Shanora hielt die Augen geschlossen, die Wand aus schwarzen Flammen war zu schnell gekommen, sie würden hier verbrennen. Es waren die Flammen, die Finn in Gestalt des Drachens ausgespuckt hatte. Allem Anschein nach konnte der Dunkle diese Macht jetzt ohne eine Verwandlung nutzen. Die Flammen hatten Dämonen einfach verpuffen lassen, welche Chance hatten sie also noch? Aber statt der Hitze umschloss Shanora und die anderen wohlige Wärme. Sie kannte diese Wärme, sie wusste, wer sie verursachte. "Allister", flüsterte sie, die Flammen verschwanden, und auch der goldene Schutzschild um sie löste sich auf. Yalhan und die anderen schienen ebenso unverletzt, aber Allister lag ein paar Meter hinter ihnen, über ihm, mit schweren Verbrennungen am ganzen Rücken, lehnte Treplew. "Was ist passiert?", wollte Church überrascht wissen. Ladira starrte verwirrt auf die ganze Szenerie: "Allister hat seine letzten Kräfte mobilisiert, um uns alle zu schützen, für ihn selbst hat es aber nicht mehr gereicht. Plötzlich konnte ich spüren wie dieser Schänder das Ritual unterbrach, um Allister aus der Gefahrenzone zu bringen. Es ging unheimlich schnell und ich verstehe es nicht!" Treplew erhob sich, seine Hörner, wie auch die anderen Änderungen, die der Dunkle an seinem Körper vorgenommen hatte, schienen sich aufzulösen, und als goldener Staub auf die verbrannte Erde zu rieseln. Zurück blieb die strahlende Erscheinung von Ezra, Allisters großem Bruders. Sein langes Haar glänzte Goldblond, hatte den grauen Schimmer abgelegt und schien wie das von Allison sanft über seine Schultern zu fallen. Seine Stimme war vom Wahnsinn befreit: "Ich habe mein Versprechen gehalten, mein Bruder!" Allister schnappte erschrocken nach Luft, als Ezra ihm ein Foto übergab. Die Aufnahme hatte er Sassy vor Jahren zugesteckt, als er und Allison auf der Suche nach Ezra auf sie gestoßen waren. Sie hatte es ihm tatsächlich übergeben. Und das alte Foto hatte sein Herz tatsächlich erreicht und ihn an die Liebe zu seinen Geschwistern erinnert. "Der Dunkle konnte zwar meinen Willen brechen und meinen Körper kontrollieren, aber er hat nie meine Liebe zu dir beenden können", sprach Ezra weiter, "auch nicht als er mir die Identität nahm. Und aus mir Treplew, den Schänder, machte!" Allister stiegen Tränen in die Augen, als Ezra's Gestalt sich weiter auflöste. Er schien immer heller und durchsichtiger zu werden, als wäre sein eigentlicher Körper schon lange zerstört worden. Nur seine Seele schien noch zu verweilen."Ich erwarte nicht, dass du mir vergeben kannst, was ich getan habe! Ich liebe dich über alles mein Bruder, es reicht mir dich zumindest einmal richtig beschützt zu haben! Es tut mir Leid, dass ich Allison nicht retten konnte, und dem Dunklen weiter gedient habe... Ich wünschte ich hätte mehr für dich tun können!"
Allister konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten, er griff nach Ezra's Hand, diese schien aber nicht mehr greifbar: "Was passiert jetzt mit dir? Wohin gehst du?" Neben ihnen erschien ein helles Licht, Evas Gestalt manifestierte sich, ihren Rücken zierten große goldene Flügel.
"Ezra wird mit mir in die hohen Himmel aufsteigen, dort kann er auf dich warten!", erklärte sie dem Elf und lächelte ihn sanft an. "Du?", Ezra schien sie zu kennen, "Dann warst du doch ein Engel!"
