Kapitel 26
„Einen Augenblick“, Nebel schob Teiger auf die Seite. „Wir können ihn doch nicht einfach in die Wildnis alleine lassen.“ „Schatten würde sich lieber eine Pfote abhacken, als ein Verräter leben zu lassen.“ „Er wird sicher nichts davon erfahren“, meldete sich Nacht unverantwortlich. „Und wenn schon?“, Bach gesellte sich zu Nebel und unterstützte die familienbewusste Kätzin. „Wo wurdest du geboren?“, Bach wandte den graublauen Kopf zu dem Kleinen. „Ich habe keine Eltern“, piepste er ängstlich. Donner hielt den ganzen Verhör nicht länger aus, quetsche den Körper an Blatt vorbei und trat mutig in die Mitte. „Wir könnte ihn doch mitnehmen und irgendwo am Rande dieses riesigen Waldes aussetzten“, schlug Donner vor. Der Schweif von Blitz zuckte nach ihren Worten nachdenklich. „Morgen kommen wir bei dem Tal der fliessenden Ewigkeit vorbei und sie liegen am nördlichen Waldrand.“ Blitz nickte schliesslich und tätschelte dem kleinen Kater auf die Schulter. „Die Jäger des Waldes nehmen dich bis zum Waldrand mit“, miaute er aufmunternd. Obwohl einige Katzen misstrauisch Worte wechselten änderte Blitz seine Meinung nicht und schloss den Kleinen ins Herz. Die Jäger des Waldes beschlossen noch ein kleines Stück zu wandern, bis die Sonne den letzten Strahl werfen würde. Brombeere war sehr Erschöpft und stützte dankbar gegen die Schulter von Donner. Bald warfen die Laubbäume lange Schatten und läutete den willkommen Untergang der Sonne ein. Der kleine Schattenjäger, dessen Name Laub lautete, wurde von Dunkel und Nacht bewacht. Fleck beobachtet den kleinen Kater immer wieder misstrauisch. Seine Gedanken waren leicht zu erraten. Er vertraute dem kleinen Kater überhaupt nicht. Stern trotte alleine ein Stück vor Brombeere und Donner. Der Schock mit Langnarbe sass ihr immer noch in den Knochen und sie musste sich erstmals ein bisschen beruhigen. Neben ihr schlenderte Blitz und betrachtet schweigend die idyllische Umgebung. Er kam jedoch zum Worte: „Warum hast du die Gefahr vorher gewittert?“ „Ich..“, fing Stern an. „Mein Unterbewusstsein hat mir ein starkes Gefühl gesendet.“ „Passiert dir dies öfters?“, hackte er nach. „Nicht das ich wüsste“, erwiderte Stern, dabei dachte sie allerdings an die Nacht, in der Teiger sich davon stahl, in der sie das Gefühl gespürt hatte. Aber dies ist sowieso nur ein dummer Zufall und Teiger ist schliesslich kein Schattenjäger.
„In Ordnung, dann lass ich dich in Frieden“, Blitz klang ein wenig enttäuscht. Wäre auch zu schön gewesen, schlechte Wesen vorauszuspüren“, fügte Stern still hinzu.
Blitz wählte einen Nachtplatz um einen kleinen Weiher herum, welcher von Schilf umrundete wurde. Der aufgehende Mond spiegelte im leicht getrübten Wasser und erwies sich als ein sicherer Ort. Donner, Stern und Brombeere wählten einen Schlafplatz direkt am Weiher auf einer kleineren freien Fläche ohne Schilf. „Hab ich einen Durst“, Donner trank gierig das klare Wasser aus dem Weiher. Stern musste sich erst Mal gründlich strecken, unterdrückte dabei einen Gähner. „Auf die Seite!“, Streif sprang aus dem Schilf hinaus. Der Kater überrannte beinahe Brombeere, als er etwas Grünem hinterher jagte. So etwas Flinkes konnte nur ein Frosch sein aber Donner erkannte erneut, Streifs mangelnde Wenigkeit und sie wusste er würde ihn nicht fangen können. Der Frosch hüpfte auf einen Stein und quakte verzweifelt, da er den Orientierungssinn verloren hatte. Rasch spannte Streif seine Hinterbeine an aber der Frosch bemerkte die Bewegung und hüpfte, gefolgt von einem platschenden Geräusch, ins sichere Nass. „Verflixt!“, knurrte Streif und spähte am Uferrand dem schwimmenden Frosch nach. Brombeere wollte sich ein Lächeln verkneift aber ein Teil rutschte über die Lippen. „Da gibt’s überhaupt nichts zu lachen“, mit hocherhobenem Haupte wollte Streif zurück spazieren. Dabei rutschte er auf den glitschigen Algen der Stein aus. Das Wasser spritze bis ins Sterns Gesicht und peinlich berührt paddelte Streif, pitschnass und verärgert, ans Ufer zurück. Brombeere musste sich vor Lachen an Donner abstützen. Eigentlich war es ja gemein, ihn auszulachen aber Streif würde es bei ihnen auch tun. „Ihr habt ihn doch nicht etwas reingestossen?“ Sturm kam hinter den Schilfstöcken zum Vorschein. „Nein, er ist selbst reingefallen“, verteidige Wort gab Stern zurück. „Das will ich für euch hoffen“, Sturm reicht Streif die Pfote und zog ihn hinaus. Zitternd und mit verklebtem Fell schüttelte Streif das Wasser aus dem Pelz und rasch machte er sich davon. Irgendwie tat Donner ihm leid aber anderseits hatte er es förmlich verdient.
