Niemand wusste, was er wirklich war, und doch gab es einen Mann, der es wissen musste, aber nicht darüber sprach. Einen Mann dessen Vernunft und dessen verlangen nach Innovation nicht im Einklang war. Dieser Mann war Jeremiah Fink. Er war sein Schöpfer. Der Vater einer Kreatur aus Stahl, Leder und Blut...
Wenn die sechzig Fuß große Bestie auf ihren mechanischen Schwingen über den Häusern dahinglitt, blickten alle Bewohner der Wolkenstadt zu ihr auf. Keiner von ihnen konnte behaupten, ihr zu vertrauen oder auch nur, sie nicht fürchten zu müssen. Obwohl er als der Wächter und gleichzeitig als Staatssymbol Columbias fungiert, ist er dennoch ein Werkzeug. Ein Knecht seines Schöpfers... Es stimmte tatsächlich, dass kein überzeugter Anhänger der Gründer und ihrer umstrittenen Ideologien jemals durch Songbird zu schaden gekommen war, doch sobald sein schauriger Schrei ertönte oder seine gewaltigen Flügel die Sonne verdeckten, war er das Monster welches über die Arglosen herfällt und seinem Herren ergeben ist. Jeder, ganz gleich ob Patriot oder Revolutionär, ob Weißer oder Farbiger, ob Betuchter oder Bettler, jeder Einwohner Columbias fürchtete Songbird.
Jeder... bis auf sie...
Die Bewohner nannten ihn unter vorgehaltenen Händen »er« oder »es«. Keinen Namen kannten sie , nur eine Bezeichnung... „Songbird“.
Die meisten von ihnen wussten nicht, dass nur sein Panzer metallisch und aus dickem Leder war, seine Gelenke mechanisch und seine drohenden Augen aus Glas. Doch tief in seinem Innern, irgendwo zwischen den Schläuchen, Drähten und Kabelwindungen, vernetzt mit all den künstlichen Einzelteilen, die ihn am leben erhielten, bewegten sich fleischliche Organe. Ein Herz schlug in ihm.. Er war keine Maschine, aber er war auch kein Lebewesen.
Er war eine kranke Kreation. So bizarr und abscheulich wie sein Schöpfer. Fink hatte immer schon den industriellen und wirtschaftlichen Aufschwung im Kopf, Menschen ... Leben interessierten ihn nicht. Als Fink auf Lutece traf und er den Bau eines Big Daddys durch einen Zeitsprung miterleben konnte, war er wie bessesen von der Idee, Mechanische Soldaten zu erschaffen. Doch... etwas Fehlte, Leben! Ein unersättlicher Antrieb, der Überlebenswille, war es der diese Kreaturen am Leben erhielt. Somit hatte er seinen Treibstoff gefunden... Für Fink war er ein Experiment.
Nur nicht für sie.
Wenn er über die weitläufigen Distrikte Columbias hinweg flog, spürte er nicht den leisesten Windhauch. Er fühlte weder die eisige Kälte der Luft, noch die Hitze der Sonne, noch das Gefühl des freien Falls. Er fühlte kein Mitleid mit den Menschen, die er im Sturzflug ans sich zog und in der Luft entzweiriss, sodass das Blut über Monument Island niedergingen. Ihn störten weder das Blut, das der Wind dabei auf seinen glänzenden, dunklen Panzer spritzte, noch die entsetzlichen Schreie, die die Menschen in seinen Klauen von sich gaben, während er sie bei lebendigem Leib zerfetzte. Er interessierte sich nicht für sie, erinnerte sich nicht einmal mehr, wie viele er bereits getötet hatte. Im Grunde genommen interessierte ihn nicht einmal, dass die Stadt unter seinen Flügeln bewohnt war. Seinetwegen hätte es niemanden geben müssen, weder die Gründer noch die Vox Populi.
Alles was ihn hielt war... sie.
Wenn er in den Turm zurückkehrte, achtete er darauf, in regelmäßigen Abständen etwas bei sich zu haben. Manchmal war es Schokolade, manchmal Blumen, manchmal nur eine Flasche Limonade oder Milch. Früher hatte er ihr oft Milch mitgebracht. Und manchmal, da war es ein Buch, das er in seinen Klauen trug. Nicht, weil er lesen konnte oder sich auch nur dafür interessierte, was Bücher eigentlich waren, sondern weil sie es tat. Und weil sie sich darüber freute.
Sie liebte Bücher. Und er liebte sie.
Er fühlte nichts, wenn er tötete, kein Mitleid, keine Scham, keine Reue. Er war dazu geschaffen, zu töten und zu zerstören. Aber er spürte es, wenn sie sich freute, und das gefiel ihm. Denn auch dazu war er geschaffen. Freude zu empfinden, Liebe zu empfinden.
Aber nur für sie.
