Gleichsam zerbrachen zwei Welten, als die Tatsachen endlich ausgesprochen und die Lügengespinste ein Ende fanden. Zum einen die Al'riels deren Name nicht der ihre sein solle und derer Ly'ans. Unaufgefordert begaben sich die drei Anwesenden zu den Stühlen, um sich zu setzen. Das Gesagte suchte sich Bahn und reihte sich erst allmählich in die logischen Gedankengänge ein.
Es war Ly'an die die Stille brach. Sie fasste die Hände ihrer Ziehtochter und hielt sie fest umklammert. »Ma'rit hat Recht und du hast die Reifeprüfung erfolgreich gemeistert. Obwohl ich nicht bei dir war, weiß ich wohl von deinen Leistungen.«
Niemand unterbrach sie und so fuhr sie fort zu erklären. Sie hielt nicht inne und so verging das wenige Licht des Tages, welches den Saal beleuchtete und neigte sich zur Nacht. Einige Kerzen erhellten stattdessen den Bereich um den Tisch.
Al'riel stockte nicht nur einmal, seit beginn der Erzählung, der Atem. Von Geburtswegen an gehöre sie der Blutlinie Lynkas an und sei die Tochter Elesils und Lorions. Beide galten als vorbestimmte Nachfolger Lynkas und sollten die Geschicke ihrer Linie wie das Bestreben der erhofften Zusammenkunft weiter wirken.
Anlässlich durch Niedertracht und Verrat, fielen die Zwei einem verächtlichen Giftanschlag anheim. Dem Täter war es gleich, dass Elesil zu dieser Zeit bereits ein Kind unter dem Herzen trug. Sie standen ihm oder dessen Auftraggeber im Wege und mussten weichen.
Es war Ly'an selbst, die der sterbenden Frau das Versprechen gab das noch Ungeborene zu retten und ihm oder ihr eine Mutter zu sein. Es sollte eben dieses Kind sein, welches von Nöten war, beide Linien neuerlich zu einen. Unter Tränen und mit erheblichem Widerwillen willigte sie ein und schwor für das Kind zu sorgen.
Sie beschrieb, als würde sie jenen schicksalhaften Tag erneut erleben. Abermals, beinahe wie früher, rannen Tränen glitzernd ihren rosig gewordenen Wagen herab und tropften ihr in den Schoss. Ihr Fingernägel gruben sich in ihre zarte Haut und hinterließen blutunterlaufene Male.
»Ich nahm mein Messer und verharrte über ihrem prallen Bauch. Ich konnte es nicht, ich wollte es nicht. Elesil wimmerte, wieder und wieder. Ich müsse es tun und habe es versichert. Ich sei es dem Volke schuldig. Erst als ihr Körper anfing unter der Einwirkung des Giftes zu erbeben, drückte ich ihr ein Kissen über Mund und Nase ... und führte die Klinge.« Sie stockte und rang mit ihren Gefühlen. Sie hielt sich schluchzend die Hände vors Gesicht. »Es war so viel Blut und ihre erstickenden Schreie. Es war mir eine Befreiung, als sie endlich das Bewusstsein verlor. Ich musste mich beeilen und so grub ich mit beiden Händen in ihrem noch warmen Leib. Es war ein Mädchen und ihr Name lautete Eldaril.«
Es war Ma'rit der die Geschichte aufgriff und zur Erleichterung Ly'ans fortfuhr. Er selbst war es gewesen, der den Leichnam Elesils fort schaffte und in der Nähe Erebors beisetzte. Es war sein ganz persönliches Anliegen die Erben Lynkas ehrenvoll zu behandeln und unweit des einzig noch lebenden Mitbringsels aus alter Heimat, der Erde zu übergeben.
Niemand durfte von dem Kind, dem letzten direktem Nachkommen Lynkas, wissen oder erfahren, bis die rechte Zeit angebrochen. Bis zu jenem Augenblick war nicht geklärt, wer der oder die Täter waren, gar sind. Es war eine gütliche Fügung das Ly'ans Körper nach der Geburt Si'mons noch immer Spuren der Schwangerschaft aufwies und so war es ein leichtes dem Volk eine erneute Niederkunft glaubhaft zu vermitteln. Nur den verunglückten Vater zu plausibilieren erwies sich als schwer. Er starb unter mysteriösen Umständen bei einer Erkundungstour und sein Name durfte nie erwähnt werden.
Das Al'riel, deren korrekter Name Eldaril lautete, eine Lynka und nicht die leibliche Tochter Ly'ans sein solle, schockierte sie zu tiefst. Ihr schauderte bei dem Gedanken, zeit ihres Lebens belogen worden zu sein.
»Si'mon ist nicht mein Bruder und meine Abneigung gegenüber Arion natürlich?«
Ly'an nickte. »Ja, so ist es. Du konntest keine familiären Aversionen gegen Si'mon hegen, weil er ein Halbblut und du eine Lynka bist. Arion hingegen stammt aus selbiger Linie, weswegen sich dein Geist anderweitig entschied.«
Tief atmete Eldaril ein und aus. Sie suchte erst den Blick Ma'rits, um sodann Ly'an ein herzliches Lächeln zu schenken. »Du bleibst meine Mutter, wenn auch meine Ziehmutter. Dennoch, das Volk soll - nein es muss es erfahren. Ich bin Eldaril, letzte Erbin Lynkas.«