Jason
Jason Patel, gehörte bereits zur dritten Generation, welche hier in England lebte. Er war hier geboren. Seine Grosseltern waren einst aus Nigeria ausgewandert und Jason hatte sich hier bereits ein gutes Leben aufgebaut. Er war ein Computerspezialist in einer grossen Firma und erlebte alle neuesten Entwicklungen immer hautnah mit (meistens war er daran sogar selbst beteiligt). So auch die gewaltige Expansion der sozialen Netzwerke und ihren immer grösser werdenden Stellenwert. Er war 28 Jahre alt und wuchs in einem der Aussenbezirke von London auf. Seine frühe Kindheit verlief recht ruhig. Bis sich seine Eltern, als Jason 8 Jahre alt war, trennten. Sein Vater neigte zu Jähzorn und ab und zu rutschte ihm dann die Hand aus. Bei seiner Frau, ebenso wie bei seinem Sohn. Die Trennung machte Jason ziemlich zu schaffen, denn er vermisste seinen Vater, auch wenn er immer Angst vor selbigem gehabt, ihn manchmal gar gehasst hatte. Seine Mutter gab ihr Bestes. Sie hatte zwei Jobs gleichzeitig, um sich selbst und vor allem ihren Sohn, über Wasser zu halten. Es fehlte Jason deshalb an nichts. Um seine Mutter, zu welcher er eine sehr enge Bindung hatte, zu unterstützen, nahm er, wann immer möglich, kleine Gelegenheitsjobs an.
Schon ziemlich früh, wurde seine Affinität für Computer sichtbar. Das war in der modernen, digitalen Welt ein grosser Pluspunkt. Immer wieder unterstützte er Schulkameraden, Freunde oder Verwandte bei Cormputerfragen und deren effiziente Lösung. Das sprach sich bald herum und er bekam immer mehr Aufträge. Schliesslich war es für ihn an der Zeit eine Ausbildung zu beginnen. Was für eine, das war nahezu vorprogrammiert. Er wurde Software Spezialist und war als solcher, massgeblich daran beteiligt, die hochmodernen Computer und Handys, stets mit den neuesten Gadgets auszurüsten. Die unglaubliche, technische Entwicklung innerhalb der letzten Jahrzehnte, faszinierte ihn und immer wieder gab es neue Überraschungen.
Als die hochentwickelten Implantate kamen, welche den Menschen unter der Netzhaut eingepflanzt wurden und in denen jegliche Informationen über den Menschen selbst und andere Menschen gespeichert waren, hatte Jason jedoch kein wirklich gutes Gefühl. Dennoch, half er dabei die Implantate zu programmieren und liess sich schliesslich selbst eines setzen. Das gehörte einfach in die moderne, digitalisierte Welt und wurde mit der Zeit sogar an vielen Orten (London und seine Aussenbezirke eingeschlossen) obligatorisch. Durch seine aussergewöhnlichen Talente und innovativen Ideen, machte er seinen Vorgesetzten auf sich aufmerksam und dieser meinte schliesslich, bei einem Standortgespräch, dass Jason gute Chancen auf einen CEO (Chief Executive Officer)- Posten in der Abteilung Entwicklung und Anwendung hätte. Da die Firma in der Jason arbeitete, auf globaler Ebene tätig war, gab es noch einige andere Anwärter, von denen dann, neben Jason, noch fünf andere in die engere Wahl gekommen wurden.
Einer dieser Anwärter, arbeitete am selben Ort wie Jason und würde sich bald als ziemlicher Kotzbrocken erweisen. Sein Name war Mike Jones. Er war drei Jahre älter als Jason und bereit über Leichen zu gehen, um an den begehrten Posten zu gelangen. Jason war sich, als er von seiner möglichen Beförderung erfuhr, noch nicht im Klaren, was noch alles auf ihn zukommen würde. Bisher war sein Leben in gut geordneten Bahnen verlaufen. Sein Bewertungs- Score schwankte meist so zwischen 4.5 und 4.6 und auch sonst lief es in seinem Leben sehr gut. Die Frauen mochten ihn, er lebte in einem schönen Haus im Coconut Cove, wo alles vom Feinsten war, hatte noch immer einen liebevollen Kontakt zu seiner Mutter und auch sein Job gefiel ihm bisher sehr.
