Nehmen wir einmal an, der Anbeginn der Zeit, der sogenannte Urknall, war nichts weiter als ein Zufall. Ein Ereignis also, dass weder geplant, noch von irgendeiner Macht oder einem Willen initiiert oder beeinflusst worden ist.
Nach dieser Definition ist der Urknall dann auch der einzige reine Zufall, der jemals war und jemals sein wird.
Davor gab es nichts.
Danach gab es etwas Neues: die Wahl.
Die Möglichkeit, sich zu entscheiden, wenn mensch in diesem frühen Stadium des Seins schon von einem vorhandenen Willen ausgehen möchte. 1 oder 0? Plus oder Minus? Ja oder Nein? Rechts oder Links?
Vor dem Urknall gab es das alles nicht.
Ab dem Zeitpunkt aber, als das Universum sich auszubreiten begann, bestanden also immer mindestens zwei Möglichkeiten.
(Zumindest entspricht diese These der Ausbreitung den gängigen wissenschaftlichen Auffassungen dessen, was nach dem Urknall passiert ist, aber wer kann das schon so genau behaupten. D.h. ab hier setzt der Glaube ein und alles weitere basiert nur noch auf diesen Annahmen und ist als Hypothese zu verstehen.)
Beginnen mit Ausbreiten oder Zusammenziehen und zu einem schwarzen Loch voller Antimaterie werden.
Auch hier möchte ich noch einmal von Zufall sprechen.
Auch wenn religiösere Menschen wohl hier schon von der Existenz eines fremden Willens ausgehen mögen.
Dann frage ich, wo und wie ist dieser fremde Wille entstanden?
Auch hier kann ich mir mit dem Zufall antworten. Denn ein "Immer" gab es vor dem Urknall - dem Beginn von Allem - ja nun nicht.
Ich gehe deshalb erst einmal davon aus, dass kein Bewusstsein hinter der Enwicklung steht, wie sie sich ereignet hat, sondern eben lediglich der Zufall selbst.
Im Laufe der Jahrmilliarden ist aus den durch Möglichkeiten passierten Ereignissen seit dem Urknall eine Welt entstanden, die gewissen Gesetzmäßigkeiten Folge leistet.
Physikalische Gesetze, Naturgesetze, entstanden aus den Konsequenzen mancher zuvor gewesener Zufälle, die das Spektrum der Möglichkeiten auf ein paar wenige reduziert hatten.
Nehmen wir hierzu ein einfaches Beispiel: lege ich eine Kerze auf den Boden, passiert zunächst nichts mit ihr.
Ihre Möglichkeiten sind also unendlich.
Sie könnte wegrollen, sofern sie rund ist, sie könnte zertreten werden, zersetzt, usw.
Wenn nun aber der Zufall es so will, dass keine Wolken am Himmel sind und die Sonne mit voller Kraft auf die Kerze scheint, so hat letztere nur noch eine Möglichkeit und damit nicht einmal mehr die Wahl: sie schmilzt.
Das ist dann, was von den meisten als Schicksal bezeichnet wird:
Ein sich ereignender Zufall, der keine Möglichkeiten außer einer zulässt und damit unabwendbar geworden ist.
Nun kann mensch einwenden, dass ich lediglich die Kerze aufheben und in den Schatten bringen muss, um das Schmelzen zu verhindern.
Das stimmt, aber das wäre eine Entscheidung, die ich treffen würde. Nämlich die, ob ich die Kerze ihrem Schicksal überlasse oder sie rette.
Damit nähern wir uns einem neuen Faktor an: dem freien Willen.
Auch er ist nur eine von vielen Möglichkeiten, die im Laufe der Zeit sich entwickelt haben.
Aber eine der weitreichendsten.
Dazu fähig nahezu jedes Schicksal zu verändern.
Deshalb sage ich, wenn mich jemand fragt, ob ich an das Schicksal glaube, jedes Mal: Ich glaube an den Zufall und an den freien Willen.
Schicksal ist das, was aus den Entscheidungen folgt, die mensch aufgrund der Umstände fällt, die einem der Zufall vorgibt.
Da in jedem Augenblick unendlich viele Entscheidungen getroffen werden, ist es einfach unmöglich, dass hinter allem ein großer Plan des Schicksals stehe.
Wer das dennoch allen Ernstes behauptet, spricht damit im selben Atemzug dem Menschen den freien Willen und die Möglichkeit zu eigenständigen Entscheidungen ab.
Ein Gedankengang, den ich nicht nur befremdlich, sondern auch äußerst gefährlich finde.
Das würde bedeuten, dass die Menschheitsgeschichte genauso ablaufen musste, wie sie es getan hat.
Und das die künftigen Ereignisse mit all ihren Kriegen, Mord, Totschlag, Genozid, Vergewaltigungen und sonstigen Verbrechen bereits unabwendbar feststeht.
Denn es stünde ja hinter allem ein Plan und jede Entscheidung ist bereits vorausberechnet und bestimmt.
Ein für mich gruseliger und sehr erschreckender Gedanke.
Natürlich sind wir nicht vollkommen frei in unseren Entscheidungen.
Wir sind determiniert, d. h. eingeschränkt, durch unsere Erziehung, Kultur, Erlebnisse und Erfahrungen, die wir bereits gemacht haben.
Trotz Allem handelt es sich hier lediglich um die oben erwähnten Zufälle, durch deren Konsequenzen sich das Spektrum der Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt hat.
Innerhalb dieses Spektrums aber ist der Wille frei sich zu entscheiden.
Und das ist der Punkt, an dem die Verantwortung jedes Einzelnen für sein Handeln einsetzt.
Je mehr Möglichkeiten der Mensch hat, desto freier ist er demnach auch und desto weitreichender können seine Entscheidungen sein.
Durch seine Entscheidung, ganz gleich welcher Art sie ist, schränkt er jedes mal die Möglichkeiten weiterer Entscheidungen ein, erschafft jedoch zugleich eine Unmenge neuer Möglichkeiten.
Auch deshalb ist es unmöglich, die Zukunft präzise vorauszusagen.
Natürlich kann mensch durch Erlangen der Kenntnis des Spektrums eines Menschen eine gewisse Einsicht in seine Zukunft gewinnen, aber genaue Vorhersagen zu treffen ist nicht möglich, weil mensch nie weiß, wohin der Zufall diese Person noch verschlägt, welche anderen Personen noch Einfluss auf ihn nehmen, sein Spektrum unter Umständen erweitern oder einschränken werden.
Fazit: Schicksal ist nichts anderes als ein Zufall, der nur noch eine Möglichkeit offen gelassen hat. Und selbst dann kann sich durch einen anderen Zufall, sprich eine weitere getroffene Entscheidung alles wieder ändern.