„Komm, wir zeigen dir, wo du schlafen kannst!“ Vogeltanz stupste sie an und rannte voraus in den Bau. Dabei stolperte sie und überschlug sich fast.
Dämmerlichts Schnurrhaare zuckten belustigt. Vogeltanz´ unbeschwerte Fröhlichkeit war der Hauptgrund, warum sie diese Katze so mochte.
„Nimm das Nest neben mir!“
Sie nickte und machte sich das Nest zurecht. Hinter ihr betrat Fuchskralle den Bau.
„Vergiss nicht, dass du die Nachtwache halten musst. Du machst dich besser auf den Weg.“
Das wissen wir, du Idiot. Halt dich gefälligst da raus!
„Danke“, murmelte sie und trabte zum Lagereingang.
Es machte ihr Angst, dass die Stimme neuerdings „wir“ sagte.
Als ob sie zwei verschiedene Katzen wären…dabei war die Stimme doch ein Teil von ihr.
„So nachdenklich?“
„Huch!“, machte sie und fuhr herum.
Fuchskralle stand hinter ihr und sah auf sie herab.
„Ich darf nicht mit dir sprechen, ich muss die Nachtwache schweigend halten.“
Er legte den Kopf schief. „Wow. Das ist der erste ganze Satz, den ich je von dir gehört habe. Mach dir keine Gedanken über das Reden…das wird nicht überprüft. Und was haben die Kriegerahnen von deinem Schweigen?“
Sie zuckte die Schultern. „Weiß nicht.“
Wahnsinn. Was für eine ungemein originelle Antwort. Willst du ihn mit deinem Stumpfsinn etwa beeindrucken?
Sie zuckte mit dem Ohr und versuchte, ruhig zu bleiben.
Du willst ihn ja wirklich beeindrucken! Du MAGST ihn!
Ein verächtliches Lachen hallte durch ihren Kopf.
„Sei einfach still!“, flüsterte sie.
Fuchskralle musterte sie. „Du weißt schon, dass ich gar nichts gesagt hab, oder?“
Verwirrt schüttelte sie den Kopf. „Dich hab ich auch nicht gemeint.“ Etwas in seinem Blick änderte sich, wurde achtsam, und gleichzeitig sah sie Mitleid.
Sie schloss die Augen. Er sollte sie nicht für irre halten. Das war das letzte, was sie jetzt brauchen konnte.
„Ach, ich führ manchmal ein bisschen Selbstgespräche, nimm das nicht so ernst.“, sagte sie locker.
Er legte wieder den Kopf schief. Das schien eine für ihn typische Geste zu sein.
„Na gut. Wie fühlst du dich als frischgebackene Kriegerin?“
Sie gähnte. „Gut. Ich kann es kaum erwarten, für meinen Clan zu…zu kämpfen.“
Töten. Du wolltest töten sagen, oder nicht?
Sie ignorierte die Stimme, die in ihrem Kopf zu einem Singsang anschwoll.
Tö-ten, tö-ten, tö-ten!
„Kann ich dich mal was fragen?“
Sie zuckte mit einem Ohr. „Klar.“
Fuchskralle kratzte mit einer Pfote über den angefrorenen Boden. „Warum bist du immer so still? Du hältst dich aus allem raus, redest mit niemandem…Ich meine, du bist eine schöne, intelligente Katze, du musst dich nicht verstecken.“
Ihr Pelz kribbelte angenehm bei diesen Worten.
Komplimente hatte ihr noch niemand gemacht, außer vielleicht Vogeltanz, die zu allen nett war.
Unauffällig betrachtete sie ihr Spiegelbild in einer Pfütze.
Glattes, hellgraues Fell, vereinzelte schwarze Streifen und schwarze Ohren. Nichts außergewöhnliches. Ihre Augen waren zwar blau, aber irgendwie zu hell…wie der zugefrorene Fluss an einem Wintertag.
Sie blinzelte.
„Ich bin einfach gern für mich. Allein. So fühl ich mich am sichersten und am wohlsten.“
LÜGNERIN! schrie Kaltherz. Du bist NIE allein!
Sie schüttelte den Kopf.
„Kann jetzt ich dich mal was fragen?“
Er neigte den Kopf. „Natürlich.“
„Warum sagst du so etwas zu mir?“
Er trat näher an sie heran. Seine unergründlichen grünen Augen bohrten sich in ihre.
„Du faszinierst mich.“
Sie wandte den Kopf ab.
„Ich dachte, du magst Vogeltanz.“
„Ja, sie ist eine gute Freundin. Aber zu dir fühle ich mich auf andere Weise hingezogen, Dämmerlicht.“
Sie sah ihn wieder an. „Ehrlich?“
Er streckte den Kopf vor und fuhr mit der Zunge über ihr Ohr. Sie schloss die Augen.
„Ich gehe jetzt zurück, es wird bald hell.“, flüsterte er.
Dann drehte er sich um und schlich ins Lager zurück.