Von Tonis Charme und seinem Elan war natürlich nichts mehr geblieben. Die meiste Zeit war er auch nur körperlich anwesend und alles um ihn herum rauschten einfach an ihm vorbei. Er versuchte zwar so zu wirken, als würde er an dem Geschehen teilnehmen aber das gelang ihm mehr schlecht als recht, weil er die meiste Zeit einfach nur da stand und vor sich herstarrte.
Glücklicherweie wurde er zum größten Teil ignoriert, was vermutlich daran lag, dass er dann doch vergessen hatte, die Krawatte noch umzubinden und damit deutlich zeigte, dass er kein Anwalt war und für Diskussionen über Rechtsfragen, die überall zum ihn herum geführt wurden, nicht zur Verfügung stand. Aber obwohl er für die meisten einfach Annas Anhängsel war, gab es da doch einen älteren Anwalt, der sich für ihn interessiert und ihn direkt ansprach. Doch als Tonis einzige Erwiderung stets ein verlegenes Lächeln war, weil er sich einfach nicht auf das konzentrieren konnte, was der Mann zu ihm sagte, hatte dieser sehr schnell keine Lust mehr auf diese Unterhaltung und wandte sich Anna zu.
Und wenn Toni nicht damit beschäftigt war, blicklos in die Gegend zu starren und gleichzeitig zu versuchen, so zu wirken, als würde er an dem Geschehen um sich herum teilnehmen, warf er einen Blick auf sein Handy, wobei er hoffte, dass er das möglichst unauffällig tat.
Aber auch, als er den Abstand, in dem er auf das Telefon sah von einer Minute schließlich auf ein paar Sekunden reduziert hatte, kam trotzdem keine Nachricht von Gregor. Und je öfters Toni aufs Handy sah, desto desillusionierter wurde er und als Anna schließlich nach seiner Hand griff und ihn zur Gaderobe zog um ihre Jacke zu holen, da hatte sich in ihm die Erkenntnis breit gemacht, dass es wohl doch alles nicht so wunderbar und einfach war, wie er sich das gedacht hatte. Und nach diesem Gedanken schlug das schlechte Gewissen, Anna den Abend verdorben zu haben, mit voller Härte zu und Toni bereitete sich innerlich schon einmal auf eine Wutrede von ihr vor, die er auch auf jeden Fall verdient hatte.
Allerdings hatte Anna trotz allem einen großartigen Abend gehabt und als Toni sie nach Stunden wieder bewusst ansah, strahlte sie übers ganze Gesicht und schien weit von einer Wutrede entfernt zu sein. Stattdessen redete sie die ganze Busfahrt zurück nur über die letzten Stunden und so erfuhr Toni rückwirkend von den wunderbaren Menschen, die sie gtroffen und den großartigen Gesprächen, die sie geführt hatten und seufzte innerlich einmal erleichtert auf, dass er durch seine geistige Abwesenheit dann doch nichts kaputt gemacht hatte.
Am meisten freute Anna sich natürlich darüber, dass sie für ihr Refrendariat bereits einen Platz in einer der größten Kanzleien der Stadt sicher hatte und als sie nach Hause kamen, war sie noch so aufgedreht, dass sie Toni schon das Hemd vom Körper riss, als sie die Zimmertür noch nicht ganz hinter sich geschlossen hatten. Für Sex war Toni eindeutig nicht in Stimmung aber um Anna dann nicht doch noch darauf zu bringen, dass irgendetwas nicht stimmte, riß er sich zusammen. Glücklicherweise war sie nach einer Runde schon zufrieden, kuschelte sich an ihn und war kurz danach eingeschlafen.
Toni hielt sie im Arm, starrte an die Decke und ging im Geiste mal wieder und vermutlich zum tausendsten Mal das Gespräch mit Gregor auf dem Spielplatz durch. Aber diesmal stellte er sich dabei die Frage, ob er das was er gesagt hatte auch wirklich so gemeint hatte. Denn wenn es so wäre, dann hätte Gregor sich doch jetzt sicher schon bei Toni gemeldet, auch, wenn er vielleicht noch nicht mit Xenia geredet hatte. Aber wenn Toni jetzt einigermaßen nüchtern über die ganze Sache nachdachte, dann war das alles vermutlich wirklich viel zu gut gewesen um jemals wahr zu werden und das war Gregor inzwischen auch klar geworden.
