Marc träumte von Nathalie und davon wie er und sie sich wieder trafen und all das nachholten, was sie versäumt hatten. Die Liebe und Leidenschaft, die er für sie empfand, war wundervoll und sie erwiderte diese Gefühle. Sie ritten zusammen durch eine Wüste, die Sonne war gerade in einem wunderbaren, ausserirdischen Farbenspiel an Untergehen… Doch dann auf einmal war da diese riesenhafte Schlange! Sie sah aus wie eine braune Klapperschlange jedoch viel grösser, so gross wie eine Anakonda. Sie schnellte vor und biss Nathalie in den Kopf! Er schrie laut auf, als er das Blut sah, dass von ihrem Körper hinunter in den Sand rann und... mit einem langen Dolch stürzte er sich auf die Schlange, schlug um sich wie ein Wilder, während sie sich immer mehr um ihn herumwickelte und ihn zu erdrücken drohte. Er wehrte sich jedoch weiter, wie ein Berserker stach er auf den Leib der Schlange ein und dann auf einmal… durchdrang ein stechender Schmerz seinen Arm. Er erwachte plötzlich, doch der Schmerz verschwand auch ausserhalb des Traumes nicht. Er blickte sich entsetzt um und hörte ein leises Klappern neben sich. Eine beinahe weisse Diamantklapperschlange bereitete sich auf einen Angriff vor. Einmal musste sie schon zugebissen haben…
„Verfluchtes Vieh!“ schrie der junge Mann, sprang auf und versuchte sich schnellstmöglich in Sicherheit zu bringen. Er war noch ganz paralysiert von seinem Traum und dem schrecklichen Ereignis, dass sich gerade wirklich zugetragen hatte: Eine Schlange hatte ihn gebissen. Die Klapperschlange klapperte mit ihrem Schwanz und entrollte sich dann wieder. Ihr Kopf war ihm zugewandt und sie hatte wohl genauso viel Angst vor ihm wie er vor ihr. Marc blickte auf seinen Arm. Eine blutige Bisswunde befand sich dort, um die Wunde herum, schwoll alles bereits blaurot an. Ein stechender Schmerz pulsierte durch seine Venen. Er brauchte schnellstmöglich Hilfe. Aus dem Internet wusste er, dass er sich möglichst ruhig verhalten musste, denn bei jeder Bewegung, oder auch bei zu grosser Aufregung, wurde das Gift schneller Richtung Herz gepumpt. Er musste sich hinlegen, denn es wurde ihm seltsam schwindlig. „Frank!“ rief er verzweifelt nach seinem Mentor „Frank!“ Die Klapperschlange, klapperte nicht mehr und hatte sich in den hintersten Winkel der Höhle zurückgezogen. Marc versuchte mit aller Macht seinen Puls ruhig zu halten. Endlos lang kam es ihm vor, bis jemand ihm zur Hilfe kam. „Frank!“ rief er nochmals „Frank Hilfe!“ dann wurde ihm schwarz vor Augen und er verlor das Bewusstsein…
„Marc! Marc!“ Snakeman kam in die Höhle gestürzt und sah seinen Schützling dort liegen. Sogleich sah er was passiert war. Er schaute die Wunde an dessen linkem Arm an, welche schon stark angeschwollen war. „Beim grossen Geist! Das darf nicht sein!“ Sofort holte er den 1. Hilfe Kasten hervor, den er bei sich trug. Darin befand sich auch Verbandszeug. Er nahm einen Holzstock und stabilisierte den Arm unterhalb und oberhalb des Bisses mit einem leichten Druckverband. So konnte das Gift nicht so schnell zum Herzen gelangen. Beruhigend war, dass scheinbar kein grosses Blutgefäss betroffen war, denn dann wäre die Gefahr des Verblutens bestanden. Er überprüfte die Gesichtsfarbe von Marc, diese war erschreckend fahl geworden, er drohte einen Schock zu erleiden. Sofort lagerte Snake man ihm die Beine hoch und wühlte weiter in seinem 1. Hilfe Kasten. Darin befand sich auch ein Notfallset für Schlangenbisse. Eine