Taumanas war in der Stadt zurückgeblieben, als sein Vater zu den Verhandlungen geflogen war. Er musste die Operation mit den Lunarierinnen überwachen und war ja jetzt der Heerführer. Es wusste noch nicht über alles so gut Bescheid wie Trojanas, aber das würde noch kommen und dann würde er seinen verhassten Bruder sogar übertrumpfen.
Er fand den Schachzug mit den Lunarierinnen gut, denn das würde ihnen bestimmt Erfolg bescheren und er musste dann nicht sogleich gegen irgendwelche fremden Völker in die Schlacht ziehen. Das kam ihm eigentlich sehr gelegen. Allerdings, hoffte er schon, dass seine auserwählte Lunarierin Ismayila nicht zu Schaden kam. Doch er konnte sie dann immer noch von ihrem Schicksal erretten, wenn es nötig war. Dafür würde sie ihm sehr dankbar sein und wer wusste…ob sie ihn nicht auch irgendwann mochte und ihren nichtsnutzigen lunarischen Lebenspartner vergass. Taumanas hatte keine grosse Achtung vor dem Volk des Silbermondes. Er hielt sie für Schwächlinge, die keineswegs kampferprobt waren. Ausserdem verstand er nicht, wie die Lunarier so ein Aufheben um einige Feminas machen konnten, die entführt worden waren. Wie konnten sie glauben, dass sie nur die geringste Chance gegen die Solianer hatten? Er würde sie unter seinen Händen zerquetschen, wenn es sein musste. Doch vermutlich würden sie ja sowieso abziehen, weil… sie ja eben Schwächlingen waren. Die Solianer hingegen…Er schaute in einen grossen Spiegel, der in seinen Gemächern hing und betrachtete sich selbstverliebt. Er war nun der Thronfolger und ein wahrlich gutaussehender, musste er sich selbst loben. Er fühlte Stärke und Triumph. Alle würden einst vor ihm erzittern, wenn er erst mal an der Macht war. Alle Feminas, egal welcher Rasse, würden ihm zu Füssen liegen und ihm jeglichen, noch so verwegenen Wunsch, erfüllen. Er lächelte in sich hinein und schwebte dann zum grossen runden Fenster, das sich unmittelbar unter der Spitze der goldenen Pyramide befand. Hier lebten nur die höchsten des Volkes und nun…gehörte er dazu.
Er schaute hinaus in den strahlenden Sonnentag und…traute seinen Augen nicht! Unten bei der mittleren Mauer spielte sich etwas ab, das er niemals für möglich gehalten hätte. Einige in Mäntel gekleidete Gestalten und auch ein paar seines Volkes griffen die Wächter an, welche die Lunarierinnen festhielten. Sie hatten schon einige befreit und…da waren auch noch diese weissen, geflügelten Pferde! Auf ihnen sassen Männer mit vorwiegend weissen Gefiedern und weisssilbernen Rüstungen. Sie holten die geretteten Lunarierinnen ab. „Verdammt!“ Er eilte aus dem Zimmer und schrie: „Sammelt alle Soldaten, wir werden angegriffen!“
Aellia war, nach dem Abschied von Nannios und den adern wieder ins Lager der Lunarier zurück gekehrt. Sie betete zur Göttin, das alles gut mögen werde und sie auch ihr Kraft gab, sollte sie den König herausfordern müssen. Sie glaubte zwar nicht, dass es sehr schwierig sein würde, aber man wusste ja nie.
