Der Horizont färbte sich rosa und die feinen Wolkenschleier glitten wie Geister über den Himmel, der sich langsam aus der nächtlichen Dunkelheit erhob. Das erste Zwitschern von Vögeln war zu hören und die ersten Laute der Menschen, die bereits auf den Beinen waren. Das leise Rattern von Pferdewagen und Stimmengewirr schallte bis auf den Hügel, auf dem der Palast des Königs von Annwyn stand. Das Volk begann mit seiner täglichen Arbeit, um das fruchtbare Land zu bestellen, das sie alle ernährte und von einem leicht kauzigen, aber gütigen Monarchen regiert wurde. Der Palast lag noch unter dem sanften Mantel des Schlafes, die königliche Familie ruhte noch – bis auf einen, der sich anschickte, das zu ändern.
Prinz Rowan, der Kronprinz, zog sich die Decke über die Augen und murrte leise, als er die patschenden, lauten Schritte auf dem Korridor hörte. Er wollte noch nicht aufstehen und die Welt lieber noch für eine Stunde aussperren. Der Tag hatte immerhin gerade erst begonnen, die Sonne hatte es noch nicht über die weit im Osten liegende Gebirgskette geschafft.
Bis auf das Gesinde im Schloss schien es, als würde halb Isara, die herrschaftliche Hauptstadt mitten im Herzen von Annwyn, noch tief in den Federn ruhen. Natürlich stimmte das nicht, doch dem Prinzen kam die Ruhe so verschlafen vor.
Er zuckte unter seiner reich bestickten Decke fast unmerklich zusammen, als die schwere Tür zu seinem Schlafgemach aufgestoßen wurde und nahezu ungebremst gegen die dahinterliegende Wand donnerte.
»Ups«, kicherte ein Stimmchen, um im nächsten Moment johlend auf die breite Bettstatt Rowans zu springen.
»Aufwachen, großer Bruder, komm schon!«
Ein kleiner Junge hopste neben dem Prinzen auf der Matratze und trommelte auf dem Hügel herum, den er unter der Decke bildete.
»Noch nicht, Jojo. Ich schlafe noch«, murrte Rowan, konnte jedoch nicht verhindern, dass ein Lachen in seiner Stimme mitschwang. Wie immer, wenn sein achtjähriger Bruder Jonah ihn weckte, weil er spielen wollte. Oder reiten üben, bogenschießen, schnitzen, malen, dem Kindermädchen einen Streich spielen ...
Jonah konnte, wie fast alle Kinder in dem Alter, nicht lange stillsitzen und brachte den Mann, der im Schloss als sein Lehrer angestellt war, regelmäßig an den Rand der Raserei.
»Aber es ist soooooo öde!«, maulte der Junge und hüpfte weiter, bis ein muskulöser Arm unter der Decke hervorschoß, ihn packte und mit sanfter Gewalt zu Fall brachte.
Der zu dem Arm gehörende Rest des Mannes kam schwarzhaarig und zerzaust zum Vorschein, die blauen Augen zu Schlitzen verengt.
»Mit Schuhen auf dem Bett springen, Jonah?«
Der Junge guckte ertappt. »Hast du mir verboten ...«, flüsterte er kleinlaut und Rowan nickte. Er setzte sich auf und glättete sein kurzes ebenholzfarbenes Haar mit den Fingern. Sein Kiefer knackte, als er gähnte und er rieb sich sein bärtiges Kinn.
»Wie spät ist es?«
»Nahezu Sieben.«
Rowan guckte seinen kleinen Bruder mit hochgezogener Braue an. »Solltest du dann nicht im Studierzimmer sein und deine Lektionen mit Raban durchgehen?«
Trotzig blickte Jonah auf seine Finger. »Das ist öde. Immer lässt er mich nur die Zahlen bis Hundert wiederholen und lässt mich nichts Spannendes machen.«
Rowan lachte und zauste dem kleinen Prinzen die dunklen Haare. »Bevor du es nicht richtig kannst, bleibt er stur. Lern fleißig, dann kommen bald die großen Zahlen, Kreise und Quadrate.«
Jonah schüttelte bockig den Kopf, zog sich die bestickte Bettdecke über und lehnte sich an seinen älteren Bruder.