Allister starrte verwirrt zwischen den beiden hin und her, ihre Gestalten verblassten bereits stark. "Als Mutter mit dir schwanger war hatte sie plötzlich starke Schmerzen, sie war sich sicher das Kind zu verlieren! Aber dann kam eines Nachts eine Frau in ihr Schlafgemach und berührte ihren Bauch! Niemand außer Mutter und mir hat sie gesehen, Vater hielt das für ein Hirngespinst. Nicht einmal Allison hat mir das geglaubt! 2 Monate später kamst du gesund zu Welt! Nur statt wie wir alle blond zu sein war dein Haar pechschwarz so wie das Ihre. Und deine Augen glänzten wie flüssiges Gold!", erklärte Ezra und berührte Allister kurz an der Stirn, dann war seine Gestalt verschwunden. Eva verweilte noch einen Moment: "Ich habe dir damals einen Teil meiner Kräfte gegeben, das hat dein Aussehen verändert! Ihr müsst Did finden, wie Finn sagte. Ihr müsst diesem Monster endlich ein Ende setzen!" Allister nickte und auch ihre Gestalt verschwand. Ezra hatte es am Ende also doch noch geschafft sich dem Willen des Dunklen zu widersetzen. Das hatte ihm einen Platz in den hohen Himmeln an Evas Seite gesichert. Er verdankte ihr allem Anschein nach sein Leben und seine außergewöhnlichen Kräfte. Nur wer war Did und wie sollten sie diese Person finden? Sollte der Wächter der alten Pforte im Wald des Limbus recht gehalten? "Um den dunklen Wanderer zu finden, müsst ihr durch die Pforte
unter dem Baum gehen, aber was euch dort erwartet wird jenseits von allem
erlebten liegen! Osilia wird euch vernichten!", hatte er prophezeit. Chruch hatte in der Zwischenzeit den Dunklen erreicht und setzte ihm, gemeinsam mit Marbas, genug zu um ihn von Finn fernzuhalten. "Was ist das neben Finn?", Marbas betrachtete den Jutesack, der die Größe eines Menschen hatte. Auch die Aufmerksamkeit des Dunklen schien in diesem Moment darauf zu fallen. Seine Augen weiteten sich: "Dieser einfältige Finn, wie kann er es wagen mich zu bestehlen? Was bildet sich der Junge ein?" Church erkannte, das was auch immer der Beutel beinhaltete, Finn es aus gutem Grund mitgebracht hatte. Der Dunkle versetzte Marbas einen Stoß mit der Hand der ihn zuerst einige Meter in die Luft katapultierte, dann schlug er unsanft hinter Church auf. Er wollte sich den Beutel holen. Church war schneller, Fäden schlossen sich um den Jutesack und hoben ihn aus der Gefahrenzone, zurück zu den anderen. "Du bist langsam", provozierte er den Dunklen, "aber was war von einem alten Mann anderes zu erwarten?" "Dieser Körper ist noch neu für mich!", knurrte der Dunkle, "Trotzdem finde ich es äußerst interessant dich wieder zu treffen, Church! Es ist lange her und ging für dich nicht prickelnd aus! Aber das ist nicht die ganze Wahrheit... Auch du wurdest immer nur belogen und benutzt! Komm mit mir und ich werde dir sagen was du zu wissen begehrst!" Church ließ sich nicht irritieren und begann den Dunklen erneut mit seinen Fäden anzugreifen. "Ich war ein Kind als du mir mein Herz geraubt hast!", Church grinste und versetzte dem Dunklen einen Tritt, der ihn ein paar Meter von ihm schleuderte, "Aber deine Tochter war so nett es mir zurückzugeben!" Der Dunkle schrie erbost auf, die Zerstörung seines geliebten Schwertes, durch seine Kinder, hatte er beinahe vergessen. Er wich Churchs Fäden aus und griff nach dessen Brust: "Ich werde mir dein Herz zurückholen!" Church schleuderte ihn wieder zurück, er schien seine neuen Kräfte wirklich noch nicht kontrollieren zu können. "Du hast versagt", Church lachte ihn nun aus, "selbst dein Hündchen, Treplew, hat dich verraten!" Der Dunkle schnappte nach Luft, teile seines Gesichts wurden von schwarzen Schuppen überzogen. "Ich habe die Liebe zwischen Geschwistern unterschätzt!", murrte er und fixierte Church, "Ich dachte, ich hätte Treplew gebrochen, trotzdem hat er sich, als es um Allisters Leben ging widersetzt! Aber das ist egal, Finn wird das nicht überleben!" Schwarze Flammen schossen aus seinem Mund, er wollte Finn und Church verbrennen.