Kleinsaugpumpe um das Gift abzusaugen, einige Alkoholtupfer und ein Klein-Skalpell. Er säuberte die Wunde und saugte sie mit der Saugpumpe aus. Er musste seinen jungen Schüler baldmöglichst zum Arzt bringen, damit dieser ihm ein Anti- Serum geben konnte. Snake man schaute sich in der Höhle um und lauschte. War die Schlange wohl noch in der Nähe, welche Marc gebissen hatte? Wie sein Name bereits verriet, war Snakeman vertraut mit der Schlangenkraft und er verstand die Reptilien besonders gut. So vernahm er auch das leise Rascheln, dass die Schlange im hinteren Teil der Höhle machte. „Wo bist, du warum hast du meinen Schüler gebissen?“ fragte er in die Dunkelheit hinein. Es dauerte eine Weile, dann kroch auf einmal eine beinahe ganz weisse Klapperschlange ins Licht und schaute ihn unverwandt an. Snake man staunte, so eine Schlange hatte er noch nie zuvor gesehen. „Er hat mich bedroht“, erwiderte die Schlange nun im Geiste. Warum weiss ich auch nicht. Er hat geschrien und um sich geschlagen. Dabei wollte ich nur an die Wärme. Ich sterbe, wenn ich nicht an die Wärme komme.“ „Das tut mir leid. Dennoch, du hättest ihn nicht beissen dürfen. Er ist ein Freund aller Tiere, ein Nachfahre der Allessehenden.“ „Das habe ich gesehen, aber ich habe auch noch etwas andere gesehen: Wut und Angst, unserer Art gegenüber und er hat Blut von meinen Vorfahren an den Händen.“ „Dann hast du ihn deswegen gebissen?“ „Nein ich wollte das nicht, aber eben er hat mich geschlagen. Ich dachte er schlafe. Er hat aber nicht geschlafen, wie es scheint. Aber ich glaube ich habe nicht so fest zugebissen. Du solltest ihm dennoch schnell helfen...! Ich will einfach nur leben und meine Ruhe haben. Es ist schon lange Zeit für die Winterruhe.“ „dann wünsche ich dir gute Winterruhe Bruder Schlange und jetzt muss ich gehen.“ „Du bist auch von hoher Abstammung, das spüre ich.“ „Damit hast du Recht!“ Snakeman nahm Marc Huckepack und dann… verwandelte er sich urplötzlich in einen grossen, mächtigen Hirsch. Ehrfürchtig blickte das Reptil ihm nach als er mit mächtigen Sprüngen davon galoppierte, hinunter ins Tal!
Der junge Mann spürte mehrere Erschütterungen nacheinander und für einen kurzen Moment erlangte er sein Bewusstsein zurück. Er spürte wie er auf rauem Fell lag und die Landschaft glitt ungewöhnlich schnell an ihm vorbei. Er befand sich auf dem Rücken eines Tieres, nur langsam begriff er, dass dieses Tier ein Hirsch war. Aber ein Hirsch der ihn trug? Er musste wohl träumen, das Gift der Schlange vernebelte bereits seine Sinne. Er versuchte sich zu bewegen, doch sein ganzer Körper schmerzte. Er trug eine Schiene an seinem Arm. „Frank?“ fragte er leise „Frank?“ „Nur keine Sorge!“ sprach der Hirsch zu ihm „Ich bringe dich in Sicherheit.“ „Frank… aber…“ das kann nicht sein. Du bist…“ Marc konnte seinen Satz nicht vollenden, denn er fiel zurück in die Dunkelheit, hinunter in einen gewaltigen Strudel, den Strudel seines tiefsten Unterbewussten… und dort unten wartete sie wieder, die Schlange, die Schlange die ihn und Nathalie im Traum bedroht hatte! Sie war nun noch grösser und bedrohlicher und alles ihn seinem Innern, wollte sie bekämpfen. Sie kam immer näher und näher wand sich, schlang sich um ihn herum. Er schien machtlos. Er wollte sein Messer hervorholen, auf sie einstechen, doch das Messer war auf einmal nirgends zu finden. Er keuchte, atmete schwer, glaubte er werde sogleich zerdrückt, zerrissen in all seine Einzelteile.
