Am ersten Novembertag des Jahres 2018 lastete dicker grauer Nebel über dem Kontinent Belletristica. Es war an diesem Donnerstag unmöglich gewesen den kristallblauen See im Biotopenreservat vom Fenster auszusehen. Am frühsten Morgen hatte noch ein einsames Licht aus dem Fenster des Hauses in den Garten geleuchtet, doch derjenige der es brauchte hatte schon Stunden zuvor dieses verlassen. Felix H, der anerkannte Meisterbellologe, war in einer warmen Flauschjacke, bepackt mit einem Rucksack und in einer Kapuze förmlich vergraben in wissenschaftlicher Mission unterwegs. Die nasse und klamme Kälte, welche um ihn umgab, machte ihm nichts aus, er hatte sein heutiges Ziel fest vor Augen und das wollte er unbedingt erreichen. Erreichen bevor... Er schüttelte sich. Warum hatte er noch gleich eingewilligt gehabt? Er müsste fortan Rücksicht nehmen, wenn noch jemand im Biotopenreservat wohnen würde. Schreiben, Aufstehen und Gehen wann man wollte, waren ihm doch schon wichtig. Aber, so dachtem er, man wüsste nie wie das Leben spielen würde, jemanden zu unterweisen war also nicht der schlechteste Gedanke. Er blieb stehen. War da gerade ein Rascheln gewesen? Nein er irrte sich. Das war die Hoffnung, welche aus ihm sprach. Endlich diese verflixte Art sehen, vielleicht sogar fangen und für den Bellepark gewinnen, um weitere Studien durchzuführen. Wissenschaft, ja das war es, was ihn antrieb, auch durch diese dicke Nebelsuppe. Wusste er eigentlich, wo er war? Er hatte mehr oder weniger überstürzt das Haus verlassen, als er seine Gelegenheit erkannte. Aber auf eine Exkursion durch den dichten Nebel war er nur mäßig vorbereitet. Wäre er nicht so fasziniert von der Natur hätte er nun mit einer heißen Schokolade eines seiner Bücher lesen oder gar etwas Neues schreiben können. Der Gedanke wärmte ihn nicht, er erinnerte ihn nur daran, wie kalt es doch an diesem Tag war und das mit der unangenehmen Nässe war nun wirklich nicht ein schönes Leben.
Die Sonne begann allmählich die dichten Nebelschwaden zu durchdringen und Felix erkannte, dass er wohl doch etwas östlicher geraten war, als er vorhatte. Eigentlich wollte er in Richtung des Namenlosen Bergs, doch mit der aktuellen Richtung würde er zu Taverne kommen. Wenn er sein Geflügeltes Wort rufen würde, könnte er seine heiße Schoki vielleicht in der Taverne trinken, vielleicht wären ein paar Autoren da und vielleicht würden sie eine Party machen. Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Aber vielleicht war er Felix H. der Bellologe, der sein Ziel nicht aus den Augen verlieren würde. Er würde umkehren ohne jeden Zweifel und dann würde er seine Nachforschungen anstellen. Eine neue Art!, dass motivierte ihn sehr. Es war neu. Faszinierend und vor allem eine Spezies, die noch keiner zuvor gesehen hatte. Das war es was ihn morgens zu frühster Stunde aufstehen ließ oder Nächte durcharbeiten. Er würde ihn finden!
Der Nebel hing nur noch in den Flusstälern fest, salzige Luft wurde mit dem Wind ins Land getragen. Die feuchte, leicht muffige Nebelluft verband sich mit der reinen, salzigen Luft des Meeres und gebar etwas Neues, Wohlriechendes. Felix war noch immer in den Wäldern östlich der Taverne, er hatte etwas Rast gemacht, aber zufrieden mit seinem Weiterkommen war er nicht. In diesem Tempo würde er den Namenlosen Berg nicht mehr erreichen und wer wusste schon, ob am nächsten Morgen wieder Nebel war? Doch auch der Nebel des heutigen Tages hatte sich weit zurückdrängen lassen. Felix H. blickte von der Anhöhe aus in die weite Ebene. Das Gras war noch feucht von dem Meer aus Nebel, doch nun konnte man weit blicken. Etwas lag in der Luft, doch was war es?
