Alanel begann den Baum, den er als Versteck und Aussicht nutzte, herab zu klettern und verharrte. Es näherten sich Reiter aus westlicher Richtung und sie ritten unbekümmert durch die graue Lähmung.
Er zählte zwei Zehnen und deren Anführer. Sie nährten sich mit aufrecht geführten Lanzen und wachem Blick, jedoch ohne erkennbaren Wimpel. Allesamt trugen sie eine eng anliegende Lederrüstung mit eingearbeiteten Metallverstärkungen. Ein jeder führte ein griffbereites Schwert an der Hüfte. Aus den Analen der Bibliothek erkannte er verschiedene Zeichnungen und Abwandlungen ihrer Klingen, auch jene, die einst vor vielen Jahreswenden mit in dieses Land gelangten.
Die Menschen jenseits der Zeit fühlten sich mit ihren Pferden tief verbunden und so stilisierten sie ihre Waffen mit Friesen dieser Tiere. Beginnend des Ausbruches des damaligen Krieges legte jedoch leider niemand mehr Wert auf derlei feine Handarbeit und so wurden Stilisierungen nur noch angedeutet, nicht ausgearbeitet. Ihre Helme waren leicht Oval mit einem Nasen- und Wangenschutz.
Es sind tatsächlich Menschen aus den Ebenen, nicht diese unglückseligen Nomaden. Si'mon muss sich geschickt haben.
Er war schwächer als er es sich eingestehen wollte und so kletterte er für lynkische Verhältnisse recht ungeschickt weiter. Erst als seine Füße festen Boden berührten, bemerkte er, dass der nahende Trupp keine zwei Längen hinter ihm halt machte. Vorsichtig drehte er sich herum und musterte seine Gegenüber mit trübem Blick. Nicht mehr Lange und er würde erstarren.
Seine Reaktion schien ihm bereits genommen und so vernahm er nur beiläufig einen kaum hörbar berstenden Klang. Ihm schwindelte und seine Sicht vernebelte sich. Er spürte nicht einmal mehr, dass kräftige Hände ihn auffingen.
»Ihr wart eindeutig zu lange in diesem schrecklichen Bann unterwegs Herr Alanel.«
Angesprochener sah mit gebrochenem Blick in die Richtung, aus welcher er annahm, die Stimme käme von dort. Ihm fehlte jegliche Energie, den Gesichtsausdruck seiner Verwunderung anzugleichen. Sein Helfer jedoch wusste ihn zu verstehen.
»Simon berichtete hinlänglich von eurem Vorhaben und vermutete, dass wir euch hier im Wald begegnen könnten. Zu Recht wie mir scheint.«
Ein Beben, nur am Rande seiner Wahrnehmung erschütterte den Waldboden. Seine Beine begannen zu kribbeln und er spürte ein leichtes ziehen und zucken in den Fingerspitzen. Seine Sicht klarte auf und fühlte sich von Herzschlag zu Herzschlag kräftiger. Er glaubte zu sehen, wie Reisig und auch Nadeln direkt vor seinen Augen begannen, einen Tanz vollführten.
Er hob den Blick und musterte seine Retter. Allesamt blieben sie von dem Ereignis unbeeindruckt.
»Es beginnt. Immer wieder erstaunlich«, erwähnte einer von ihnen gelassen.
Dann spürte er es auch. Es durchdrang ihn wie eine machtvolle Flutwelle. Er fühlte jeden einzelnen seiner Glieder sogar jede Faser seines Seins vor Energie vibrieren. Tief und erleichtert atmete er ein. Seine Sinne, sein Gefühl, alles kehrte ungewöhnlich rasch zurück. Mehrmals kniff er kurz hintereinander die Augen fest zusammen, nur um anschließend festzustellen, dass so weit sein Blick reichte, der Wald war, wie er hätte von jeher sein sollen. Grün, Braun, Rot, er erblickte einhergehende Farben der Natur.
Seine Ohren vernahmen andächtig das Summen von kleinen fliegenden Insekten, sie ebenso erwachten, als wäre nichts gewesen. Der Wald lebte, so zu mindest jener Teil, den er einzusehen vermochte.
»Wie ist das möglich? Ihr seid hier, aber wo ist Si'mon«, verlangte Alanel wieder im Besitz seiner körperlichen als auch geistigen Kräfte zu wissen.
»Tut mir Leid Herr Alanel. Simon verweilt in Senkenthal. Wir hingegen sind auf Geheiß des Königs auf dem Weg zur Garnison, um unsere Leute zu erwecken.«
»Simon?« Alanel verstand den Wortunterschied und nickte wissend. »Sein Blut.«
Wolff nickte Indies und reichte dem Lynka die Hand. Er erklärte ihm, wie sie ihren Weg durch den Bann suchten und fanden. In regelmäßigen Abständen träufelten sie einen Tropfen seines Lebenssaft auf den Boden oder schütten gar den kompletten Inhalt ihrer mitgeführten Tonröhrchen aus. Er zeigte ihm eines davon.