Als sie noch ein Kind war, hatte er ihr Zimmer seltener verlassen und war nach kürzester Zeit wieder zurückgekehrt. Damals hatten alle möglichen Dinge auf dem Boden herumgelegen: Leeres und bemaltes Papier, Stifte, ein Kuscheltier – eine Plüsch-Miniatur von ihm, wie sie in Columbia an die Kinder verkauft wurde und mit dem in den Armen sie Nacht für Nacht eingeschlafen war –, und natürlich Bücher. Damals waren es noch Bilderbücher gewesen, Kindergeschichten von Duke und Dewit und Ausmalvorlagen. Er hatte gesehen, wie ihre blauen Augen strahlten, wann immer sie sie aufschlug, und wie sie mit Feuereifer darin las – schon im Alter von drei Jahren.
Er hatte gesehen, wie sie aus dem Fenster schaute, hinaus in die Weiten der großen Stadt. Und dann malte sie. Kindliche, niedliche, zuweilen erstaunlich detaillierte Bilder der hohen Häuser, der strahlenden Wolken, der großen Statuen, der imposanten Luftschiffe… und von ihm. Er war ihr Freund. Und das einzige Wesen zu dem sie Kontakt hatte. Er kümmerte sich um sie, zog sie auf und beobachtete fürsorglich jeden ihrer Schritte. Sein vogelähnlicher, metallischer Kopf mit dem langen Schlauch am Schnabelfortsatz, der hinunter zu seinem Körper lief und wieder in dessen Tiefen verschwand, drehte sich dabei ruckartig zu allen Seiten und wandte ihr erst sein eines, dann sein anderes tellerrundes, leuchtendes Auge zu, fast wie ein echter Vogel. Sie leuchteten immer grün, wenn er sie sah und wenn sie ihn berührte. Denn dann war er glücklich.
Bis er wieder davon flog. In diesen Momenten wurden seine Augen gelb, und jene Farbe bedeutete, dass er kampfbereit war. Niemand durfte sie sehen, geschweige denn anrühren. Dafür sorgte er. Es war seine Aufgabe, seine einzige Passion. Wenn es jemand wagte, sich ihr zu nähern oder gegen die Stadt, seine und ihre Heimat, aufzubegehren, färbten sich seine Augen blutrot, und seine gebogenen, scharf geschliffenen Krallen machten ganze Gebäude und Luftschiffe dem Erdboden gleich. Er war das mächtigste Geschöpf in ganz Columbia, und jeder wusste das. Keine erschaffene Kreatur konnte es mit ihm aufnehmen, weder der Handyman noch die anderen Widerwärtigkeiten, die durch die Straßen der Himmelsmetropole wandelten. Sein Panzer war kugelfest und er scheint keine Schwachtelle zu besitzen außer .. ihr.
Niemand wagte es sich gegen den vogelartigen Koloss zu stellen. Stattdessen blickten sie zu ihm auf, in einer Mischung aus Faszination, Ehrerbietung und vor allem Angst. Besonders Kinder liebten und fürchteten ihn. Liebten und fürchteten seine scheinwerferartigen Augen, seine mechanischen und doch unverkennbar der Natur nachempfundenen Bewegungen, seine unübertroffene Anmut in der Luft und sein schauriges Erscheinungsbild. Und sein markerschütternder schrei welcher eine Mischung aus unvorstellbarem schmerz und einem verzweifeltem Hilferuf war.
Für die Leute war er ein Monster – ein weiteres unter vielen Ausgeburten Columbias, aber ganz gewiss jenes, dem sie den meisten Ehrfurcht entgegenbrachten. Er war vieles.
Ein Wesen aus Fleisch und Metall.
Wie Schatten in der Nacht.
Der Geist Columbias
Der Herr der Wolken.
Der lautlose Tod.
Ein Beschützer.
Fürsorger.
Wächter.
Symbol.
Freund.
und Patriot.
Er ist... Songbird.
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Epilog:
Abschließend möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die Komplexität der gesamten Geschichte der Utopien, wie sie zB.: John Shirley in dem Vorgänger «Rapture« zum Ausdruck bringt, eifach fabelhaft ist. Dessen Annäherung , mit so wenigen Worten und wenig Schreiberfahrung, schwer fällt. Dennoch habe ich mir Gedanken über die Utopie und Columbia, als Generation 2.0 gemacht, die ich gerne teilen würde. Basierend auf der Bioshock-Reihe, muss ich gestehen, dass alles doch sehr bekannt scheint. Wer Samjatins Fabel vom „Einzigen Staat“ mit seinen numerierten Menschen, die von „Beschützern“ überwacht werden, welchen die Phantasie auf dem Operationstisch weggeschnitten wird, gelesen hat – wird all dies, den Lesern Aldous Huxleys und George Orwells ebenfalls unheimlich vertraut erscheinen. Somit verwächst alles miteinander. Als FanFiction sehe ich meinen Text nicht. Eher als Gedankengang und Überlegung, von bereits gedachten und überlegtem. Eine Kurzgeschichte an Überlegungen. Sozusagen.