"BANKKREDIT JETZT SOFORT KOSTENGÜNSTIG!", brüllte plötzlich eine grauwarzig Kreatur. Ihre hakenförmige Pickelnase in die Luft geregt und die spitzen Zähne entblößend. "BANKKREDIT JETZT SOFORT KOSTENGÜNSTIG!" Felix seufzte, ein Spamer auch das noch, dieser Tag wollte heute nicht gut werden. Mit einer Drehung seines Arms aktivierte der Bellologe seine Modwaffe: Flauschigkeit.
"BANKK...", ein gebündelter Energiestrahl zerfetzte den Spamer in Sekunden schnelle, nichts würde an ihn mehr erinnern.
"First Blood.", äußerte eine kleine Stimme anerkennend.
"Ah hallo Takki.", begrüßte Felix die lilahaarige Fee des Spiels.
"Schön dich zu sehen Flausch, was machst du hier?"
"Ich suche eine neue Art, den Schlaufuchs."
"Aber die soll es doch nur in Sagen geben."
"Feen auch und trotzdem stehe ich vor einer.", zwinkerte Felix ihr zu.
"Und dafür bist du bei dem Wetter rausgegangen?"
"Klar, und was bringt dich hier raus?", fragte der flauschige sich an die Stelle nieder kniend, wo der Spamer sein Leben ließ.
"Ach ich habe nur mit ein paar neu dazu gekommenen Usern Extremes Verstecken gespielt."
"Extremes Verstecken?", entgegnete Felix mit einer hochgezogenen Augenbraue. Ja doch! Das war tatsächlich eine Granatentraube in vollem Fruchtstand und das zu dieser Jahreszeit! Schön das sie keinen Schaden durch den Spamer genommen hatte.
"Na bei dem Nebel ist das doch super schwierig und bis man die anderen gefunden hat, vergeht ein ganzer Vormittag.", lachte Takaro mit einer Schweißperle, wie ein Küsten-Bananendieb.
"Oh Takki. Du hast keine Ahnung wo sie sind und brauchst jetzt Hilfe beim suchen, oder?"
"Ähhhmm."
Und wieder hatte der Flauschige zu seufzen, vielleicht wollte der Schlaufuchs ihn so dazu bringen, seine Fährte zu verlieren. Aber Felix würde ihn kriegen, hundertprozentig. Doch erstmal würde er Takki helfen, bevor sie von Ben einen Kopf kürzer gemacht werden würde. Ja diese Granatentraube war wirklich seltsam, die Früchte in vollem Stand und die Blätter ummantelt von Eis.
Ein Schrei riss den Meister Bellogen aus seinen Gedanken.
"D.Da.Das war Newgirl!", stellte Takki erschreckt fest.
"Scheiße!", Felix griff nach ein paar der Früchte der Granatentraube. "Komm Takki! Komm! Keine Zeit zu verlieren!", schneller als Füße einen Menschen tragen konnte, rannte Felix in die Richtung, aus welcher der Schrei gekommen war. Und leider genau das, was er erwartet hatte: Neue User umringt von Winterdämonen. Ein kleines Schwadron, kaum 1200 Monster stark, aber zu mächtig für User die sich erst an diesem Tag angemeldet hatten. Sie hatte noch keinen kreativen Schutzschild aufgebaut. Unmöglich das sie länger in der Nähe dieser Kreaturen aushalten konnten. Felix verfluchte innerlich, dass er gerade nicht Creativity trug, aber es brauchte ein Upgrade und Lizzy musste es dafür in die Werkstatt mit nehmen. Ja es gab nur eine Möglichkeit. Diese Möglichkeit. Geringe Chance auf Erfolg, aber wenigstens eine Chance.