»Mathe ist doof. Ich will lieber reiten oder fischen gehen.«
Rowan legte einen Arm um das Kind und lachte dann. »Das machen wir danach. Wenn du jetzt fleißig lernen gehst.«
»Ja?«
Die Antwort blieb dem jungen Mann im Halse stecken, als ein Klopfen an der geöffneten Tür den immer viel zu aufgedrehten und nervenzehrenden Hofausstatter Plinus ankündigte.
»Eure königlichen Hoheiten Prinz Rowan, Prinz Jonah. Ich wünsche, wohlgeruht zu haben«, trillerte der Mann, der gekleidet war wie ein bunter Gockel und dessen aschblonde Haare streng nach hinten genommen und mit einer Pomade beschmiert waren, die sie glänzen ließ, als seien sie lackiert. Rowan empfand es als ungepflegt und widerlich, als würde sein Schneider sich das Zeug nur in die Haare schmieren, um zu verdecken, dass er sich nicht ausreichend wusch. Ebenso roch der Mann stets so, als wäre er in einen Krug voller Rosenwasser gefallen, während darunter ein anderer Geruch war; ein unangenehmerer. Es gab Adlige, die es als unfein empfanden, sich zu waschen und die die Meinung vertraten, dass tägliche Körperpflege etwas war, das nur Bauern und Menschen niederen Standes taten. Sie betrachteten es als ein Zeichen für harte, körperliche Arbeit, die Reiche nicht nötig hatten. Diese vornehmen Leute glaubten, mit duftendem Rosenwasser und parfümierten Pomaden denselben Effekt zu erzielen wie mit Wasser und Seife.
»Meister Plinus«, erwiderte Rowan den Gruß und verdeckte, wie sehr er diesen herausgeputzten Schneidermeister verabscheute.
»Ich bin erfreut, Euch bereits erwacht zu sehen, mein Prinz. Ich hätte Euch ungern aus dem Schlaf geholt. Doch wir haben noch viel vor, bis das Ereignis beginnt.«
Der Hofschneider klatschte blasiert in die Hände und drei junge Mädchen trugen Ankleidepuppen in das Gemach, eine kostbarer gewandet als die andere. Rowan, der dem Zirkus nicht folgen konnte, hatte das drängende Gefühl, etwas elementar wichtiges vergessen zu haben. Sein Mund stand fragend offen.
Jonah versteckte sich unter der Decke, als der alte Hoflehrer, der bereits den Kronprinzen und seine anderen Geschwister unterrichtet hatte, ebenfalls an der Tür auftauchte.
»Eurer königlichen Hoheit einen guten Morgen. Gehe ich recht in der Annahme, dass sich Prinz Jonah bei Euch vor seinen Mathematik-Lektionen drückt?« Raban, der bereits weiße Haare hatte, sprach leise und unaufgeregt, viel angenehmer als der aufgetakelte Schneider, der seine Gehilfinnen noch immer scheuchte.
Rowan stupste seinen kleinen Bruder an und der kroch murrend aus dem Bett. »Geh und erledige deine Aufgaben, dann darfst du nachher auf Agrippa reiten.«
Jonah betrachtete das Treiben des Schneiders noch einen Moment, bevor er seufzte. »Das wird wohl heute nichts mehr.«
»Warum das nicht?«
Der kleine Junge ergriff die Hand seines alten Lehrers und lachte seinen großen Bruder an. »Na heute kommen doch die Gäste. Hast du etwa das Solem-Fest vergessen?«
Der Kronprinz schüttelte erstaunt über sich selbst den Kopf. Wie konnte er dieses große und wichtigste aller Feste vergessen? Wo doch seine Heimatstadt Isara dieses Jahr die einwöchigen Festlichkeiten ausrichtete.
Während der Schneidermeister noch immer im Schlafgemach herumwuselte, hatte Rowans Leibdiener ihm in seinem Badezimmer die Wanne gerichtet und der Prinz ließ sich nun seufzend in das heiße Wasser sinken. Er blies etwas Luft auf die Oberfläche.
Üblicherweise freute er sich jedes Jahr wie ein Kind auf diese Woche, in der Adel und Volk gleichermaßen ausgelassen feierten, aßen und tranken. Doch dieses Mal war seine Freude getrübt. Womöglich hatte er es deswegen vergessen. Er hatte es verdrängt.
