Kapitel 30
„Mond wurde Entführt“, verkündete Blitz mit einer schrillen Stimme vor der versammelten Menge. Seine Lippen zitterten vor Sorge, als er den nächsten Satz aussprach. „Oder sogar getötet.“ Trauer und Angst spielten sich in den Katzengesichtern ab. Nebels jammernde Jungen vergruben ihre Köpfe in dem steingrauen Pelz der Mutter. Sie waren einfach viel zu müde mitten in der Nacht aufzubleiben. „Aber warum mussten sie gerade Mond verschleppen?“, fragte Teiger aus der zweiten Reihe. „Warum wohl?“, knurrte Bach. Die graublaue Kätzin war empört über Teigers mangelnde Intelligenz. „Sie ist eine der wichtigsten Katzen bei den Jägern des Waldes, ohne sie sind wir sehr verwundbar!“ „Ach du Liebes Lieschen“, hauchte Stern leise. „Wenn die Jäger des Schattens uns angreifen, nicht auszudenken, wie Verwundbar wir dann sind.“ Donner hörte ihr nicht zu und machte sich Vorwürfe, dass sie nicht einmal ein Geräusch von der Hölle aus gehört hatte. „Was können wir tun?“, Kralle stand auf. Eine wirklich schwere Frage stellte der Kater. Blitz seufzte, alle Jäger des Waldes schauten ihn erwartungsvoll an, schliesslich war er der Anführer.
„Ich habe eine Spur von den Entführern“, meldete sich eine weiche Stimme. Blicke wanderten in die Richtung, wo die Stimme herkam. Blatt lief um eine Eibe herum und deutete auf eine erdige Stelle neben den Wurzeln. Acht frische Pfotenabdrücke waren frisch in der Erde hinterlassen geworden. „Und der Geruch“, Blatt beschnüffelte bei den nächsten Gräsern. Eindeutig von den Jäger des Schattens!“ Blitz sprang den Stein hinunter und stolzierte zu Blatt. „Gut, es wird Zeit die Verfolgung aufzunehmen und Mond aus den Krallen der Schattenjäger zu befreien“, miaute er über seine linke Schulter.
Die Pfotenspuren schlängelten sich immer wieder durch den Wald, als die Gefährten Seite an Seite durch den dunklen Wald jagten „Da ist eine wehrende dritte Katze dabei“ Stern begutachtete die Spuren im feuchten Waldboden. „Mond und zwei Entführer, es ist eindeutig“, murmelte Donner betrübt. „Immerhin lebt sie noch“, versuchte Brombeere sie zu trösten.
Die ersten Sonnenstrahlen der aufgehenden Feuerkugel fielen Nebel ins Gesicht und sie kniff die Augen zusammen. Eine Atemwolke verdampfte in der kalten Morgenluft und der frische Tau glänzte auf den Pflanzen. „Wie wird es weiter gehen?“, fragte Nebel ihren Anführer, als sie eine kurze Verschnaufpause einlegten. Die Blicke waren auf Blitz gerichtet. Er überlegte nicht lange. „Wir verfolgen natürlich die Spur, sofern es für deine Jungen geht.“ „ Sie werden es schon schaffen.“ Nebel packte Schnee im Genick, liess sie auf ihren Rücken fallen und Maus wurde von seinem Vater verfrachtet. Grummelnd erhob Dunkel sich auf die Pfoten, nachdem Blitz das Signal zum Weitergehen gegeben hatte. „Ich will lieber noch ein bisschen schlafen, ich bin so müde“, murmelte Dunkel in Streifs Ohr. Stern knurrte innerlich, als sie das ganze Gespräch mitbekommen hatte. Es geht nicht um deinen Schönheitsschlaf sondern um ein ganzes Katzenleben! , dachte sie leise. Einfach Egoistisch von Dunkel, obwohl man ja sagt, Katzen seien angeblich vom Charakter egoistisch.
Die Sonne kam und die Vögel sangen in den Ästen aber niemand konnte sich auf Beute konzentriere, sondern auf ganz besondere Pfotenspuren. Sie hielten nur an, wenn sie die Spuren aus den Augen verloren hatten und sie wieder aufgreifen mussten. Die Vegetation wurde mit der Zeit immer üppiger.
