Balduraya und Tyrande warfen ihm einen finsteren Blick zu und seine Schwester meinte: «Das hast du nun davon!» Dann kehrte sie ihm mit ihrer Freundin zusammen den Rücken und ging zu Linus, dem sie nun den Arm um die Schultern legte. Linus wirkte traurig und als sie alle beim Flugmeister angekommen waren, kam es Gwydyon vor, als habe der Kleine, sogar Tränen in den Augen. Er redete leise mit Balduraya und sie wischte ihm etwas von den Wangen. Gwydyon hörte nicht, was sie sagten, aber er konnte es sich ungefähr vorstellen und er lag mit seinen Vermutungen gar nicht so daneben.
Linus sprach leise zu seiner Blutelfentante: «Vater hasst mich einfach, er hasst das was ich bin. Wenn ich nicht dieses dämonische Blut in mir hätte, dann würde er mich wenigstens etwas mögen. Aber ich kann auch nichts dafür, ich bin einfach was ich bin. Ich mach ja was ich kann, um gut zu sein.» Tränen liefen dem Kleinen dabei über die Wangen. Balduraya wischte sie ihm weg und erwiderte. «Nein, nein dein Vater hasst dich nicht Linus. Er hat viel auf sich genommen, um dich aus dem Einfluss der Dämonen zu reissen. Er hat sein Leben riskiert, weil er möchte, dass du gut aufwächst. Du darfst nur nicht vergessen, er ist ein Hexenmeister und Hexenmeister sind immer im Kampf mit Dämonen, manchmal kann er das vielleicht nicht so unterscheiden, vor allem wenn dein innerer Dämon zutage tritt. Aber er liebt dich trotzdem, daran darfst du nicht zweifeln. Er weiss manchmal einfach nicht recht, wie er sich verhalten soll. Er konnte es sowieso nie besonders gut mit Kindern. Aber er wird das alles auch noch lernen, weil er dich trotz allem von Herzen liebt.» «Ich hasse es so zu sein, wie ich bin!» schluchzte Linus. «Es macht alles so schwer! Wenn ich ein normaler Mensch wäre, dann wäre auch mit Vater alles besser.» «Ach weisst du, er kann manchmal auch ziemlich schwierig sein,» lächelte Balduraya, du musst einfach etwas Verständnis für ihn haben. Ich werde dann nochmals mit ihm reden, okay?» «Okay!» «Dann wisch dir jetzt noch die letzten Tränen ab mein Süsser und steig hinten bei Dabog auf den Wyvern! Tyrande und ich teilen uns auch ein Reittier und deinen Daddy lassen wir mal etwas über sein Verhalten nachdenken, jetzt da Aeternias uns verlassen hat, muss eh jemand allein reiten.» Linus nickte und die Gruppe stieg in die Sättel der mächtigen Reittiere mit den zottigen, gehörnten Löwenköpfen und den langen Skorpion Schwänzen.
Dabogs Untoten- Ich, legte eigentlich nicht sehr viel Wert auf die Gesellschaft von irgendwem und mit Kindern konnte er eh nicht umgehen. Aber aus irgendeinem Grund glaubte dieser Junge, er könnte ihm ein guter Freund sein.
Während er seinem Reittier dem Befehl zum Starten gab, dachte er darüber nach, was Aeternias wohl gerade machte. War er wohl nach Unterstadt zurückgekehrt? Eigentlich hätte er selbst auch dorthin zurückkehren sollen, doch irgendwas hielt ihn davon ab, die Blutelfen zu verlassen. Was aber das genau war, wusste er selbst nicht wirklich.
Als der hellblaue Wyvern, mit der dunkelblauen Mähne sich in die Lüfte erhob und die spitzenbewehrten Zinnen der Stadt Ogrimmar unter ihnen, immer kleiner und kleiner wurden, schweiften seine Gedanken zurück zu jener Nacht, als Lumnia, seine einstige Liebste ihm den weissen Edelstein gegeben hatte, um mit ihr Kontakt aufzunehmen. Er hatte den Stein noch immer, er hatte ihn nicht weggeworfen und auch nicht verkauft. Er überlegte sich, ob er Lumnia informieren sollte, dass sie unterwegs nach Darnassus waren. Doch dann verwarf er den Gedanken wieder. Es war nicht wichtig, ob sie davon wusste oder nicht, denn vermutlich konnte ihm sowieso niemand wirklich helfen, seine Seele wieder zu bekommen und eigentlich war es ihm gerade auch wieder egal. Er mochte sein Dasein, denn so konnten Gefühle wie Schmerz oder Liebe (was für Dabog im momentanen Zustand ziemlich das Gleiche war), ihm nichts anhaben. Ausserdem war er ohne Seele vollkommen furchtlos und konnte auch besser kämpfen, weil er keine Gewissensbisse verspürte.