„Vorsicht!“, zischte Donne, als Stern einen Haufen Schilfmaterial zu Brombeere schleifte, um sich aus dem Schilf Betten zu bauen. Während Brombeere die braunen stabilen Stängel flechte, schleppten Stern und Donner Schilf vor ihre Pfoten. „Dein gesammeltes Schilf hat gefährliche Zacken, damit können wir uns im Schlaf verletzten.“ Die blauen Augen von Stern drehten eine ganze Runde. „Sonst noch etwas zum Korrigieren?“ „Ich sag nur wie es ist“, antwortete Donner schnippisch. Stern schnaubte aus ihren Nasenlöchern. „Dein gesammelter Haufen hat auch diese kleinen Zacken“, Stern warf einen Blick auf ihren Haufen. Brombeere konnte Streit einfach nicht leiden. Genervt drehte sie den getigerten Rücken um. „Streitet euch doch nicht deswegen!“, knurrte sie den Streithennen entgegen. „Es…“, Donner schnitt Brombeere den Satz weg. „Du willst sagen Stern hat Recht, dabei wollte ich bloss helfen aber so fühlt man sich eben zwischen zwei besten Freundinnen!“ Brombeere stellte die Nackenhaare auf. „Jetzt hör mir zu Dickschädel!“, fauchte Brombeere. „Aber du hast den Streit angefangen!“ Donner schnippte mit dem Schweif. „Siehst du ich kann Gedanken lesen, du verteidigst Stern weil sie deine beste Freundin ist“, knurrte sie und verschwand beleidigt im Schilf. „Ich werde mich nicht bei ihr entschuldigen“, fauchte Stern wütend. „Wir werden und wieder beruhigen“, miaute Brombeere und starrte schlechtgelaunt in den Weiher. Entzückt stellte Stern am Himmel fest, dass die Sterne auftaucht waren und der volle Mond durch die Baumwipfel leuchtete. „Es ist Vollmond“, bemerkte sie fasziniert. „Dann sind wir schon fast zwei Wochen hier“, ergänzte Brombeere und betrachtete ihr Spiegelbild im Weiher, irgendwie erinnerte ihr Fellmuster an einen braunen Tiger. Stern Gesicht erschien neben ihrem. „Sieh dir mal den Sternenhimmel an“, miaute Stern atemberaubend. „In der anderen Welt werden wir ihn selten so sehen.“ Brombeere starrte dem Funkeln und Glitzern entgegen. „Ja, die Lichtverschmutzung“, murmelte Brombeere. „In hundert Jahren wird alles noch schlimmer verwüstet aussehen.“ Stern tippte in das kühle Weiherwasser. „Der Mensch weiss viel zu wenig über die Folgen der Zerstörung die Natur.“ Brombeere knuffte Stern in die Rippen. „Er weiss nicht einmal dass es Fantasiewelten gibt.“ Stern schnurrte fuhr aber ernst fort: „Obwohl ich selber ein Mensch bin mag ich sie nicht in allen Dingen besonders. Ich geniesse diese Auszeit im Katzenkörper.“ „Das stimmt nicht, du bist gar kein Mensch“, sagte Brombeere. „Sondern?“, Stern sah Brombeere verwirrt in die gelben Augen. „Wir sind Katzenmenschen oder bessergesagt Werkatze.“ Ein weiteres belustigtes Schnurren stieg in Sterns Kehle auf und sie vergassen den Streit für einen kurzen Augenblick.