Gerade fand Donner wieder einen nächsten Beweis, der Monds Leben bestätigte. In einem Dornengestrüpp hing ein cremefarbiges Fellbüschel, ganz verheddert an den Dornenspitzen. Sie nahm das Fellknäul ins Maul, jedes der Haare reizte sie im Gaumen und sie musste würgen. „ Blitz, ich habe eine weiteren Beweis gefunden“, stolz präsentierte sie das Fellstück vor der Nase des Anführers. „Eindeutig von Mond, miaute er, nachdem er dran geschnüffelt hatte. Gut gemacht!“, lobte er Donner. „Verdammte Vogelkacke“, fluchte Blatt aus dem Hinterhalt. Die getigerte Kätzin durch kämmten den nadligen Waldboden nach Spuren „Wir finden keine Spur mehr.“ Auch Kralle, Fleck, Flamme, Nacht zuckten ahnungslos mit den Achseln. Donners Stimmung raste wieder in den Keller, dabei hatte sie sich schon Hoffnung in den Suppenteller geschöpft. „Wir haben aber etwas gefunden!“, Brombeere und Stern tauchten hinter einem Haselstrauch auf. „ Hinter der Eberesche am Fluss sind Spuren im Schlamm!“
„Tatsächlich von Katzen“, miaute Blitz freudig, als er die gefunden Schlammspuren begutachtete. „Also in die Richtung Norden“, rief Sturm in seiner Stimme knisterte Hoffnung auf.
„Weiter alter Asselhaufen!“, knurrte der weissgraue Entführer und stiess Mond brutal voran. Alles ging einfach alles viel zu schnell. In der tiefen Nacht hatte Mond eine Stimme wahrgenommen, dachte es wäre einer ihrer Freunde aber dabei irrte sie sich aber gewaltig. Sie wurde in der Dunkelheit überrumpelt und in die Bewusstlosigkeit geschlagen, ohne auch nur ein Geräusch von sich zu geben. Danach wurde Mond von den Entführern weg transportiert, bis sie wieder zu sich kam. Mehrmals hatte versuchte sie zu fliehen aber bei den beiden Muskelkatern gab es kein Entkommen. Die beiden Schattenjäger hatten von oben bis unten Muskelberge. Vor allem der goldbraune Kater und erinnerte vom äusseren Erscheinungsbild an einen Löwen. Er war gross, stolz, mächtig und brutal. Monds Schulter hatte eine fliessende Wunde und ihre Beine brannten vor Schmerz. Der sehnige grauweisse Kater, einer ägyptischen Mau ähnlich, drückte einer seiner Bärentatzen in den Schlammmatsch. Der zähflüssige Schlamm blieb ihm an der Pfote hängen, doch er machte sich nicht die Mühe den Dreck von seiner Pfote zu streichen. Der Goldbraune gab Mond einen harten Schups ins Kreuz. Sie torkelte auf die Seite und streifte mit dem Fell an den Dornen eines Wildrosengewächses, worüber die hellen Haare hängen blieben. Das war allerdings nicht das erste Mal, dass Mond in die Dornen gestossen wurde, vermutlich machte es den Schattenjäger Spass jemanden zu quälen. „ Weiter und keine Dummheiten“, drängte der Kater sie mit einem aggressiven Knurren weiter.
In Blutrote Farbe wurde der Horizont getaucht und die Sonne läutete den Einbruch der Nacht ein. Brombeere konnte fast nicht mehr vor Erschöpfung, den ganzen Tag waren sie ununterbrochen durch den Wald gestürmt. Nun öffnete sich vor ihren erschöpften Augen eine grosse Moorlandschaft, wo Bäume bereits Legenden waren, nahmen nun Sumpfgräser den Platz ein. Stern japste nach Luft. „Können wir endlich eine Pause ein legen?“, forderte Donner Blitz auf. „Hungrig sind wir auch“, das war Streifs erschöpfte Stimme. „Die Entführer können ja auch nicht Tag und Nacht laufen“, miaute er schliesslich.
Froh über diese Worte liess sich Donner ins feuchte Moos fallen und Stern erdrückte beim Hinlegen eine Sumpfpflanze. Brombeere kauerte sich ebenfalls hin und massierte ihre schmerzenden Gelenke. Nebel auf der benachbarten Seite ging es auch nicht viel besser. Keuchend lag sie auf ihrem grauen Bauch, während Maus und Stern mit kläglichem Maunzen jammerten. „Mama ich will schlafen und ich habe einen Kaninchengrossenhunger“, fiepte Maus kläglich. Sturm zerrte einen blätterbewachsenen Buschstrauch in die Richtung der schreienden Jungen. Geschickt baute der Vater ein weiches Nest um seine Beiden Jammertaschen zu vertrösten.
Zum guten Glück jagten heute nur die kräftigsten Katzen, zu denen Fleck, Bach, Flamme, Blitz und sogar Teiger gehörte. Der Tigerkater fühlt sich mächtig stolz, als er mit der Gruppe sich zum Jagen aufbrach. Stern lag in den Gräsern mit geschlossen Augenlieder und horchte den prahlenden Anmerkungen von Teiger.