Sein Blick schweifte kurz rüber zu Balduraya, welche in einigem Abstand von ihm flog, Tyrande sass hinter ihr auf dem Rücken eines türkisgrünen Wyvern mit petrolfarbiger Mähne. In diesem Moment schaute sie ihn ebenfalls an. Irgendwie wirkte sie dabei etwas traurig. Auch Dabog hatte etwas über die Verhaltensweisen der Lebenden dazugelernt und darum konnte er ihre Emotionen schon ganz gut deuten. Doch es bewegte ihn gerade gar nicht. Irgendwie schien seine Seele wirklich weit weg zu sein. Mit unberührter Mine richtete er seinen Blick wieder auf das Gelände, das unter ihnen vorbeiglitt. Sie kamen wirklich schnell voran, denn das Wetter und der Wind waren gut. Das wüstenähnliche, rötlichgoldene Land Durotars, wurde nun mehr und mehr von den weiten, steppenartigen Ebenen des Brachlandes abgelöst. Der kleine Linus der hinter ihm sass und Dabogs Bauch umfangen hielt, war total begeistert und plapperte wie ein Wasserfall. Immer wieder zeigte er auf etwas unter ihnen. Sei es eine Herde der massigen Kodos, die es hier sehr häufig gab, die zahlreichen Wehrtürme der Horde, oder die weit entfernte, blau glitzernde Küstenlinie von Ratchet. Dabog liess all das über sich ergehen und nickte einfach ab und zu, wenn Linus rief: «Schau mal Dabog!»
Ehrlich gesagt, war es dem Verlassenen schleierhaft, warum dieses Kind ausgerechnet mit ihm hatte fliegen wollen. Eigentlich hatten die meisten Kinder in Linus Alter, Angst vor Untoten, oder fanden sie schlichtweg eklig. Linus aber scheinbar nicht, das hatte vermutlich mit seiner teilweise dämonischen Herkunft zu tun.
Schliesslich veränderte sich die Landschaft erneut. Sie flogen über den hölzernen Schutzwall von Mor shan, dessen zugespitzte Pfähle, bedrohlich in den Himmel ragten und dann tauchten sie in die lilafarbenen Schatten des nachtelfischen Waldes, des Eschentales, ein. Linus schaute sich zutiefst beeindruckt um: «Das ist ja wunderschön hier, findest du nicht auch Dabog? Aber es ist so dämmrig.» «Das liegt wohl daran, dass wir uns dem Reich der Mondgöttin Elune nähern,» gab der Untote zurück. «Die Nachtelfen heissen nicht umsonst Nachtelfen, sie mögen dämmrige Gegenden. Die Bäume sind teilweise tausende von Jahren alt.» «Sie sind wunderschön! Ich kann mich kaum sattsehen. Sie haben wunderschöne lila- und pink- farbene Blätter. Und siehst du, dort hat es einen herrlichen, silbernen See und da hinten einen Brunnen, mit leuchtendem Wasser.» «Das ist ein Mondbrunnen,» gab Dabog eher gelangweilt zurück. Ihn scherten solche Dinge wenig. «Mondbrunnen? Für was sind die gut?» «Keine Ahnung, da musst du wohl besser Tyrande fragen, sie weiss über solche Dinge besser Bescheid, immerhin sind wir auch ihretwegen auf dem Weg nach Darnassus.» «Ich dachte wir gehen dorthin, um mich rechtzeitig den Mächten des Guten zu weihen und ausserdem um deine Seele wieder zu bekommen?» «Das mit der Seele wird zumindest erzählt.» «Was, du solltest doch darüber Bescheid wissen!» «Ja…» gab Dabogs Untoten «ich weiss es auch… irgendwie, aber ich weiss ehrlich gesagt nicht, wozu eine Seele gut sein soll.» «Ist doch klar, eine Seele braucht doch jeder!» «Das würde ich nicht sagen, doch die Seele die diesen, meinen Körper einst zu Lebzeiten bewohnte, ist scheinbar stark genug, um ihn zeitweise wieder zu übernehmen. Ich sehe ihre Gefühle und Gedanken, doch eher wie undeutliche Schatten.» «Aber das finde ich komisch, wenn ich dem glaube, dass du sagst, dann wärst du ja gerade seelenlos und wenn das so wäre, wärst du doch nicht so nett.» «Ich bin nicht nett, ich war nie nett, Junge!» «Doch du bist doch nett, das kann man nur, wenn man eine Seele hat.» «Bilde dir nur nichts darauf ein, dass ich dich hab auf meinem Wyvern mitreiten lassen. Ich bin alles andere als nett.» «Aber warum hilfst du uns dann immer noch?» «Habe gerade nichts Besseres zu tun.» «Das glaube ich dir nicht!» «Du fragst zu viel Junge, ich möchte wenigstens den Rest des Fluges in Ruhe verbringen, meinst du du kannst dein Plappermaul mal für eine Weile halten?» Linus wirkte leicht beleidigt, nickte dann jedoch und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die wundersame Welt, die unter ihnen vorbeiglitt.