten, befanden sich die Geschwister bereits im Unmut darüber, wer die Belange des Volkes fortan lenken solle. Auch müsse das Mithrodin als Zeichen der Führung an jene Person übergehen. Die Ansichten beider gingen deutlichst auseinander und so trennten sich die Wege, kaum dass sie festen Boden unter den Füßen spürten.
Die Naïns folgten dem Ruf der Berge, die Menschen ließen sich nieder, wo es sich zu leben lohnte und die Lynken suchten Zuflucht in den Wäldern.
Es dauerte Ewigkeiten, bis sich die getrennten Linien der Geschwister wieder annäherten. Jede für sich gründete ein eigenes Haus mit je einem mitgebrachten Samen der alten Heimat. Die Menschen vereinigten sich mit den hiesig ansässigen und vereinten ihre Lebensweisen. Nördlich des großen Flusses wurde ein geeintes Königreich ausgerufen und das Land begann zu erblühen. Überall lebte und hegte man die Natur.
Der Geist dessen, als Gaya oder Mutter Natur benannt, verständigte sich dereinst gar mit auserwählten, den wenigen Gayadisten, die ihnen noch blieben. Sobald jene in Zwiesprache mit ihr gingen, schwelgten sie in einem goldenen Schein.
Es begann in den verbotenen Landen, an derer Grenzen die aggressiven Nordnomaden lebten. Die Erde vibrierte und bebte, zuerst kaum merklich. Doch wenige Tageswenden darauf spürbar und unaufhörlich. Der Vaterbaum der Lynkas wurde zuallererst bedrängt und die Bewohner des Hains flohen zu den Trollschluchten, um Zuflucht und Unterstützung bei den Sängern zu finden. Es wart stets ein umwölktes Geheimnis, welches nie gelüftet werden konnte, wieso ausgerechnet der Vaterbaum als Erstes viel. Woher kannten die Nomaden den geheimen Zugang und aus welchem Grunde duldete der Baum ihr Eindringen?
Lynka befahl seinen Kriegern das Haus der Sänger um jedweden Preis zu halten und entließ seine Begleiterin mit einer Abfolge zum Hain des Urbaums. Der Krieg hielt an und das Haus der Sänger wurde von Wesen unbekannter Herkunft bedrängt, halb Mensch doch zugleich auch Spinne. Ebenso die bis dahin friedlichen Trolle mischten sich ins Geschehen. Angestachelt von ungeahntem, zuvor nie da gewesenem Zorn, drangen sie in die letzte Zuflucht der Lynkas.
Es waren die Menschen, die trotz Vorbehalte und Warnungen der Naïns die Nadelbrücke überquerten, die alten Stollen durchquerten und den verbliebenen der zur Flucht befohlenen zur Hilfe eilten. Lynka galt zu jenem Zeitpunkt bereits als verschollen, als er einen Trupp zum Vaterbaum anführte. Es war der Überraschung gedankt, dass weitere, seiner Linie mit dem Leben davon kamen.