Wütend kickte Donner einen Tannzapfen aus dem Weg. „Hoppla, da sieht jemand aber wütend aus“, stichelte Dunkel als Donner bei ihm vorbei stapfte. Der graue Kater mit dem schwarzen Streif sass auf einem Felsen und hatte eine Maus zwischen den Zähnen. Liebend gern hätte Donner ihm die Krallen ins Gesicht gedrückt aber sie war sich über die Folgen bewusst. Während Dunkel seine Fellpflege vornahm, stapfte sie in Richtung eines gekrümmten Olivenbaumes. Er trug keine Blätter und verritt, dass er längst Tod war. Fleck kauerte dort auf einer Wurzel und spielte der grimmige Wächter von Laub. Der kleine Kater fischte im Wasser nach wendigen Wasserkäfern. Donner nickte Fleck kurz zu und setzte sich entschlossen neben Laub. Sie beobachtete ihn eine Weile, wie er nach einem Wasserläufer greifen wollt, der aber zu schnell für seine Krallen war. „Seit wann bist du bei den Jägern des Schattens dabei?“, fragte Donner vorsichtig. „Seit ich denken kann“, seufzte er laut. „Ich hatte die Wahl ein Mitglied zu werden oder getötet zu werden“, fügte er wimmernd hinzu. „So werden alle Jäger des Schattens Junge behandelt.“
Hinter den beiden Katzen belauschte Fleck angespannt das Gespräch. Die grünen Augen von Laub wurden ganz glasig, als er von seinem traurigen Leben erzählte. „Warum bist du allein, Donner?“, er wechselte geschickt das Thema. „Ich vergesse gerade meinen Zorn“, erwiderte Donner kühl. Laub kringelte den Schweif. „So schlimm kann es auch wieder nicht sein, ich spüre eure starke Freundschaft bis in meinen Knochen“, miaute Laub in einen munteren Ton. In Donners Herz zeichnete sich vor Freude einen Regenbogen. „Du solltest mit ihnen freundlich über das Problem reden“, ritt der kleine Laub ihr. Donner war beindruckt von seiner Friedensschlichtungserfahrung. „Du hast Recht“, gab sie zurück. Laub putze sein schildpattfarbenes Fell. „Deine Freunde sind doch die kräftig gebaute Getigerte und die hübsche Weisse?“ „Du findest Stern also heiss“, Donner versuchte ihn zu Necken. „Heiss?“, er klang ganz verwirrt. „Hat sie Katzenfieber?“ Donner lächelte belustigt in die Nacht. Er wusste natürlich nicht was sie meinte und war vielleicht auch besser so. „Vielen Dank nochmals für deinen guten Ratschlag“, Donner verabschiedet sich eilig, damit Laub keine weiteren Fragen stellen konnte.
Donner überquerte glücklich einen sumpfigen Teil auf dem Rückweg. Der Zorn hatte sie längst vergessen und das Quaken der Frösche beruhigte Donner. Dunkel putze sich immer noch, auf dem grauen Felsen das zerlumpte Fell. Dieses Mal gab er aber keinen fiesen Kommentar ab. Bevor Donner durch die Schilfhalme schlüpfen konnte, trennten sich die Stängel und Stern trat heraus. „Jetzt hau ab!“, fauchte sie an Dunkel gerichtet. „Du spionierst hier zu lange herum!“ Dunkel knurrte verächtlich aber verschwand mit einem einzigen Rascheln zwischen den Schilfen. „Ich denke Dunkel möchte uns bloss ärgern“, Sterns Blick ruhte auf der Stelle wo Dunkel verschwunden war. „Das ist mir auch schon aufgefallen“, antwortete Donner mit einer kühlen Stimme. „Vielleicht solltest du dich mit ihnen friedlich Einigen“, Laubs Stimme wanderte durch ihren Kopf. „Tut mir leide wegen vorher“, murmelte Donner schliesslich. Sterns Augen strahlten in die Nacht hinaus. „Angenommen“, schnurrte sie und schmieg sich freundschaftlich an ihrem schwarzen Fell. Langsam merkte Donner wie wichtig ihre Freundinnen waren, auch wenn sie sich manchmal benachteiligt fühlte. Sie konnte mit Stern und Brombeere über alles reden, sogar über weite Fantasiewelten hinweg. Auch wenn sie sich manchmal eine beste Freundin wünschte, war es viel besser bei denen zu blieben, die einem mögen anstatt dringend eine beste Freundin zu suchen, die dir nicht die gleiche Freundschaft anbieten konnte.