Eines Tages, als er wie üblich an seinem hochmodernen Computer sass und mit einer sehr wichtigen Programmierung, zur erleichterten Bedienung eines neuen Handy Apps beschäftigt war, spürte er auf einmal einen Stoss im Rücken und ein heisser Schwall von Kaffee, ergoss sich über seine Schultern und durchnässte sein weisses Hemd. Es brannte ziemlich und Jason sprang mit einem Fluch auf. Sogleich wendeten sich ihm alle Köpfe zu, denn Fluchen war äusserst verpönt in der heutigen Gesellschaft. Einige zückten sogar gleich ihr Handy, um Jason mit einer schlechten Wertung abzustrafen. Doch Jason war vor allem damit beschäftigt, wer ihm nun den heissen Kaffee über die Schultern gegossen hatte. Hinter ihm stand Mike, mit heuchlerischen Mine. «Oh oh, das tut mir aber leid!» rief er und begann mit einem Taschentuch ziemlich sinnlos auf Jasons Schulter herum zu tupfen. Diese schaute nach dem ersten Schreck zuerst, ob sein teurer Computer durch den Kaffee auch keinen Schaden genommen hatte und stellte erleichtert fest, dass alles noch heil war «Ist schon ok…» murmelte er, «ist nicht so schlimm.» «Ich hoffe du hast keine Schmerzen,» sprach Mike «ich bin wirklich untröstlich!» Seine Stimme klang dabei viel zu süss. Jason runzelte leicht die Stirn, blieb jedoch ruhig und winkte nochmals ab.
Er ging zur Toilette und schaute, ob er den Fleck mit Wasser und Seife entfernen konnte. Doch das war hoffnungslos. Zum Glück hatte er noch ein T- Shirt dabei. Er brauchte es, um am Mittag jeweils seine Jogging Runde zu drehen. Denn das ständige Sitzen vor dem Computer, meist in einer eher unbequemen Haltung, weckte ihn ihm die Sehnsucht nach Bewegung, in der Mittagspause, die er fast immer hier verbrachte. Manchmal arbeitete er auch von zu Hause aus. Heute jedoch nicht. Während er sich umzog und die von dem heissen Kaffee gerötete Haut, die doch etwas schmerzte musterte, dachte er über Mikes seltsames Verhalten nach. Man musste sich wirklich schon sehr ungeschickt anstellen, wenn man jemand anderen mit seinem Kaffee übergoss. Denn jeder arbeitete normalerweise in seiner eigenen kleinen Abteilung und lief eigentlich kaum mit dem Kaffee im ganzen Büro herum. Da es um jede Abteilung, also um jeden Schreibtisch der Mitarbeiter niedrige Trennwände hatte, passierten solche Malheure eigentlich nie. Es sei denn… jemand beabsichtigte es! Wieder runzelte Jason seine Stirn. Ob Mikes seltsames Verhalten wohl mit dem neuen Posten als CEO zu tun hatte?
Nachdenklich ging er zurück ins Büro und sah dort Mike, welcher mit einigen Kollegen leise sprach und dabei lachte. Als Jason wieder zurück kam, musterten sie ihn leicht grinsend.
Was sollte das? «Cooles T-Shirt!» sprach Mike. Man merkte, dass er sich über Jason lustig machte. «Dabei hat der Kaffeefleck doch noch ganz gut zu seiner Hautfarbe gepasst,» sagte er an seine Kumpels gewandt, aber nur so laut, dass diese es hörten und Jason auch noch ganz knapp. Erneutes Gelächter, war die Folge. Jason überlegte, ob er darauf reagieren sollte, doch entschloss sich dann anders. Es reichte schon, dass er sich zum Fluchen hatte hinreissen lassen. Er würde sich bestimmt nicht von diesen Idioten provozieren lassen! So schwieg er und setzte sich wieder an seine Arbeit.
Gegen Abend, holte ihn seine Freundin Tracey Hill im Büro ab. Sie war eine hübsche, dunkelhaarige Frau, nicht sehr gross und wohlgeformt. Ihr dunkelbraunen Augen, in ihrem natürlich gebräunten, südländisch aussehendem Gesicht, leuchteten wie Sterne. Ihr Lächeln war bezaubernd und sie hatte ein sehr gutes Herz. Besonders das liebte Jason so an ihr.
Bisher hatten die Kollegen im Büro nie speziell darauf reagiert, wenn sie kam. Doch diesmal begannen Mike und einige andere Männer erneut zu scherzen. «Wow, seht mal! Unser Jason wird von seiner Angebeteten Miss Hill abgeholt!» Und dann etwas leiser «Diesen Venus- Hügel, würde ich gerne mal besteigen!" Jason hatte sich fest vorgenommen, die dummen Schwätzer einfach zu ignorieren, doch jetzt da sie seine Freundin beleidigten, sah er rot. Er hielt inne und ging zu dem Kollegen, der das mit dem Hügel gesagt hatte. «Was ist dein Problem, Mann?» fragte er diesen wütend und baute sich vor selbigem auf. «Du beleidigst meine Freundin, das dulde ich nicht!» «Ach ja?» fragte der Angesprochene gestärkt vom Gelächter seiner Kumpanen «und was willst du tun?» «Entschuldige dich sofort bei Tracey, dann vergesse ich das Ganze vielleicht.»