Church gelang es allerdings ein paar seiner Fäden um den Dunklen zu Schlingen, er drückte auf seine Kehle und stoppte das Feuer: "Sei endlich still! Du wirst uns nicht besiegen!" Das düstere Lachen des Dunklen erschallte: "Ich werde euch in eurer Trauer und Wut nun zurücklassen. Der Limbus und die Unterlande werden mir gehören, genau wie Elensar! Und diesmal wird der weiße Thron endgültig fallen!" Dann wanderte sein Blick zu Shanora, die sich zitternd wieder aufgerichtet hatte: "Es ist doch ein jammer, ihr alle habt meinen Sohn verraten, obwohl er für euch sterben wird! Sein Leben war noch nie so wertlos wie jetzt! Mal sehen wie dein Gewissen damit fertig wird, Shanora!" Chruch drückte zu, aber der Dunkle löste sich zwischen den Fäden einfach auf." Komm zurück, du Bastard!", schrie Church verzweifelt. Die Chance ihn jetzt zu besiegen war verpasst. Allister hatte Finn erreicht und sofort mit dem Versuch einer Wiederbelebung begonnen. Auch Shanora kniete neben ihrem Bruder, Tränen liefen über ihre Wangen. Ladira und Celles standen bestürzt da, genau wie Sassy und Alpha. "Ist er...", Yalhan wagte es kaum die Worte auszusprechen, "ich meine lebt er..." Ladira senkte den Kopf: "Allister tut, was er kann, aber ich weiß nicht ob das reicht! Eigentlich hätte ihn das Extrahieren des Nachtschattens schon töten müssen, ich weiß nicht, ob er es schafft!" Kyra und die restlichen Jäger kamen auch zu ihnen. "Erst Newra, dann Julopatra, jetzt sogar Finn!", die Jägerin schüttelte den Kopf, "Wo soll das noch hinführen? Haben wir wirklich verloren?" Alpha verbat ihr harsch weiter zu sprechen: "Rede nicht über ihn als wäre er bereits tot! Sein Wille wird ihn am Leben halten!" Shanora schloss ihre Augen, ihr Innerstes fühlte sich an, als würde es brennen. Als hätten die schwarzen Flammen zumindest ihr Herz erwischt. Er durfte jetzt nicht sterben, jetzt wo endlich all die Lügen aufgedeckt waren. Jetzt wo er ohne weiter zu lügen leben hätte können. Wie furchtbar mussten die letzten Jahre für ihn gewesen sein. In der Tiefe ihres Bewusstseins vernahm sie plötzlich eine Stimme: "Shan, weinst du etwa?"
"Du... das ist deine Stimme, also bist du noch hier!"
"Meine Seele verweilt noch, aber ich kann nichts sehen!"
"Du darfst nicht aufgeben, Bruder!"
"Du weißt doch, dass ich gar nicht dein Bruder bin..."
"Das habe ich immer gespürt, aber trotzdem warst du mir ein Bruder... Sag mir warum Finn, warum hast du mich immer beschützt, selbst als du schon wusstest, wer du bist?"
"Für mich warst du es immer, die ich vor allem beschützen wollte. Daran könnte nichts und niemand etwas ändern"
"Dasselbe gilt für mich, ab jetzt werde ich dich beschützen Finn, solange, bis du wieder aufwachst!"
"Mute dir nicht zu viel zu Shan, aber ich habe immer an dich und deine Kraft geglaubt!"
"Da haben wir es, und ich habe immer an dich geglaubt, egal was die anderen gesagt haben. Also muss ich jetzt an das glauben, an das du geglaubt hast. An mich selbst, ich werde es schaffen und dich auf keinen Fall enttäuschen, das verspreche ich!"
"Du könntest mich nie enttäuschen, dafür liebe ich dich viel zu sehr, Schwesterherz! Egal wie das hier ausgeht, ich werde dich immer lieben!"
"Sag mir was ich tun kann, bis du aufwachst!"
"Ich habe nur noch einen Moment, du musst in die weiße Stadt gehen, du hast schon Teile davon gesehen, König Liam von Amergyn wird dir helfen können. Nimm das mit, was ich dem Dunklen gestohlen habe! Finde Did, den Schlüssel habe ich dir schon lange hinterlassen... Ihr müsst den wahren Erben des schwarzen Throns finden, das echte Kind! Und verzweifle nicht..."
"Finn, gib nicht auf, bitte! Ich verstehe nicht... Welcher Schlüssel? Was für ein Erbe?"
Bilder schossen durch Shanoras Kopf, ein Haus im Schnee, nein... Eine Villa hoch in den Bergen, die Tür schwang auf und Shanora wurde blitzschnell durch die Räume bis zu einem Keller gezogen. Davor war ein riesiges Zahlenschloss, es begann zu leuchten, immer in derselben Reihenfolge.666666666666666666...