In meiner Wohnung bin ich allein, gerne allein. Nichts ist hier perfekt, irgendwie hat alles Macken. Die Fenster sind ab Herbst feucht, der Lack blättert ab, meine Küche und mein Bad sind kalt. Von unten her, alte Steinfliesen. Im Winter ist das unangenehm und es ist so hellhörig. So sehr das ich ständig an Eins Zwo’s:“Die Omi aus dem ersten Stock“ denken muss, wenn ich meinen Nachbarn husten und schnarchen höre. Doch ich wohne am See, brauch nur die Strassenseite wechseln und kann direkt baden gehen. Das entschädigt. Unsere Beziehung hat auch Macken. Wir verstehen uns selten gut wenn wir uns unterhalten, woran das liegt kann ich nicht sagen. Deine Stimmlage lässt mich so abschalten, dass ich dir oft nicht mehr zuhöre. Wir streiten uns. Ich bin schnell beleidigt, dass macht dich wahnsinnig. Doch du bist so gut und liebevoll zu mir. Das entschädigt.
Vielmehr bleibt aber nicht und es ist keine Vision. Natürlich kann ich hier wohnen bleiben und mich einrichten. Einrichten auf die Macken und Fehler die ich trotzdem bezahle und dann auch akzeptiere. Wir können ebenso zusammenbleiben und uns einrichten auf die Fehler in unserem System die wir auch irgendwie bezahlen und akzeptieren.
Der See ist schön, du bist es auch. Aber es gibt auch viele Tage im Jahr, wo ich nicht baden gehen kann, viele Wochen wo die Bäume nicht blühen und mir die Ruhe und die Kälte auf den Sack gehen. Jahr für Jahr die Vision im Auge zu behalten ist schon kein einfaches Los, mehr noch; harte Kost.
Ich würde dir am liebsten sagen; Lass uns reden. Doch wir sind schon konditioniert, dass will nicht mehr klappen, weil ich an ein Gespräch nicht mehr glaube. Eigentlich will ich auch gar nicht reden aber ich möchte dir entgegenkommen. Falscher Weg. Als ob ich bei mir links abbiege Richtung Hauptstrasse. Wenn ich da stehe, ist da wieder viel Verkehr, Geschäftigkeit und Lärm. Das vertrage ich nur noch selten und wenn es keinen wichtigen Grund gibt, biege ich lieber nach leicht rechts ab und bin wieder am See. Das was wir haben ist schön aber nicht einfach. Hat aber auch keiner vorher gesagt. Ich wünsche mir das es dir gut geht aber hier bei mir und mit mir potenziert sich alles und die Fehler und Macken zählen mal zwei. Du hast es längst bemerkt und ich flüchte mich in diesen Brief. Das ist als ob man versucht miteinander Schach zu spielen und du machst einen Zug und ich verlasse den Tisch um im Nebenraum mit jemand anders Tischtennis zu spielen. Das geht einfach nicht.