„Wir haben den Boten losgeschickt“, empfing sie der König Varthemos. „Sie sollten bald hier sein. Hoffentlich wird alles gut.“ „Ja, das hoffe ich auch. Jedenfalls scheint es, als seien Nannios und die andern gut in die Stadt gelangt. Wir können jetzt nur noch abwarten.“
Es dauerte wirklich nicht sehr lange, bis beim südlichen Tor, welches sie von ihrem Lager aus gut einsehen konnten, eine Bewegung zu erkennen war. Es waren mehrere Gestalten, alle auf den grossen, fliegenden Löwen. Sie kamen schnell näher. Die roten, glänzenden Felle und Mähnen der Tiere leuchteten im Sonnenlicht, wie das abendliche Kleid des Gottes. Ihre Flügel hatten eine Spannweite von mehreren Metern. Man hörte ihr Brüllen und ihre goldenen Panzer glitzerten wie tausend Kleinodien. An der Spitze des eindrucksvollen Zuges ritt ein grosser, kräftiger aber schon etwas älterer Mann. Er trug eine prunkvolle Rüstung aus Gold mit einem eingeprägten Sonnensymbol. In einer mit roten Rubinen verzierten Scheide, befand sich ein Langschwert mit goldrotem Griff. Seine Hosen waren ebenfalls golden, aber noch mit roten Einsätzen, ebenso wie seine Handschuhe. Sein schwarzes halblanges Haar, durchzogen mit einigen grauen Strähnen, flatterte über tiefroten Schwingen, welche nur an der Spitze einige schwarze Federn aufwiesen. Seine Gesichtszüge waren sehr kantig und sein schmaler Mund und die kleinen Augen gaben ihm ein verkniffenes Aussehen.
Kühl blickte er den Lunariern entgegen, die auf ihn warteten. Einige schienen etwas eingeschüchtert, vor allem auch von dem mächtigen Löwen, den der solianische König ritt. Das hatte er mit seinem Auftritt auch bezweckt. Er wollte dem Volk des Silbermondes wohl seine Überlegenheit demonstrieren. Die Männer die ihn begleiteten waren ebenfalls sehr stattlich anzusehen. In ihren Rüstungen und mit den prunkvollen Waffen-gürteln brach sich das Sonnenlicht mehrfach, alles funkelte und glänzte, als sie zur Landung ansetzten.
Varthemos erwartete die Neuankömmlinge mir stoischer Gelassenheit. Es waren ihm kaum Emotionen anzumerken. Ihn liess dieses Zuschaustellen von Prunk kalt.
Aellia blickte den solianischen König an und sie zitterte leicht, als sie sich erneut daran erinnerte, was dieser Mann mit ihr hatte anstellen wollen. Verschiedenste Emotionen drohten über sie hereinzubrechen und sie musste sich sehr zusammenreissen. Ihn ihren Händen juckte es, sie wollten am liebsten gleich ihre Dolche ziehen und diese Scheusal töten. Doch sie riss sich zusammen.
Varthemos, begrüsste den anderen König mit den förmlichen Worten: „Seid willkommen grosser Solianas, es freut mich, dass ihr euch bereiterklärt habt, mit uns zu verhandeln.“
„Das ist eins unserer Kriegsrechte, König der Lunarier, nur darum bin ich dem nachgekommen.“ In seiner Stimme lag Arroganz. Varthemos liess sich davon nicht aus der Fassung bringen. „Ja, das ist uns zu Ohren gekommen und natürlich hoffe ich, dass wir zu einer guten Einigung kommen können. Es ist nicht in unserem Sinn, eure Stadt anzugreifen. Wir wollen nur unsere Frauen zurück, das ist alles. Wenn ihr sie uns aushändigt, werden wir von Dannen ziehen und euch nie mehr belästigen und ihr uns hoffentlich auch nicht. Wir wollen einfach in Frieden leben, Krieg bringt stets nur Elend und Zerstörung.“ „Ich bedaure es sehr, aber ich kann diesem, eurem Wunsche nicht nachkommen“, erwiderte Solianas kühl. „Wir brauchen eure Frauen, da wir hier zu wenig haben.“ „Wie ich vernahm gäbe es eine andere Möglichkeit, die Harpyas würden sich zur Verfügung stellen, sich mit euren Männern zu paaren. Ausserdem, hättet ihr auch mit uns verhandeln können. Wir hätten euch gerne freiwillig geholfen, doch stattdessen habt ihr unsere Frauen einfach entführt. Gefährtinnen ihren Gefährten entzogen, Mütter ihren Kindern. Das war eine Tat, die wir nicht so einfach dulden können.