Allerdings, wenn Toni an den Blick dachte, mit dem Gregor ihn angesehen hatte, dann war er trotz allem nicht bereit dazu, die Hoffnung aufzugeben. Sogar, als er auch in den nächsten zwei Tagen nichts von ihm hörte. Allerdings blieb Anna jetzt nicht mehr verborgen, dass mit ihm irgendetwas los war, weil es ihm schwer fiel, ruhig zu bleiben. Und als er mitten in einer Folge ihrer aktuellen Serie zum zweiten Mal aufstand und eine Runde durchs Zimmer drehte, seufzte sie einmal tief. "Was ist denn bloß im Moment mit dir los?"
Glücklicherweise hatte Toni genug Zeit gehabt, sich eine plausible Ausrede einfallen zu lassen, sodass ihn diese Frage vor keine Herausforderung stellte. Er seufzte einmal abgrundtief. "Ach es ist die verdammte Bachelorarbeit. Ich hab einfach Schiss, dass ich das nicht hinbekomm."
Anna lachte einmal kurz, dann stand sie vom Bett auf und umarmte ihn liebevoll. "Mach dir keine Sorgen," sagte sie aufmunternd. "Du hast noch genug Zeit dafür. Und eine Bachelorarbeit ist auch kein Staatsexamen."
"Ja, du hast Recht," sagte Toni und erwiderte ihre Umarmung.
Und damit hatte er nun einen Freischein, auch am nächsten Tag unruhig zu sein, allerdings mischte sich in diese Unruhe nun doch schon ein wenig Hoffnungslosigkeit, denn drei Tage waren eindeutig zu lange und er begann sich zu fragen, ob Gregor ihn vielleicht doch einfach nur verarscht hatte. Und nach dem, was Toni ihm angetan hatte, hatte er eigentlich auch jedes Recht dazu. Ein Gedanke, der absolut nicht dazu beitrug, dass es sich auch nur ein kleines Bisschen weniger mieserabel anfühlte.
Und als Toni dann wieder etwas von Gregor hörte war es ausgerechnet von Anna, als sie sich auf einen Kaffee in der Nähe der Uni trafen, bevor sie wieder in der Bibliothek abtauchte, um den Rest des Tages zu lernen.
Toni war zuerst da und sezte sich an einen Tisch in der Nähe der Tür. Er bestellte schon einmal für sie beide und drehte dann unruhig die Tasse in der Hand. Wenn Gregor sich nicht bald auf irgendeine Art bei ihm meldete, auch, wenn er ihm dann sagen würde, dass das alles doch eine dumme Idee gewesen war, würde er diese innere Unruhe wahrscheinlich nicht mehr loswerden.
Als Anna dann kam und ziemlich empörten aussah, machte Tonis Herz einen heftigen Sprung weil er sich sicher war, dass sie von dem üblen Scherz, den Gregor ihm gespielt hatte, erfahren hatte und Toni jetzt deswegen gleich eine Szene machen würde.
Als sie bei Toni angekommen war, rieß sie mit einem Ruck den Stuhl zurück, ließ sich mit einem Schnaufer darauffallen und nahm sich noch nichtmals die Zeit, die Jacke auszuziehen, bevor sie mit beiden Handflächen auf den Tisch klatschte. "Du wirst nicht glauben, was mir Xenia grad erzählt hat!" rief sie entrüstet und Tonis Herzschlag beschleunigte sich. Er räusperte sich einmal, damit seine Stimme nichts von dem verriet, was grade in ihm vorging. "Was ist passiert?"
Anna holte tief Luft. "Gregor hat mit ihr Schluss gemacht!" Sie warf beide Arme in die Luft. "Glaubst du das?! Und vorallem, rate mal, was er zu ihr gesagt hat, weswegen er Schluss gemacht hat!"
Toni musste erst einmal die angenehme Schockwelle verkraften, die bei Annas Worten über ihm zusammengebrochen war und war deswegen nicht in der Lage, zu antworten. Allerdings erwartete sie das auch nicht sondern redete gleich weiter: "Er hat zu ihr gesagt, er müsse sich selbst finden und das könnte er nicht, wenn er mit ihr zusammen sei. Ist das zu glauben?! Was für eine billige Ausrede wo er hinter ihrem Rücken bestimmt schon längt mit ner anderen ins Bett steigt!" Anna redete sich immer mehr in Rage und Gregor wurde mit ein paar wüsten Beschimpfungen bedacht, die Toni aber nur mit halbem Ohr mitbekam. Er war plötzlich innerlich so angespannt, dass er sich zusammenreißen musste, um nicht vom Tisch aufzuspringen. Er ballte die Fäuste im Schoß und zwang sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen und Anna dabei anzusehen.
