Piwik saß auf dem Fensterbrett neben seiner Bettstatt und ließ ungehemmt Schalen von erbeuteten Nüssen herabfallen. Jedes Mal, wenn ein Stück dieser sein Gesicht traf, zuckte sein rechtes Augenlid. Veit lachte und schlug sich amüsiert auf die Oberschenkel. Das Eichhörnchen schnatterte und fühlte sich provoziert fortzufahren.
»Was, he was soll das? Piwik hörst du wohl auf«, fuhr Si'mon auf und wuschelte Schalenreste aus seinem Haar. Er sah hinab und stutze. »Wie lange bist du schon hier und verstreust deine gemausten Nüsse?« Lachend mühte er sich aus der Decke und schüttelte diese ungeachtet dessen, ob sein frecher Begleiter Platz machte, aus dem Fenster aus. Er sah nicht einmal zu Veit hinüber, wohl wissend das er in der Tür stand und ihn beobachtete. »Du findest das auch noch amüsant und das, nachdem ich dich als Ersten geweckt habe. tzzz.«
Veits Lachen erstarb, stattdessen verzog er seine Lippen zu einem verschmitzten Grienen und zeigte kindlich weiße Zähne. »Papa wartet in der Schmiede auf dich.« Sein ausgestreckter rechter Zeigefinger deutete unmissverständlich auf Si'mon. »Tut dein Arm noch sehr weh?«
Er sah zu jenem und schüttelte den Kopf. Veit war bereits im Begriff zu gehen, als Piwik voraussprang und piepsend vor ihm auf und ab hüpfte. Abermals lachte der Junge. »Ich sagte doch, er ist lustig.«
In einem waren sich Ma'rit wie auch Mutter unentwegt einig und predigten bei jedweder Gelegenheit. »Als Führer gar Anführer von Getreuen und Gefolgsleute musst du stets die Obacht über alles und jeden halten. Wisse mehr als die anderen, oder gebe vor es zu sein. Gebe nach, wenn das Ansinnen eindeutig nicht anderweitig zu bewerkstelligen ist. Gewähre dir selbst einen Augenblick über Gesagtes nachzudenken, auch wenn es keinerlei Überlegung bedarf. Sei standhaft und verliere dich nicht in Mimiken, die deine Gedanken verraten.«
So und ähnlich waren ihre Ausführungen. Häufiger denn je, als er sein Training bei den Wächtern antrat und dort seine Reifeprüfung ablegte.
Nun denn, ich werde versuchen diesen Anordnungen gerecht zu werden.
Er stand in der Schwelle zu seinem Zimmer, welches sich im zweiten Wohngeschoss des Haupthauses befand. Lächelnd blickte er zurück und folgte sodann dem kurzen Flur die Treppe hinab.
Niemand war daheim, nur ein einsamer Becher, gefüllt mit Wasser, wie ein abgebrochenes Stück Brot warteten auf dem Tisch drapiert auf verzehr. Si'mon stürzte den Inhalt des Bechers in einem Zug hinunter und griff nach der Backware, welches er unterwegs aß.
Draußen angekommen bemerkte er die angespannte Lage. Er ging davon aus, dass die Menschen sogleich in ihren Alltag verfielen. Kinder spielten zwar auf freien Flächen, jedoch fehlte etwas. Etwas was ihn bestürzte. Nirgends klopfte, sägte oder knallte es, es war bedrückend still. Er fühlte mehr als das er sie sah. Augenpaare, die jeden seiner Schritte begleiteten. Was hatte er erwartet?
Er hörte zwei männliche Stimmen leise miteinander diskutieren, die prompt versiegten, als er noch immer kauend die Schmiede betrat. »Guten Morgen«, gab er halb schmatzend von sich, besah sich alsdann seiner Stellung als König.
Ein König, der sich nicht zu benehmen weiß, was für ein albernes Bild ich doch abgebe.
Der Mann neben Wolff nickte nervös und nestelte mit schmutzverklebten Fingern an einem schlanken noch feuchten Tongefäß. Bei den Lynken nutzte man Ähnliche zur Aufbewahrung von Tinkturen und Ölen.
Si'mon hob die offen gehaltene Rechte und wollte sich das Gefäß näher anschauen. Sein Gegenüber wurde zusehend angespannter und sah Hilfe suchend zu Wolff.
»Gibt es ein sonderbares Geheimnis, welches ihr in dem noch ungebrannten Ton hütet, oder warum darf ich es nicht sehen?«
»Nun gib es ihm schon. Er ist unser König.«
»Verzeiht bitte. Aber ...«
»Nichts aber Jos. Gib es ihm. Simon, ich meine mein König. Wir haben uns Gedanken gemacht ...«
Angesprochener unterbrach den Redefluss mit erhobener Linken und ließ das kleine Behältnis in seiner Rechten rauf und runter rollen und besah es sich offenbar fachkundig. Es maß annähernd eine Zehntlänge und war etwa daumendick geformt. Am unteren Ende deutlich zu grob gearbeitet. Er hob den Blick und musterte Jos. »Ich kenne derlei Form. Bei mir zuhause werden ähnliche für Öle und Tinkturen benutzt. Dieses Model jedoch ...« er schülpte die Lippen. »Die Wandung ist zu Dick, der Grund zu unsauber und ihr wisst nicht, wie ihr sie ordentlich brennen sollt«, stellte er nüchtern fest. Sein Blick ruhte auf Jos, der weiter in sich zusammensank.
»Ja genau, ihr habt Recht. Kaum dass sie in den Ofen kommen, sacken sie in sich zusammen.«
Wissend nickte Si'mon. »Nutzt entrindete und gehärtete Weidenhölzer oder geglättetes Eisen.«
Gespannt lauschten die Zwei den Äußerungen, wie ein solch filigranes Gefäß am effektivsten hergestellt werden könne. Auch erklärte Si'mon den Unterschied der nutzbaren Formen wie Eisen und dem leichteren Weidengehölz. Von beiden erfuhr er, dass zur aktuellen Zeit kein Zugriff auf derlei Hölzer bestünde und man auf geformte Eisenstangen zurückgreifen würde.
Wolff deutete mit einem Wink, auf einen in der Ecke stehenden Eimer mit schlierendem Inhalt.
»Es ist in dir, in deinem Blut. Erinnerst du dich?«
»Ist das der, in dem du ...«
»Ja«, unterbrach ihn Wolff. »Ich konnte nicht umhin es auszuprobieren. Es funktioniert nicht.«
Si'mon nickte. »Das Grau weicht nicht zurück. Weißt du, ich habe in der vergangenen Nacht geträumt und erfahren das es zwar mein Blut sei, der diesen Bann bricht, aber es muss Leben in diesem sein.«
Verunsichert sah Wolff auf. »Es muss Leben darin sein? Von wem oder was hast du geträumt, um so etwas zu sagen?«
Si'mon zuckte schuldbewusst die Schultern und hockte sich auf den gegenüberstehenden Werkstisch. Er schnaufte und entspannte seine Haltung. »Ich fürchte, ich kann es nicht ... richtig erklären, ohne dass es missverstanden wird.«