„Du siehst gut aus“, lobte mich Catalina grinsend und musterte mich eingehend von Kopf bis Fuß. Sie hatte die ganze Zeit über vor der Tür gewartet, und sie nach dem ersten Klopfen ruckartig aufgerissen. „Die Haare werde ich dir irgendwann erneut schneiden müssen, aber sonst bin ich überaus zufrieden mit dir.“ Abermals lächelte sie glücklich und trat aus dem Türrahmen. Unschlüssig sah ich an mir herab, an der sauberen, wohlriechenden Haut und den neuen Kleidern. Ich wusste, dass ich keine Wahl gehabt hatte, aber dennoch fühlte ich mich schwach und willenlos. Ich habe es ihr zu einfach gemacht. „Lass uns in den Salon gehen“, forderte sie mich auf, „Dort können wir die Mittagssonne genießen und uns kennen lernen.“ Sie packte meinen Arm und zog mich in den Flur hinaus. Kurz überlegte ich mich loszureißen, doch auch diese lächerliche Geste hätte kaum einen Nutzen, außer womöglich ihren Zorn zu erregen.
Mit hängendem Kopf folgte ich Catalinas Anweisungen in einen lichtdurchfluteten Raum, dessen Fenster den Blick auf eine kahle Steinmauer freigaben. Lediglich ein paar Efeuranken schlangen sich um die groben Steine, doch kein Dachfirst oder ein anderes Zeichen von Zivilisation überragte die Mauer. Der Salon selbst wirkte gleichsam leer und unbewohnt. Alles schien einem klaren System zu folgen, kein Stift lag fehl am Platz und kein Staubkorn bedeckte den langen, hölzernen Tisch, der den Raum dominierte
„Setz dich“, befahl Catalina und deutete auf einen der schweren Stühle. Ich folgte der Anweisung widerstrebend, sie ließ sich mir gegenüber nieder. „Jadan“, säuselte sie schließlich, nachdem sie mich eingehend gemustert hatte, „Erzähl mir etwas über dich.“ Eine angespannte Stille kehrte ein, während sie mich eingehend betrachtete. Ich biss mir trotzig auf die Lippen und sah auf meine geballten Fäuste hinab. Was erwartete sie von mir? Mein Schweigen würde sie womöglich erzürnen, obgleich sie bis jetzt nicht gezeigt hatte, dass sie zu solch dunklen Gefühlen fähig war. Zu Kälte, ja. Zu Herzlosigkeit, mit Sicherheit, aber nicht zu unkontrollierter Wut. In all der Zeit, in der sie Isoke oder Egon abgeholt hatte, war sie nie ausfallend oder gewalttätig geworden. Weshalb also, hatte sich nie einer der beiden gegen sie gewehrt? Weshalb traue ich mich nicht die Hand gegen sie zu erheben?
„Zu Schweigen wird deine Misere nicht lösen“; murmelte Catalina und sah ihrerseits auf ihre Hände. „Ich verstehe, dass du nicht hier sein möchtest, aber du musst akzeptieren, dass du darauf keinen Einfluss hast. Weshalb seine Zeit mit belanglosen Gedanken vergeuden, lass sie uns gemeinsam und sinnvoll nutzen. Lass uns uns kennen lernen.“
„Uns kennen lernen?“; wiederholte ich spöttisch, selbst über meine feste Stimme überrascht. Im Keller hatte ich mich vor ihrem Blick verborgen, doch nun, da ich die wahre Natur von Isokes Folter kannte, schien meine Furcht kalter Objektivität gewichen. „Welches Interesse hast du daran?“