Sie hatte glücklicherweise nur Zeit für einen Kaffee, den sie auch ziemlich schnell trank, dann sprang sie auf, sie küssten sich kurz um Abschied und dann war sie auch schon wieder weg.
Kaum war sie aus der Tür raus, da griff Toni mit zitternden Händen in seine Tasche und zog sein Handy heraus. Sein Herz klopfte heftig, als er den Bildschirm entsperrte und eine weitere Schockwelle jagte durch seinen Körper, als er tatsächlich eine Nachricht von Gregor hatte. Sie bestand nur aus der Frage, ob er vorbeikommen wollte und einer Adresse und Toni sparte sich die Antwort, sondern stand hastig auf und schnappte sich seine Jacke, die er aber erst anzog, als er an der nächsten Bushaltestelle stand.
Gregors Studentenwohnheim war glücklicherweise keins, das aus Wohngemeinschaften bestand sondern es gab einen langen Flur mit vielen Zimmern. Und in jeder Zimmertür war ein Guckloch eingelassen, sodass Toni sich ziemlich beobachtete fühlte während er zu Gregors Tür ging, die ziemlich weit am anderen Ende des Ganges lag. Er zog unbehaglich die Schultern zusammen und seine Vorfreude war, zu seinem eigenen Ärger, in diesem Augenblick von seiner Paranoia verdrängt worden. Was war, wenn jemand sah, wie er zu Gregor ins Zimmer ging und dann irgendwas hörte? Vermutlich waren die Wände nicht besonders dick.
Da er auf keinen Fall wollte, dass seine Gedanken ihm jetzt alles verdarben beschleunigte er seinen Schritt und als er Gregor sah, der ihm durch die halb geöffnete Tür zulächelte, da war das schlechte Gefühl zum größten Teil verschwunden.
Gregor wartete, bis Toni ins Zimmer getreten und er die Tür wieder geschlossen hatte, bevor er sich in seine Arme warf und sie sofort in einen heftigen Kuss versanken.
Gregor riss Toni ungeduldig die Jacke von den Schultern und fing an, sein Hemd aufzuknöpfen während Toni aber immer noch nicht in der Lage war, sein Gehirn abzustellen. Die Sorgen, dass irgendjemand der völlig Unbekannten in den anderen Zimmern mitbekam, was sie hier drin machten war von der Tatsache abgelöst worden, dass er jetzt gleich zum ersten Mal Sex mit einem Kerl haben würde und sich angesichts dessen absolut hilflos fühlte. In der Theorie wusste er zwar genau, wie es ging, schließlich hatte er genug Filmchen gesehen, in dem jeder Schritt sehr detailliert dargestellt worden war, aber die Praxis war noch einmal eine ganz andere Sache.
"Was ist los?" flüsterte Gregor, als Toni zwar den Kuss erwiderte, aber ansonsten gar nichts machte.
Natürlich wollte Toni nicht zugeben, was grade in ihm vorging aber er war im Moment auch nicht in der Lage, sich eine Ausrede einfallen zu lassen. "Ich... ich habs vorher noch nie mit nem Kerl gemacht," erwiderte er heiser und Gregor lachte einmal und schmiegte sich an ihn. "Alles andere hätte mich auch echt überrascht. Aber mach dir keine Sorgen, ich bring dir alles bei, was du wissen musst. "
Er fing an, rückwärts in Richtung des schmalen Holzbetts zu gehen, das in der Ecke neben dem Fenster stand wobei er Toni das Hemd komplett auszog. Er warf es achtlos auf den Boden und dann schubste er Toni sanft aufs Bett – das furchtbar knarrte nachdem er draufgefallen war.
Das Knarren fühlte sich für Toni wie ein Pistolenschuss an, sodass er hastig wieder hochfuhr.
"Diese verdammten Wohnheimmöbel," murmelte Gregor, wusste aber gleich schon eine Lösung. Er holte eine Wolldecke aus dem Schrank, die er auf dem Teppich ausbreitete. Dann ging er zu Toni hin, der immer noch wie erstarrt neben dem Bett stand und strich ihm einmal sanft über den Arm. "Komm, sorgen wir erst mal dafür, dass du nicht mehr so angespannt bist."
