Als ich sie fand, dachte ich, sie sei tot. Reglos lag das winzig kleine Wesen auf unserem Balkon. Die Augen waren noch geschlossen, Federn waren nur ansatzweise vorhanden. Vermutlich war sie aus dem Vogelnest im Storenkasten gefallen. Ich holte ein Papiertuch, um sie aufzuheben und ihr dann ein letztes Plätzchen im Garten zu bereiten. Als ich das Vögelchen dann aber in meiner Hand hielt, spürte ich, dass sein Herz noch klopfte. Sogleich begann ich zu handeln. Ich holte eine Pipette und träufelte dem kleinen Wesen etwas Wasser ein. Allerdings nur wenig. Frühere Erfahrungen mit Jungvögeln hatten mich gelehrt, dass sie normalerweise gar kein Wasser brauchen, sie nehmen die Flüssigkeit über das Futter auf. Dieser junge Vogel hatte aber mehrere Stunden auf dem harten Balkonboden gelegen und kein Futter mehr erhalten - er brauchte etwas Flüssigkeit.
Trotz der sommerlichen Hitze fühlte sich der Körper des jungen Spatzes kalt an. Zwischen meinen Händen versuchte ich ihn so gut wie möglich aufzuwärmen.
Nun ging es darum, Futter zuzubereiten. Auch dabei halfen mir meine früheren Erfahrungen und Erkundigungen, die ich eingezogen hatte. Da die Aufzucht eines Jungvogels ein heikles Unterfangen ist und die Vogelstationen eigentlich dringend davon abraten, gehe ich hier nicht zu sehr in die Details. Nur soviel: Ich ging weder Fliegen noch Mücken jagen...
Irgendwie schaffte ich es, den benötigten Brei mit einer Hand zuzubereiten - in der anderen hielt ich ja immer noch meinen Findling, dessen Körperchen sich langsam aufzuwärmen begann.
Die nächste - wichtigste - Herausforderung stand bevor: Würde mich das junge Leben in meinen Händen als neue "Mama" akzeptieren? Meine Fütterung annehmen?