Ich habe überlebt.
Wir haben überlebt.
Heiliger Abend,
stille Nacht,
wir schenken bis
die Schwarte kracht!
Weihnachten. Das ist der legalisierte Atomkrieg des Schenkens und Zurückschenkens. Es darf - nein - es muss sogar ohne Rücksicht auf Verluste geschenkt werden.
Geschenke fordern. Sie fordern den Beschenkten auf, sich durch ein adäquates Gegengeschenk seelisch selbst zu reinigen. Das sich immerwährend drehende Hamsterrad des Konsums, in dem man es sich mit wertäquivalenten Gegengeschenken zwar heimisch machen kann, dass ein Entrinnen jedoch nur in seltenen Fällen zulässt.
Glaubt man dann im Morgengrauen des Days-After-X-Mas dem Wahnsinn entronnen zu sein, wird man bitter enttäuscht. All das Geld, all die Gutscheine, das will doch auch erst mal verkonsumiert werden. Und lasst uns bitte das Umtauschgeschäft nicht vergessen... Und wer in etwas längeren Zeitabschnitten rechnet, dem ist sowieso eines Sonnenklar: Nach der Bescherung ist vor der Bescherung!
Last Christmas I gave you my heart
But the very next day you gave it away
This year, to save me from tears,
I'll give it to someone special
"Last Christmas" von Wham! - das manifestierte Grauen des Genres...
Jederzeit. Überall. Ein Entkommen scheint unmöglich.
Nach dem fünften Mal hören pflegt man noch eine gesunde Aggression, nach dem zehnten Mal reicht es allenfalls noch zur stillen Resignation.
Getoppt wird das höchstens noch von Nenas Interpretation von "Hollerboller Rumpelsack", deren inbrünstige Intonation und Stimmlage mich irgendwie immer an eine Erotikhotline erinnert.
Weihnachten. Das ist musikalische Selbstkasteiung in höchster Vollendung.
Yippie-Ya-Yeah, Schweinebacke
Am witzigsten ist jedoch immer noch das Fernsehprogramm in der sogenannten "staaden Zeit":
"Stirb langsam", "Full Metal Jacket" und Steven Spielbergs filmische Vergegenwärtigung des Holocaustes um nur ein paar der Programmhöhepunkte zu nennen. Da lobt man sich doch die Osterzeit, in der allenfalls in der Passion Christi ein wenig herumgefoltert wird, und ansonsten das Leinwandgeschehen vom gutmütigen Charlton Heston bestimmt wird...
Warum rülpset und furzet ihr nicht? Hat es euch nicht geschmacket?
Kommen wir zum Abschluss zu einer der perfidesten Machenschaften des Weihnachtsfestes: Der Völlerei! Im Gegensatz zu Konsum und Beschallung schleicht Sie sich nahezu unerkannt ins Haus, und schmiegt sich mit Ihrer geradezu widerlich-klebrigen Süße an jeden wehrlosen Gaumen dessen Sie habhaft werden kann.
Es scheint als habe ein Dämon in diesem Jahr von meiner Großmutter Besitz ergriffen. Wie sonst ist es zu erklären, dass diese sich am ersten Weihnachtsfeiertag gleich zu Schweinebraten UND Rinderrouladen hat hinreißen lassen? Der auf das Mittagessen folgende Erschöpfungszustand hielt bei mir bis in den frühen Abend vor, so dass ich nicht mal mehr in der Lage war, dem allgemeinen Aufruf zum nachmittäglichen Plätzchenvernichten Folge zu leisten...
Da steh ich nun, ich armer Tor,
und bin so klug als wie zuvor.
Ratlosigkeit macht sich allmählich breit. Ist es tatsächlich vorbei? Oder frisst man sich taktisch klug durch bis ins neue Jahr, um den sich ansammelnden Weihnachts-Silvester-Neujahrsspeck guten Gewissens als "Altlast" einer längst vergessenen Jahreszahl verniedlichen zu können?
Fragen über Fragen...
Nach einer Antwort suchte ich bislang vergebens.
Vielleicht versuche ich es heute Abend noch einmal.
Am besten bei Gänsebraten und Rotwein. Und dabei lege ich die Hit-Giganten-MEGA-X-MAS-Edition in den neuen CD-Player. Wohl bekomms!