"Takki, wenn ich die Winterdämonen mit Flauschigkeit attackiere, bring die Neuen in Sicherheit."
"Aber Mod-Waffen sind doch wirkungslos gegen Winterdämonen?"
"Zur Ablenkung wird's reichen."
"Und dann?"
"Lass das meine Sorge sein. Wir müssen handeln: Und zwar jetzt!", kaum hatte er seinen Satz beendet machte der große Flausch einen Sprung in die Szenerie. Er feuerte mit Flauschigkeit auf den obersten der Schwadron und seine Lakaienschaft.
"Noch einer! Ha, denkt er doch Modwaffen wären gegen uns gemacht. Tötet ihn! TÖTET IHN!", befahl er seinen Lakaien, die zu dummen waren gleich beim ersten Ausspruch zu verstehen, was ihr Herr und Gebieter wollte. Doch dann stürmte das Pack auf den Bellologen zu. Nicht nur jene, welche den Flausch gespürt hatten, sondern auch jene, welche die neuen User einkesselten. Takki nutze die Gelegenheit und wies den neuen Usern den Weg in die Sicherheit. Doch was sollte sie tun? Felix einer ganzen Schwadron dieser Kreaturen überlassen? Nein sie musste eingreifen.
"TAKKI GEH VERDAMMT! MACH WAS ICH GESAGT HABE UND HOL DANACH VERSTÄRKUNG!", brüllte der flauschige ihr zu, des es mit Hunderten von Keulen, Schwertern und Äxten zu tun bekam. Die Winterdämonen, welche die menschliche Sprache verstanden wollten sich gerade zu Takki umdrehen.
"IHR MISTVIECHER HIER SPIELT DIE MUSIK! Granadeuva purpura!", was klang wie ein Zauberspruch waren zehn gefechtsbereite Granatentrauben, welche in die Reihen der Bestienkrieger flogen und sogleich explodierten. In dem Rauch war nicht auszumachen, wie viele der Winterdämonen die Explosion der kreativen Waffe überlebt hatten, aber es würden, sobald der Rauch verschwunden war, noch genügend dreckig, finstere Zinnsoldaten stehen. Takki beeilte sich, je schneller die Neuen in Sicherheit war, desto größer die Chance einen alten User zu retten. Sie folg so schnell sie ihre kleinen Flügel trugen, während die verängstigenden User ihr folgten.
Der Rauch legte sich. Von den 1200 Monstern waren 1000 gefallen, neun schwer verletzt, aber noch 191 bei bester Gesundheit und er hatte keine Granatentrauben mehr. Nur einen Bleistift, aber damit ließ sich immer nur eines der Monster töten. Wie sollte er fast 200 damit töten.
"Du bist am Ende User!", lachte der General finster.
Felix konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
"Was ist so witzig?!"
"Weißt du?", den Bleistift ziehen, "Je größer das Ziel, desto größer die Motivation!"
Mit einem manischen Schrei stürzte der Bellologe auf einen der Winterdämonen und durchbohrte dessen Herz und ein weiteres noch dazu. "Hundertneunundachtzig! Challenge accepted!"
Takki war mit den Neulingen schon fast über die Berge gelangt, da kam ihr Luan T. Nexi entgegen. "Hallo Takki, warum die Eile? Spielt ihr Fangen?", fragte Lu ganz unbedarft. Takki riss die Augen auf: "Lu! Wir brauchen Verstärkung! Wir wurden von über Tausend Winterdämonen überfallen. Felix hält sie in den weiten Ebenen alleine auf. Lu..."
Doch Lu war verschwunden.