Und das, obwohl ihm die beschwerliche Anreise zu einer der anderen Königsstädte erspart blieb.
Das Solem-Fest hatte als Feierlichkeit zum Gedenken an die Taten des ruhmreichen Begründers des Reiches und seiner Königreiche, König Solem von Atraterra, begonnen. Er war erster Herrscher Numantias gewesen, Retter eines ganzen Volkes und nach seinem Tod vor mehr als dreihundert Menschenleben zum Schutzpatron erkoren worden.
Doch für die Menschen dieser Tage war es mehr als die Verehrung ihres heiligen Stammvaters. Es war vielmehr ein Heiratsmarkt. Die Völker glaubten, eine Ehe, gestiftet während eines Solem-Festes, wäre von besonderem Glück geprägt, ein gezeugtes Kind von besonderer Stärke und Schönheit.
Seit jeher kamen auch die ledigen Sprösslinge aller numantischen Königshäuser dort zusammen, um zu feiern, um einander näher kennenzulernen und vielleicht in naher darauffolgender Zukunft einander die Hand zur Ehe zu reichen. Man erwartete fast, dass es wenigstens zu einer königlichen Hochzeit kam, wenn die Feiertage vorüber waren.
Doch seit nunmehr fünf Jahren lagen jedoch nach jedem Fest die Augen des Volkes und der Königshäuser einzig auf ihm, Prinz Rowan von Annwyn, dem Thronfolger König Mareks.
Denn der Kronprinz war bereits fünfundzwanzig. Ein unübliches Alter für einen Königssohn, um noch immer ledig zu sein. Das durchschnittliche Heiratsalter lag in Numantia bei einundzwanzig, folglich sollte Rowan nach den Bräuchen seiner Heimat bereits längst vermählt sein und Kinder haben.
Anfangs hatte niemand sehr darauf geachtet, doch seit zwei Jahren häuften sich nun die Gerüchte, der Prinz wäre fürchterlich wählerisch und keine sei ihm schön oder gescheit genug.
Was den Wettbewerb der Prinzessinnen und Edeltöchter um das Herz des attraktiven Königssohnes losgetreten hatte.
Resignierend tauchte Rowan zur Gänze in dem Zuber unter und presste die Augen zusammen. Das Gerede der Leute über seine angebliche Arroganz ließ ihm weitestgehend kalt. Denn es stimmte in der Tat, dass Frauen ihn schnell langweilten und er ihr Gebaren über Kleidung und Putz als lästig empfand. Er betrachtete sie gern aus der Ferne, doch Gespräche hatten ihn selten erheitert.
Er spürte jedoch, dass seine Eltern, König Marek und Königin Rabea, allmählich ungeduldig wurden. Die Blutlinie musste gesichert werden und Rowan ahnte, dass ihm eine arrangierte Heirat bevorstehen würde, sollte er sich nicht baldigst aus eigenen Stücken entscheiden.
Das Wasser verspritzend tauchte er wieder auf und schnappte nach Luft. Niemals würde er eine arrangierte, lieblose Ehe eingehen! Er wollte das, was seine Eltern hatten. Auch sie hatten sich auf einem Solem-Fest verliebt, rettungslos, und das spürte man auch nach über fünfundzwanzig Jahren noch.
»Brigg!«, rief Rowan nach seinem Leibdiener, der ihm ein Handtuch brachte.
»Man lässt Euch ausrichten, dass das Frühstück in zehn Minuten aufgetragen wird, Eure Hoheit.«
»Danke.« Der Prinz trocknete Leib und Haare ab und schlüpfte in Hose, Stiefel und ein locker fallendes Hemd. Bis auf seine Mutter und den kleinen Jonah war vermutlich ohnehin noch niemand wirklich salonfähig gekleidet. Sein Vater war erst kürzlich in Nachthemd und Nachtmütze bei Tisch erschienen. Halb acht morgens war für diese Familie schlichtweg zu früh.
Beflissene Dienstboten eilten, ihre tägliche Arbeit verrichtend, durch die weiten Gänge des Königspalastes. Knickse, Verbeugungen und »Guten Morgen, Königliche Hoheit«-Aussagen folgten Rowan auf seinem Weg in den kleinen, privaten Speisesaal der Familie.