Und so war es tatsächlich, er wurde wahrlich in seine Einzelteile aufgespaltet, doch er starb deswegen nicht, er lebte weiter, sein tiefstes innerstes Sein konnte nicht vernichtet werden, es war ewig und unsterblich und leuchtete wie ein Kleinod… Und… auf einmal hatte er keine Angst mehr, sondern betrachtete all seine Bestandteile, die wie Sterne in einem Universum um ihn herum schwebten, irgendwie von Aussen. All seine Eigenschaften all seine Gedanken, sie schwebten da, einige davon waren nur noch Ballast und sobald er sie anhauchte verglühten sie, wie die Funken eines Feuerwerks. Diese Dinge brauchte er auch nicht mehr. Dazu gehörte auch seine Angst, seine Angst vor der Vernichtung und dem Tod an sich. Denn der Tod seines Alten Ichs war zugleich eine Wiedergeburt seines neuen Ichs, das nun frei von allem unnötigen Ballast war. Die Schlange liess nun von ihm ab und schraubte sich weit hinauf ins Universum, sie umspannte alles und dann… verwandelte sie sich in eine riesenhafte Regenbogenschlange!
Marc konnte es kaum fassen und blickte tief berührt auf das bunte Farbenspiel. „Aber, du bist ja gar nicht so böse wie ich dachte!“ rief er der Schlange zu „du hast mich befreit, befreit von meinem Alten Ich.“ „So ist es!“ gab die Schlange mit mächtiger Stimme zurück. „Ich gebe dir die Möglichkeit alles ganz neu zu ordnen. Das ist es doch, was du eigentlich wolltest.“ „Ja, du hat Recht, jetzt begreife ich das erst.“ „Sieh dir all deine Aspekte gut an und dann lerne immer mehr zu verstehen!“ rief die Schlange. „Was willst du mitnehmen in dein neues Leben, was willst du zurücklassen und was… willst du näher ergründen? Möglicherweise die Angst vor mir und meinesgleichen?“ „Ja, du hast Recht, das sollte ich wirklich mal anschauen! Woher also kommt diese Angst, hängt sie mit andern Ängsten zusammen?“ „Das gilt es herauszufinden. Steig an meinem Schwanz empor und du wirst die Wahrheit finden, eine Wahrheit die weit zurückliegt, weit zurück in einem anderen Leben, als du noch Kangi der Rabe warst und um alle Magie der Welt gewusst hast.“ Marc zögerte einen Moment „aber wenn ich sterbe bevor ich dorthin komme wo du sagst? Immerhin habe ich einen Klapperschlangenbiss, er kann tödlich sein, wenn… ich nicht rechtzeitig zu einem Arzt komme.“ „Oh nein, du wirst nicht sterben Kai… noch nicht. Denn es gibt für dich noch zu viel zu tun und zu viel wieder gut zu machen.“ „Du meinst bei Nathalie?“ „Ja auch, aber nicht nur das Kai, es gibt noch so vieles mehr. Du hast bisher dein Leben nur geträumt. Es wird Zeit endgültig wieder zu erwachen, zu einem ganz neuen Dasein! Altes muss sterben, damit Neues Platz findet. So komm denn nun, ich will dir etwas zeigen!“
Marc zögerte noch eine Weile und blickte sich um. Noch immer schwebten all seine Aspekte um ihn herum, welche sollte er nun wieder zu sich nehmen, welche zurücklassen? Er konnte ja nicht in diesem Zustand bleiben, immerhin waren das alles Teile von ihm. „Du wirst nach dem was ich dir gezeigt habe besser wissen, was du in dein neues Leben mitnehmen willst… Kangi“ beruhigte ihn die Schlange. So tat Marc wie ihm geheissen und stieg den Schwanz der Schlange empor immer weiter hinauf, bis zu ihrem Kopf und dort befand sich eine seltsame Tür, eine Art Himmelspforte.