Mit drei Hieben hatte Felix wieder zwei Dämonen das Leben genommen. Aber ihm schwanden allmählich die Kräfte und jeder Gegenangriff schmälerte sein kreativer Schutzschild. Es waren nur noch 20, doch der Bleistift gab langsam seinen Geist auf. Wie viele konnte er noch damit besiegen? Würde Verstärkung kommen? Wäre sie rechtzeitig? Blut rann ihm inzwischen über sein Auge, die Geschwindigkeit von Kill-Nummer 89 hatte er falsch eingeschätzt. Außerdem hatte ihn Kill-Nummer 112 am Arm und Kill-Nummer 160 am Bein erwischen können. Nur kleine Wunden, aber die unendlich Kraft zerrten. Wieder rannte einer der Axtschwinger seine Waffe über den Kopf halten auf den Bellolgen zu, Felix rannte auf ihn zu, rutschte auf dem nebelnassen Grass über die Wiese, unter dem Dämon hindurch. Ehe dieser sich wenden konnte, wurde sein Leib von einem Bleistift durchbohrt. Eine schnelle Drehung und der Bleistift steckte im Herz von Kill-Nummer 172. Der General der Winterdämonen wusste, dass dieses Spiel nicht ewig gehen konnte, doch noch hatte er Bleistiftfutter und die Waffe seines Gegners würde versagen...
Kill um Kill folgte, es sah so aus, als würde Felix doch noch die Oberhand gewinnen. Doch plötzlich packte Kill-Nummer 189 noch im Sterben den Bleistift fest in seine eisige Hand, schlagartig gefror der Stift und der flauschige musste ihn loslassen, wenn er nicht selber festfrieren wollte. Auf diesen Moment hatte der General gewartet: Einen unbewaffneten User abschlachten, das war schon mehr sein Kampfstiel. Der Koloss stürmte auf den bereits verwundeten Flausch zu. Mit Mühe und Not konnte dieser sich retten. Schlag um Schlag parierte er und wurde doch zunehmend schwächer. Es kam, wie es kommen musste: Felix rutschte entkräftet aus und stürzte. Schmerz durchzog seine Hand. Was war das? ZU SPÄT! Der General bereit für den alles vernichtend Schlag, schleuderte seinen Morgenstern mit brachialer Kraft. "SAG BELLETRISITICA AUF WIEDERSEHEN!"
"BRINGT MIR DEN LOOOOOOOOOOOOTTTT!!!!!!!", ein gellender Schrei unterbrach die Szenerie und etwas schoss aus den Baumwipfeln der Anhöhe hervor und hielt sich im Schein der Novembersonne verborgen. Der General wirbelte umher und blickte in das für ihn so unendlich grelle Sonnenlicht. Im Moment der Blendung erkannte er nicht, dass ein kleines Wesen, bewaffnet mit zwei Bleistiften bereit war ihn zu töten. Man hörte nur noch das Eindringen dieser in einen tiefgefrorenen Körper und das röchelnde Gurgeln eines dahinscheidenden Generals.
"Da bin ich nochmal rechtzeitig gekommen.", sagte Lu, mit verschmitztem Lächeln und völlig aus der Puste. So sehr aus der Puste, dass sie nicht bemerkte, dass noch ein Winterdämon übrig war. Der Rache wollte für seinen toten General. Lu bemerkte ihn zu spät, doch der Flauschige schubste sie aus der Flugbahn des Streitkolbens. Mit Lu im Arm sprang er hinter den Winterdämon, um dessen Hals sich eine rote Schlinge geschlungen hatte. Den Zug, den Felix mit blutenden Händen auf den Hals des Winterdämonen ausübte, lies ihn langsam aber sicher das zeitliche segnen, im letzten Röcheln entsprang ihm noch ein "Was?" ehe er starb.
Felix begutachtete die Schnur, die keine war, in seinen blutenden Händen. "Etwas unkonventionell und schmerzhaft, aber wir können festhalten das Peitschengras sich in der Not super zur Strangulation von Winterdämonen eignet. "
Lu, die bei der finalen Aktion zu Boden gegangen war, schaute zu dem blutend und zersausten Wesen hoch.
War das wirklich ihr Bellologen-Lehrer?