Er hörte sie schon im Gang und öffnete die Tür.
Tatsächlich hockte Jonah jammernd auf seinem Stuhl, während Prinzessin Eugena grinsend in ein Fruchttörtchen biss. Der kleine Prinz liebte diese Süßigkeit und das Mädchen schien ihm sein Törtchen gestohlen zu haben. Im Vorbeigehen gab Rowan seiner jüngeren Schwester eine nicht zu feste Kopfnuss und wandte sich dann an seine Eltern.
»Mutter, Ihr seht wie immer bezaubernd aus.« Er gab der Königin einen Kuss auf die Wange und sie lächelte liebevoll.
»Guten Morgen, Vater.« König Marek, landesweit als grandioser Morgenmuffel bekannt, brummte nur und Rowan nahm neben seiner Mutter an der Tafel Platz.
»Ferdi, Gena, gut geschlafen?«, wandte er sich an seinen Bruder Ferdic, nach ihm der älteste Sohn, und an seine fünfzehnjährige Schwester. Die nickten. Ferdic hatte die Morgenmuffeligkeit des Vaters geerbt und aß stumm sein Brötchen, noch halb im Schlaf. Eugena foppte weiter den kleinen Jonah, dessen Wangen bereits gerötet waren und der jeden Moment zu weinen beginnen würde.
»Eugena, jetzt lass ihm doch seine Törtchen!«, maßregelte Königin Rabea ihre einzige Tochter mit sanfter Stimme. Sie war trotz des sanften Gemüts ihrer drei Brüder ein ausgesprochener Wildfang geworden, den es nun, wo sie bald ins heiratsfähige Alter kam, zu bändigen galt.
»Vielleicht solltet Ihr Gena die Teilnahme am Fest versagen, Mutter«, sagte Rowan und schob Jonah sein Fruchttörtchen hin. Die Prinzessin strich sich eine dunkelbraune Strähne ihrer langen Haare aus der Stirn und streckte ihrem großen Bruder frech die Zunge heraus.
»Zwecklos, wie du weißt«, seufzte die Königin. Sie hatte bereits im Jahr zuvor versucht, ihre Tochter davon fernzuhalten, weil die Bälle erst für die heiratsfähigen Personen ab sechzehn Jahren zugänglich waren. Oder sein sollten, denn die damals vierzehnjährige Eugena hatte stolz berichten können, gleich drei Burschen an einem Abend hereingelegt zu haben. Noch war sie in dem Gemütszustand, dass alle Männer außer ihrem geliebten Vater hässliche Schwachköpfe waren. Dies konnte sich allerdings jederzeit ändern. Vielleicht würde sie dann ruhiger werden.
»Auf’s Stichwort, mein Sohn. Das Fest. Als Gastgeber dieses Jahr musst du natürlich besonders zuvorkommend sein. Und freilich appetitlich aussehen für die Damen. Dasselbe gilt für dich, Ferdic.«
König Marek hatte nach der zweiten Tasse starken Kaffees seine Lethargie überwunden, doch Ferdic war noch wie im Traum.
»Aber ja, Vater. Macht Euch keine Sorgen. Plinus, der eitle Gockel, hat mir schon Garderoben gebracht, da war es noch nicht einmal Sieben!«
»Mir auch ... danach dann«, nuschelte der neunzehnjährige Ferdic und sah aus, als hätte er nur zwei Stunden Schlaf bekommen.
Marek nickte zufrieden. »Auf ein erfolgreiches Fest, würde ich sagen.«
Rowan spürte den Blick seiner Eltern deutlich und hatte das Gefühl, dass das »Erfolgreich« nicht nur dahin zielte, dass alle Spaß hatten. Sondern vielmehr darauf, dass Rowan sein Junggesellendasein endlich aufgab.
Während der Prinz sich den Rest des Vormittages mit dem Schneidermeister herumärgern musste, der in letzter Minute beschloss, einige von Rowans Gewändern noch abzuändern, liefen die letzten Vorbereitungen für das abendliche Festbankett auf Hochtouren.