Alle Leute des Büros sahen nun von ihren Pulten auf und beobachteten das Geschehen. Viele wussten nicht, was da genau vor sich ging, sie sahen nur Jasons angespannte, bedrohliche Haltung. Mike rief heuchlerisch in die Runde. «Kein Problem Leute! Jason glaubt, dass wir seine Freundin belästigt haben. Dabei haben wir nur ein wenig über unsere schönen Wanderungen in den Highlands Hügeln geredet und welchen Hügel wir gerne noch besteigen würden. Jason glaubte fälschlicherweise, wir wollen seine Freundin beleidigen, ist alles nur ein Missverständnis!» Einige der Anwesenden schüttelten verständnislos den Kopf.
«Hej J.!» meinte Tracey und legte ihre weiche Hand auf den Arm ihres Partners. «Bestimmt ist das alles wirklich ein Missverständnis.» Es sah ganz so aus, als hätte Tracey die Worte dieses Mistkerls nicht vernommen. «Nein!» protestierte er «Das ist keine Missverständnis. Ich habe es doch genau gehört!» Jason kochte vor Wut und nun auch vor Hilflosigkeit. Er blickte in die Runde. Niemand schien auf seiner Seite zu sein. Auf einmal glaubte er, in einem üblen Film gefangen zu sein, aus dem es keine Entrinnen mehr zu geben schien. Erneut spürte er Tracey’s Hand, die seinen Arm nun leicht drückte. «Komm, lass uns gehen!» Jason zögerte einen Moment. Doch er wollte sich vor Traceys Augen nicht in ein Handgemenge mit Mike und seinen Kumpanen einlassen. Demonstrativ nahm er jedoch sein Handy hervor und richtete dieses auf jeden einzelnen der Provokateure. Dann drückte er das 1- Sterne Symbol. Wenigstens sollten sie bei ihrem Beliebtheits- Score, seine Verachtung zu spüren bekommen. Sogleich nahmen jedoch die anderen auch ihre Handys hervor, darunter auch fast alle aus dem Büro und richteten ihre Handys auf Jason. Auch sie drückten einen Stern, vermutlich ebenfalls das 1 Sterne Symbol, nach seinem Score zu urteilen, der kurz danach einen Einbruch von fast 0.2 Punkten aufwies.
«Ich kann das einfach nicht glauben! Diese elenden Mistkerle!» fluchte er, als er bei Tracey im Auto sass und sie zusammen nach Hause fuhren. «Was war denn da nur los?» fragte die junge Frau etwas vorwurfsvoll, «warum legst du dich auf einmal mit deinen Mitarbeitern an? Du weisst doch, dass wir mit Immigranten- Wurzeln, immer mehr Mühe haben, einen guten Score zu bekommen und auch zu erhalten. Deine Wertung ist gerade total in den Keller gegangen. «Was kümmert mich dieser Scheiss!» rief Jason zornig. «Sie haben dich beleidigt, haben dich anzüglich angesehen und der eine sagte: «Diesen Venus- Hügel würde ich auch mal gerne besteigen. Das war doch ganz klar eine sexistische Aussage und du machst mir noch Vorwürfe, weil ich deine Ehre verteidigt habe!»
Tracey wirkte etwas erschrocken «Das hat er gesagt?» «Ja, Mann!» «Dieser Vixer!» entfuhr es der jungen Frau und gleich darauf, mussten die beiden wieder lachen. «Auch gut sind wir beide allein hier, sonst hätte dich das V. Wort gleich 0.2 Punkte gekostet!» prustete Jason. «Ja. Aber wie gesagt, wir sind allein. Danke dass du meine Ehre retten wolltest.» Ein Schatten glitt über Jasons Gesicht «Nur dass das niemand begriffen hat. Sie haben ja nicht gehört, was ich gehört habe. Sie haben nicht gesehen, was ich gesehen habe. Seit ich das neue Jobangebot bekommen habe und Mike auch zu der engeren Auswahl gehört, beginnt er mich irgendwie zu mobben. Bisher war das nie so. Mein Score war auch wirklich noch nie so weit unten. Er versteht sein Handwerk. Ich stehe als Bösewicht da, während er immer mehr dieser Dummköpfe um sich schart.»