4. April 2016 - 20:00 Uhr
Wir haben gestern den halben Abend damit zugebracht, die Blütenblätter von den Rosen zu zupfen und sie fein säuberlich mit Keramikmessern zu zerkleinern. Wir haben Glück, denn die Blüten scheinen reich an ätherischen Ölen zu sein - bereits als wir sie in kleine Stückchen zerhackten entfaltete sich ein intensiver Duft im Raum, und der Saft der Pflanzen hinterließ nasse Flecken auf den Schneidebrettern.
Nach dem wir sie lange zerkleinert hatten, gaben wir das Material in einen Großen Erlenmeyerkolben und vermengten sie mit reinem Quellwasser (die meisten bevorzugen destilliertes Wasser, um Kalkrückstände zu vermeiden. Ich habe die besten Erfahrungen mit frischem Wasser aus einer Quelle am Pöstlingsberg gemacht)
Mit einem gebogen Glasrohr (Brücke genannt) verbanden wir das Gefäß schließlich mit einem zweiten, und nachdem wir die Mixtur eine Weile lang ziehen gelassen hatten, entfachten wir mit dem Bunsenbrenner darunter ein Feuer.
Bald schon verfärbte sich das Wasser rotbräunlich und ein starker Rosenduft erfüllte den ganzen Raum. Erst bildeten sich nur einzelne Bläschen, sie sich schüchtern am Kolbenrand festsetzten, und nur langsam nach oben blubberten, doch mit der Zeit geriet das Wasser in eine sanfte Zirkulation, und die innenwände der Brücke beschlugen wie der Spiegel im Badezimmer.
Hannah hatte wirklich Spaß bei der Sache. Natürlich hatte sie früher schon destilliert, aber wenn man das auf der Uni Chemie macht, hantiert man ja nur mit Dingen wie Sodiumperoxid und Hexanatrium Monosulfat (Keine Ahnung ob es die beiden wirklich gibt, aber ihr wisst was ich meine). Hier, destillieren wir einfach nur gute alte Rosen.
Destillieren hat so eine ungeheuer beruhigende Wirkung... Ich liebe es einfach, zuzusehen, wie sich der erste Tropfen Kondensflüssigkeit bildet, und in den zweiten Behälter hinab tropft. Unter Alchemisten sagt man, man würde während der Praxis nicht nur das Material, sondern vor allem die Seele des Alchemisten formen. Daher kommt übrigens auch der alte Irrglaube, die Alchemisten würden versuchen Blei in Gold zu verwandeln - das ist rein symbolisch, und damit war stets gemeint "die eigene Seele zu vergolden". Wie man echtes Gold mach wussten sie natürlich, aber ich schweife ab.
Leider konnte ich diesmal nicht die ganze Zeit über zusehen, da ich gewissermaßen an einen Stuhl gefesselt war, wenngleich leider nicht im wörtlichen Sinne... Hannah hatte schon gestern eine behelfsmäßige Blutabnahme-Station errichtet, denn für den Stein der Weisen mussten wir weit mehr destillieren, als nur ein paar Rosen. Seit gestern spendeten wir beide täglich kleinere Mengen an Blut, um so bald wie möglich auf die benötigten 7 Liter zu kommen.
Dann, nach über 24 Stunden Destillation auf kleiner Flamme, war es heute Abend endlich so weit: Unser ätherisches Öl war fertig.
Stolz betrachteten Hannah und ich das Ergebnis im Auffangbehältnis, und den Rest an verschrumpelten, essenzlosen Rosenblättern, die im anderen Kolben übrig geblieben waren. Mit einem Scheidetrichter trennten wir die feine Ölschicht vom Hydrolat und füllten sie in ein leeres, kleines Fläschchen. Der Duft war atemberaubend intensiv.
Das Fläschchen Parfüm überließ ich Hannah - ich schuldete ihr ohnehin etwas, für ihre Hilfe bei meinem Experiment, und außerdem sollte sie ein Andenken an ihre ersten alchemischen Schritte haben.
PS: Ein Blick in unseren Kühlschrank würde ich momentan übrigens niemandem empfehlen, der seinen Magen nicht im Griff hat, denn dort bewahren wir in der Zwischenzeit unser gesammeltes Blut auf, in ebensolchen Behältern, wie Krankenhäuser sie haben.
PPS: Ich kann nicht glauben, dass ich das bis jetzt noch nicht erwähnt habe, aber macht das um Gottes willen nicht Zuhause nach. Hannah hat damals während ihrem freiwilligen, sozialen Jahr gelernt, wie man ordentlich Blut abnimmt - und trotzdem ist es noch unverantwortlich.
Stein der Weisen, wir kommen!
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Meg Out