Si'mon standen Tränen in den Augen, die er sich eiligst mit der rechten, versuchte fortzuwischen. Einen Seufzer konnte er sich jedoch nicht verkneifen und erntete einen undeutbaren Blick Wolffs.
»Ich heiße Si'mon, nennt mich aber bitte wie euer Sohn, schlicht Simon. Ich glaube, so lässt es sich leichter aussprechen, obwohl es etwas fremd in meinen Ohren klingt.«
»Hm, Siehmounn.« Veit rümpfte die Nase und lachte herzhaft. »Mein Junge hat Recht. Also, Simon.« Er klopfte ihm auf die Schulter, als dieser zu einer Frage ansetzte, und verschluckte sich prompt.
»Oh, verzeih. Du hattest eine Frage, bitte.«
»Was wurde aus dem Schwert des Königs? Dem Mithrodin?«
»Mithro...« Wolffs Blick verfinsterte sich von jetzt auf gleich. Noch bevor er sich versah, so schnell und mit ausgerechnet dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet, packte ihn eine kräftige Hand grob am verletzten Arm. Der noch dünne Schorf riss auf und Blut sammelte sich in dessen Handfläche.
»Papa«, rief Veit erschrocken und stand noch bevor Piwik sich gewahr wurde, was passiert sei. Aufgeregt wuselte er auf die Schulter des Jungen und meckerte.
Wolff zog Si'mon mit Leichtigkeit in stehende Position und schnauzte ihn ins Gesicht. »Woher weißt du von Mithrodin und wo ist es geblieben! Erzähl schon oder ich schwöre dir, ich leg dich übers Knie.«
Er wandte sich unter dem schmerzlichen Griff, der ihn umklammert hielt wie die Zange eines Schmiedes, dennoch erklärte er sich. »Ly'an einst Geliebte des Königs und Oberhaupt der Lynken gebar mich vor neunzehn Sommern. Kilian euer König und Freund ... war mein Vater. Mit der Linken nestelte er an der Halteschlaufe seines Schwertes und zog es blank.«
Ungeahnter Dinge ließ der mannigfaltige Druck wie der eiserne Griff abrupt nach. Wulff ließ von ihm ab, sodass er einige Schritte rückwärts stolperte und sich am Rand des Brunnens festhielt, um nicht auf dem Hosenboden zu landen.
Ein roter Handabdruck zeichnete sich an seinem Arm ab und ein einzelner Tropfen Blut sammelte sich an seinem Unterarm. Wulffs Blick war verzerrt, er starrte abwechselnd auf seine blutbeschmierte Hand und seinem Gegenüber, der sich erschrocken zurückhielt, das Schwert des Königs in der Linken. Er hatte ihn dermaßen hart gepackt, dass die Wunde weiter eingerissen war und stärker blutete als angenommen.
Si'mon spürte, wie sich der Tropen löste und beobachtete ihn instinktiv auf seinem Weg hinab ins dunkle.
Wie im Zeitraffer, glaubte er den Tropfen in die Dunkelheit des Schachtes stürzen zu sehen. Leises Platschen zeugte von seinem Auftreffen. Die Oberfläche des Wassers konnte demnach nicht sehr Tief sein und der Grundwasserspiegel entsprechend hoch.
Ein kaum merkliches Beben kroch seinen Beinen empor und ließ seinen Magen erzittern. Er verspürte ungeahnte Energien, die seinen Leib durchzuckten und seine Wunde hörte auf zu bluten. Seine Wundränder verschorften zusehend.
»Ich spüre Kräfte wallen. Bald, schon bald sind wir bereit Auserwählter«, hallte es in seinen Sinnen.
Das Beben breitete sich aus und er sah deutlich, wie sich jedes einzelne Sandkorn auf dem Boden rührte. Sie tanzten nach dem Odem Gayas.
Veit löste sich aus dem Schatten seines Vaters und trat an Si'mon heran. »Was geschieht hier, Simon? Ich habe Angst.«
Er legte wie schon zuvor einmal getan, die freie Hand auf den Kopf des Jungen und schloss vor Schwindel fest die Lieder. »Wir haben unbedacht die Macht meines Erbes entfesselt. Es ist nichts, wovor du dich fürchten musst. Fühlst du und siehst du es.«
»Ich fühle mich gut, ja. Aber ...« Seine Stimme versiegte bei offen stehendem Munde. Seine Gesichtszüge entglitten ihm und Tränen sammelten sich in seinen Augen.
Die Sonne beschien das Gesicht Si'mons aus einem Winkel, der ihn erstrahlen ließ. Er wirkte älter, gestählter und beileibe weiser als noch Augenblicke zu vor.
Es war Wulff der statt seiner, den Mund bewegte. »Was habe ich getan, ich trage sein Blut an meinen Händen.«