Toni hatte noch nie viel Interesse an Oralsex gehabt – bis jetzt. Und wenn es nach ihn gegangen wäre, hätte Gregor auch erst mal einfach so weitermachen können, doch der hatte andere Pläne, als er mittendrin einfach aufhörte. Aber er hatte sein Ziel erreicht: Die Anspannung war völlig aus Toni verschwunden und Sex war jetzt das Einzige, an das er denken konnte.
"Bleib liegen," sagte Gregor als er aufstand und zu einem Schrank ging. Als er zurückkam, kniete er sich neben Toni hin und hielt ihm die Kondomverpackung vor die Augen. "Bist du bereit?" fragte er, halb scherzhaft, halb ernst.
"Verdammt und ob ich das bin!" erwiderte Toni und Gregor lachte einmal. "Sehr gut."
Mit geschickten Fingern zog er Toni das Kondom über und setzte sich auf ihn.
Natürlich ging ihre allererste Runde nicht besonders lange. Weil Gregor Toni vorher ja schon ziemlich weit gebracht hatte und und weil die Intensität der Gefühle einfach unglaublich war brauchte es nicht viel, um Toni über die Klippe zu bringen. Danach lag er nur schweratmend da und war für einen Moment nicht in der Lage, auch nur einen Muskel zu bewegen. Und er konnte feststellen, dass es immer noch ein wunderbarer Anblick war, Gregor dabei zuzusehen, wie er kam.
Danach brauchte auch der einen Moment, um wieder zu Atem zu kommen. "Das war doch schon ganz schön geil", sagte er dann und grinste auf Toni herunter.
Der erwiderte das Grinsen. "Ich glaube, geil ist dafür ein noch zu schwacher Ausdruck."
Gregor lachte und dann küssten sie sich einen Moment bevor er aufstand und für einen kurzen Moment aus Tonis Blickfeld verschwand. Als er wiederkam, hatte er einen Lappen in der Hand mit dem er Toni liebevoll den Bauch sauber wischte. "Wie siehts aus," fragte er dann, Toni packte ihn bei den Hüften und rollte ihn herum, sodass er unter ihm lag. "Kann weitergehen!"
Nach der zweiten Runde waren sie dann nicht mehr ganz so energiegeladen und Gregor stand auf, holte die Bettdecke, breitete sie über Toni aus und kroch dann selbst darunter und kuschelte sich an ihn. Schweigend lagen sie da, denn es gab grade absolut keinen Platz für Worte, und hielten sich fest.
Irgendwann fing Gregor an, sanft mit dem Daumen über Tonis Hüfte zu streicheln und dann dauerte es nicht lange, bis der wieder einsatzbereit war. Unter der Decke kroch er über Gregor, der schlang seine Beine um ihn... und in diesem Moment klingelte Tonis Handy.
Toni erstarrte, den er wusste anhand des Klingeltons gleich, dass es Anna war.
Sofort ließ er von Gregor ab, stand auf und eilte zu seiner Jacke, die neben der Tür auf dem Boden lag und holte das Handy aus der Tasche.
Anna klang ziemlich abgekämpft. "Ich hab ganz vergessen, mir was zu Essen mitzunehmen und jetzt so wahnsinnig Hunger, dass ich echt sofort eins der Bücher essen könnte. Aber ich kann hier auch nicht weg, weil mir sonst jemand meinen Platz wegnimmt. Kannst du mir vielleicht irgendwas bringen? Es ist mir auch völlig egal was, solange es ohne Paprika ist."
"Na klar, ich komm sofort," versicherte Toni ihr, dann legte er auf und sah Gregor an. "Ich muss dann leider."
Gregor lächelte. "Ist ja nicht so, als ob ich damit nicht gerechnet hätte." Er bewegte sich ein wenig, sodass die Decke, in die er sich gewickelt hatte, verrutschte und Toni einen Blick auf seine nackte Schulter gewährte. Und der Gedanke, dass Gregor unter der Decke nackt war, sie grade wahnsinnig guten Sex gehabt hatten und wieder haben konnten, wenn Toni nur wollte, sorgten dafür, dass er seine Hose achtlos wieder fallen ließ und zurück zu Gregor ging. "Ach, sie kann auch noch ein paar Minuten warten!"