Sämtliche Bürger der Stadt waren geladen, mit der Königsfamilie und vielen Vertretern der anderen numantischen Königshäuser auf dem großen Turnierfeld zu speisen, zu flanieren, Schaustellern und Gauklern zuzusehen und sich beim Tanz zu amüsieren. Bereits jetzt zog der Duft von Spanferkeln und ganzen gebratenen Ochsen durch den Palast.
Nach einer gefühlten Ewigkeit war Meister Plinus endlich mit der Garderobe des Prinzen zufrieden und entfernte sich, um den König höchstpersönlich in den Wahnsinn zu treiben.
Rowan ließ den Blick über seine Gewänder schweifen. Da waren die Farben Rot, Dunkelblau, Olivgün, Kastanienbraun, schwarz. Brokat- und Samtstoffe mit Silber und Gold durchwirkt, mit kostbaren Stickereien und Ornamenten. Zu den edlen Gehröcken und Westen gesellten sich außerdem blütenweiße Hemden mit gerüschtem Kragen, Spitzenmanschetten, eng anliegende Hosen und blank polierte Stiefel.
Der Prinz seufzte. Er mochte diesen Pomp nicht sehr, hätte auf Rüschen und Flitter verzichten können und dennoch vernünftig ausgesehen, doch das Solem-Fest war für den Adel und die Königsfamilien auch immer ein wenig Prahlerei. Jeder wollte für sich die Gewissheit, am hübschesten, edelsten ausgesehen zu haben. Besonders, wenn man ledig war.
Es wunderte daher niemanden, dass Prinzessinnen manchmal mit bis zu zehn Kleidertruhen reisten. Um für jeden Anlass das passende Kleid zu haben. Eine Denkweise, die den pragmatisch veranlagten Rowan abstieß.
Müde geworden durch das unablässige Reden des Schneidermeisters und aufgeregt ob der bald beginnenden Feierlichkeiten blickte der Prinz aus dem Fenster seines Gemaches. Der Königspalast lag etwas erhöht auf einem Hügel über der Stadt Isara, was einen weiten Blick ermöglichte.
Rowan lächelte. Er liebte dieses Land, er liebte diese Stadt, die herzlichen, offenen Menschen und er wollte, ebenso wie sein Vater, einst ein guter und weiser König sein.
Einzige Bedingung dazu war, dass er eine Gemahlin wählte. Es konnte doch unmöglich so schwer sein, eine auszusuchen. Andere vor ihm hatten das doch auch geschafft, waren sogar zufrieden.
Zerknirscht wandte der junge Mann sich ab. Zufriedenheit war ihm zu wenig! Er wollte Liebe, Leidenschaft, die Überzeugung, allein nicht überleben zu können.
Vielleicht war er wirklich zu anspruchsvoll. Seit nunmehr neun Jahren besuchte er das Solem-Fest als Heiratsfähiger und bis auf eine flüchtige, leidenschaftliche Begegnung war es immer das Gleiche für ihn gewesen. Seine Vettern und Cousinen fanden einander, heirateten und er blieb allein.
Nicht, dass es ihm bislang viel ausgemacht hatte, doch seine Eltern störte es. Und sie zu enttäuschen war das Schlimmste für Rowan.
Vielleicht musste es einfach so sein. Vielleicht war es ihm nicht bestimmt, eine Ehe zu führen, die auf Liebe gründete. Womöglich war es sein Schicksal, sein Leben mit einer Frau zu teilen, die ihn etwas weniger nervte als der Rest von ihnen. Und vermutlich musste er damit zufrieden sein.
Zufriedenheit mochte nicht das sein, was ihm genügte, doch es war besser als gar nichts. Besser als die Enttäuschung seiner Eltern.
Entschlossen ballte Rowan die Hände zur Faust und nickte zu sich selbst. Dieses Jahr musste er sich entscheiden. Die Zeit der Kindereien war vorüber. Rowan konnte es sich nicht länger leisten, den unnahbaren Hagestolz zu spielen.
Nicht, wenn er eines Tages den Thron seines Vaters erben wollte. Das war sein größtes Ziel. Sein Volk als guter, weiser König regieren. Mehr als alles träumte er schon seit seiner Kindheit davon. Wenn dies bedeutete, auf Liebe zu verzichten und sich irgendein nettes Mädchen zur Frau zur wählen, dann sollte es eben so sein.