»Wir machen Natur frei. Piwik wird helfen.«
Selbstbewusster als noch vor Augenblicken, steckte Si'mon das Mithrodin zurück in seine Umhüllung und atmete bewusst langsam aus geschülpten Lippen. Er nickte und wühlte suchend im Rücksack, auf der Suche nach etwas ganz bestimmten.
Lächelnd schloss er die Augen und zog zwei für die Hände vorgesehene lederne Handschuhe hervor. Er selbst ersann und erstellte diese aus purem Eigennutz. Nicht die Ursprünglichen an sich, die in die Handflächen eingearbeiteten Haken sehr wohl. Mit Hilfe dieser war er beileibe in der Lage den flinkeren seines Alters beim Klettern die Stirn zu bieten. Auf schmalen Ästen zu balancieren blieb allenfalls ein ganz eigenes Thema. In jenen Belangen hätte er sich mehr des Erbes der Lynken erhofft.
Ma'rit war von der Idee der Kletterhandschuhe derart begeistert, dass er für die Haken besonders widerstandsfähiges Metal verwenden ließ. Es war deutlich härter und stabiler als das Einfache, welches er für die erste Ausführung nutzte. Die Spitzen jener erlangten selbst in robustem Gestein halt und wurden weder Stumpf noch brachen sie. Alle unter Ma'rits Führung bedienten sich dieser und erfreuten sich derer Erleichterung, zumal die Kletterhandschuhe auch während ungeahnter Dinge im Nahkampf Verwendung fanden.
Es dauert nur wenige Momente, bis er sein rechtes Bein über den Rand der Palisade schwang und auf einem Halblängen tiefer angebrachten Wehrgang stand. Piwik gesellte sich zu ihm, ersparte sich jedoch den Sprung auf seine Schulter.
»Erkunde den Weiler und gebe Laut, wenn du eine Falle erkennst«, bat Si'mon und sein Begleiter machte sich eiligst davon.
Von oben überblickte er beinahe die gesamte Umfriedung, die nicht durchgängig freistehend gebaut war. Einige robust aussehende Gebäude gingen von dieser ab und verbreiterten den Wehrgang auf entsprechend des jeweiligen Baus. Die Art und Bauweise, gar ihre schiere Größe, würde mehreren Hundertschaften hinreichend Platz bieten sich zu sammeln und zu verbarrikadieren. Mit ausreichend Schützen konnte man einem nahenden Feind ordentlich Verluste beibringen, während berittene Kämpfer ihnen in die Flanken brachen.
Sein Blick glitt suchend von Schatten zu Schatten, seine Brauen verzogen sich, aber das, was seine Augen vorfanden, wollte nicht zu dieser befestigten Anlage passen. Das Ausmaß glich derer eines großen Dorfes - eingestandenermaßen eines fraglos Soliden. Unentschlossen und verständnislos schüttelte er den Kopf und sprach, nur der drückenden Stille wegen laut aus, was seine Gedanken formten. »Wo im Namen des Baums sind all die Bewohner, die Kämpfer und Verteidiger?«
Am Tor standen gebeugt zwei in ihrer Tätigkeit Erstarrter. Sie schienen, während ihrer letzten Atemzüge, den festen Sitz der schräg gegen die Flügel gelehnten Stämme zu überprüfen.
Ein weiterer blieb in gehender Position vom Bann gehalten nahe eines ummauerten Brunnens und wies mit seiner ausgestreckten Rechten zu ihnen hinüber. Kalt lief es ihm den Rücken hinab, da die Aufmerksamkeit des Mannes fraglos seiner Richtung gilt. Hinter ihm befand sich ein zweistöckiges Haus mit flachem Dach. Auf jenem konnte er die Silhouette eines Spähers ausmachen, der vermutlich vor seiner Lähmung das Umland im Auge behielt. Vor diesem hopste ein Eichhörnchen der Brüstung entlang.
»Piwik, sei vorsichtig«, schickte er ihm in Gedanken, sich gewiss, dass die Art einer Antwort alleinig ihm auf selben Wegen erreichte.
»Mehr Zweibein in Höhlen gefunden.«
»Weitere Menschen befinden sich in den Häusern«, berichtigte er seinen kleinen Freund und konnte ein verschmitztes Grienen nicht unterdrücken.
»Ja. In Häusern, noch mehr Menschen.«
Si'mon stieg die angrenzende Treppe hinunter, die in ihrer Bauweise ausreichend Platz für zwei nebeneinandergehende bot. Er blickte in dieselbe Richtung, wie die erstarrte Person gegenüber. Dort lagen aufgeschichtete und von Rinde befreite Holzstämme. Bereits im Begriff zu einem der nahestehenden Häuser zu gehen blieb er abrupt stehen, als er eine Bewegung innerhalb seines Augenwinkel erspähte.