“ „Wie könnt ihr nur so sicher sein, dass ihr uns überlegen seid? Unsere Armee ist einiges besser ausgebildet als eure und wie ich sehe…“ er blickte sich um „ist eure sehr klein.“ „Das sind nicht alle unsere Leute, Solianas“, sprach der König nun auch kalt. „Seht ihr dort hinter jenen Hügeln befindet sich der Rest unserer Armee, darunter auch die Mondkriegerinnen.“ „Mondkriegerinnen?“ „Das sind unsere Priesterinnen, sie sind sehr gut ausgebildete Kämpferinnen und Magierinnen. Es wird ihnen, da sie selbst weibliche Lunarierinnen sind sehr gelegen kommen, euresgleichen zur Rechenschaft zu ziehen.“
„Als ob ich mich vor Feminas fürchten würde!“ lachte Solianas auf.“ „Oh ihr werdet das Fürchten lernen, grosser Solianas, denn Frauen die von der Macht der dunklen Mondgöttin angetrieben sind, können es gut mit jedem Mann aufnehmen. Ausserdem ist mein Volk sowieso sehr erzürnt über eure schändliche Tat, es gibt unter der Armee einige, welche durch euch ihre Partnerin verloren haben. Nichts und niemand wird sie aufhalten, wenn sie erst mal losgelassen sind.“ „Es kann auch ganz gut sein, dass ihr blufft“, sprach Solianas. „Warum haben wir eure grosse Armee bisher nicht zu Gesicht bekommen?“ „Nicht immer ist es klug die eigenen Stärken von Anfang an so offensichtlich zu demonstrieren“, sprach Varthemos, mit etwas Spott in der Stimme. „Ihr seid euch nicht im Klaren, wie viel Kraft in uns steckt Solianas. „Wir werden euch besiegen, denn uns treibt etwas an, das euch vollkommen fremd ist.“ Er stiess nun in ein ähnliches Horn, wie Nannios es benutzt hatte und in diesem Augenblick, schwebte der Rest der lunarischen Armee hinten den angegebenen Felsen hervor. Ihre Rüstungen glitzerten in Silber und Weiss. Es gab eine eindrückliche Gruppe Frauen, die von einer grossen Femina, mit silbernem Haar angeführt wurde. Auf ihrem und dem Brustpanzer ihrer Begleiterinnen, prangte ein tiefschwarzer Mond. Hinter ihnen folgten eine grosse Gruppe von männlichen Kriegern, mit silbernem Mond und Sonnensymbol auf den Rüstungen und einige Zauberer mit weichen, fallenden Mänteln, die aus Mondlicht zu sein schienen. Ihnen allen voran flogen einige Männer, auf geflügelten Pferden, deren Fell wie frischer Bergschnee leuchtete. Solianas war nun doch ziemlich beeindruckt, aber er gewann seine Fassung bald wieder zurück. „Nun gut, ihr habt da sicher eines schöne Armee König Varthemos, doch gegen uns habt ihr dennoch keine Chance. Trotzdem, sind wir auch unsererseits nicht an einem Krieg interessiert. Solltet ihr also nicht abziehen, muss ich leider zu andern Massnahmen greifen.“ Er nahm nun ein goldenes Horn von seinem Gürtel und blies seinerseits hinein. „Nun schaut auf die mittlere Mauer unserer Stadt!“ Varthemos, Aellia und die andern reckten ihre Hälse. Sie sahen mit Schrecken, wie die entführten Lunarierinnen auf die Mauer geführt wurden, jede wurde begleitet von einem Mann, welcher ihr ein Messer an die Kehle hielt. Ein Entsetzensschrei ging durch die Reihen der Lunarier. Auch in Varthemos Gesicht spiegelte sich Fassungslosigkeit. „Was…tut ihr da!“ stiess er hervor. „Diese Männer, werden eure Frauen töten, wenn ich ihnen den Befehl dazu gebe. Solltet ihr also nicht bis zum nächsten Sonnenaufgang verschwunden sein, wird es ihnen schlecht ergehen.“ „Aber…ihr blufft! Ihr braucht die Frauen doch, wie ihr mir selbst sagtet.“ „Ich würde mich lieber nicht darauf verlassen, König…der Lunarier!“ spracht Solianas eiskalt. Varthemos rang um Fassung. „Aber…das kann nicht euer Ernst sein!“ „Wenn ihr nicht bis morgen hier weg seid, dann werdet ihr sehen, wie ernst ich es meine.“ Solianas Stimme nahm einen bedrohlichen Ton an, als er sprach „solltet ihr irgendeine Dummheit begehen, dann sind eure Frauen tot und ihr werdet ihre leblosen Körper unterhalb unserer Stadtmauern zusammenlesen müssen. Also überlegt es euch gut!“