Dieses elende Würstchen, namens Teiger, dachte Stern verbissen. Er ist wieder einmal der Beste im ganzen Wald.
Die Jagtgruppe kehrte kurze Zeit später, beladen mit Beute zurück. Dank der fetten Taube, einer Lärche, zwei Spitzmäuse und einem Eichhörnchen wurden alle Katzen einigermassen satt. Stern schnappte sich sofort das Eichhörnchen, nahm den ersten Biss, reichte das wuschelige Tier an Brombeere weiter und leckte dann die roten Haare von der Schnauze. „Besonders zart dieses Fleisch“, bemerkte Brombeere und schob das Essen weiter zu Donner. „Ich frage mich schon lange warum die Schattenjäger uns ständig auf den Fersen sind, so ausgezeichnete Spurenleser haben die Jäger des Schattens nicht“, murmelte Flamme leise, dass Brombeere die Ohren spitze. Blitz zog die Augenbrauen hoch. „Laub hat uns doch von seinen Späher erzählt“, erinnerte Blitz ihn. Flamme spielte mit seinen Brustmuskeln. „Aber vielleicht folgt uns gar niemand, sondern der Späher ist unter uns“, miaute Flamme und dämpfte seine Stimme. Blitz verengte seine Augen und die Pupillen wurden schmal. „Du zweifelst also an irgendeiner Treue“, seine Stimme wurde laut und drohend. „Du glaubst wirklich jemand würde uns verraten?“
Blatt und Kralle, die in der Nähe ruhten spitzen ebenfalls aufmerksam die Ohren. „Das habe ich nicht so gemeint“, Flamme versuchte leiser zu sprechen. „Du weist aber dass Schattenjäger Meister der Verwandlung sind.“ Ein langer Seufzer kam aus Blitzs Kehle. „Verzeih meiner aufflammende Wut, du hast ja Recht aber ich vertrau jedem, vor allem dir, Sturm, Blatt und Mond.“ Mit dem Rücken weggedreht wechselten die drei Lauscher besorgte Blicke an einen Verräter hatten die wilden Krallen noch gar noch nicht gedacht. „Blitz, kann ich dich kurz Sprechen?“, Streif platze das unangenehme Gespräch. „Wir reden später weiter“, fügte Blitz an Flamme gewandt und trabte hinter Streif her. Flamme neigte respektvoll den Kopf und gesellte sich zu Bach, die unter einem Ginsterstrauch lag. „Teiger hat auf der Jagt eine Fährt der Schattenjäger entdeckt“, hörte Stern Streif Miauen. „Wohin führt sie?“, kam es von Blitz. „Hinaus aufs Tundra Gebiet“, antwortete Nacht knapp. „Sehr gut, wir werden ihr im Morgengrauen folgen.“ Eine sehr gute Nachricht für den Abschluss des Tages, am späten Nachmittag war die Spur aus ihren sensiblen Riechern verloren gegangen. Der Kater nickte Streif zu und steuerte danach erstaunlicherweise zu den Freundinnen hinüber. Er hatte eine ernste Miene im Katzengesicht als er sprach: „Ich muss mit euch reden.“ „Nur zu“, miaute Donner, obwohl sie seine Nervosität förmlich spüren konnte. „Ich habe beschlossen...“, fing er an. Blitz schnaufte noch einmal tief durch. „Ihr werdet uns morgen nicht mehr weiter begleiten.“ Stern dachte zuerst es wäre ein schlechter Witz aber Blitz veränderte seinen ernsten Gesichtsausdruck nicht. „Es tut mir leid aber ich möchte nicht die Jüngsten zwischen den Krallen von Schattenjägern aufspiessen sehen“, murmelte er trocken. Brombeere nickte traurig und ihre Augen füllten sich mit Tränen, auch Stern und Donner schnieften im Hintergrund. Sind wir so schwach für ein Gefecht? , fragte sich Brombeere selber. Ohne ein weiteres Wort machte er eine Drehung und stampfte davon. „Warum dies!“, jammerte Stern verletzt und Brombeere liefen die Tränen bereits über die Wangen. Sie liebten die Jäger des Waldes schon zu sehr und wollten den Gefährten für immer beistehen. „Macht euch kein Kopf, Blitz will euch nur schützen!“, tröstete sie Nebel. Die graue Kätzin vergass ihre Jungen und schmiegte sich tröstend an ihren, mit Tränen verklebten Wangen. „Ich werde auch mit meinen Jungen hierbleiben“, fügte sie noch hinzu. „ Es ist sicherer von uns alle.“ Donner wimmerte, sie wollten die Jäger des Waldes in dieser Situation auf keinen Fall alleine lassen. Sie gehörten doch dazu, sie waren doch waschechte Mitglieder!