Kapitel 29
Der kalte Schein des Mondes fiel durch eine schmale Felsspalte und leuchtete auf die Pelze der schlafenden Katzen. Die Brombeere wälzte sich schlaflos in umher, der Traum von letzter Nacht verfolgte sie ständig in Gedanken. Während dem langen Tagesmarsch konnte sich Brombeere einfach nicht konzentrieren. Beim Jagen entwischte ihr jede Beute und sie wurde von weiteren Missgeschicken verflogt. Gegen Abend entdeckten die Jäger des Waldes einen Felsen, in der sich vor vielen Jahren eine aggressive Säure in den Stein gefressen hatte und verschiedene Muldenlöcher geschaffen hatten.
Brombeere, Donner und Stern benutzen eine der unteren Höhlenkammer. In der rechten benachbarten, einer wesentlichen kleineren Kammer, schlief Mond alleine und die vier Kater, mit denen sich Brombeere, Donner und Stern glänzend verstanden schliefen in der Linken. Über ihren Kammern ersteckte sich noch eine ganz grosse Hauptkammer, wo die restlichen Gefährten schliefen. Brombeere drehte den Körper wieder auf den Bauch und genoss den Druck des eigenen Körper auf dem Magen. „Jetzt denk nicht die ganze Zeit an den Traum und schlafe“, flüsterte Donner mit geschlossenen Augen. „ Schön wär’s“, seufzte Brombeere leise. Donner erhob sich besorgt auf die Pfoten: „Ich werde dich in den Schlaf hypnotisieren.“ Brombeeres Ohren zuckten. „Du kannst hypnotisieren?“ Donner nickte. „Mond hatte es mir beigebracht“, verkündete Donner stolz. Brombeere war etwas pessimistisch, lehnte sich aber trotzdem entspannt zurück, wie es Donner verlangte. „Stell dir eine leise speilende Holzflöte vor“, miaute Donner leise. Brombeere stellte sich die leise Melodie vor, die sanft und zugleich auch beruhigend wirkte. „Stell dir ein schöner Ort im Wald vor“, fuhr Donner fort. „Bei einem Lagerfeuer tanzen Katzen auf zwei Beinen.“ Ein Bild fügte sich vor Brombeeres Augen zusammen. Fröhliche Katzen die in einem Kreis miteinander zur schwingenden Melodie tanzten und lachten. Sie tanzten immer wilder und schneller und Brombeere stellte sich vor, wie selbst zur Melodie die Hüften schwangen. „Dann kommen drei Werkatzen hinzu“, die Stimme konnte Brombeere fast nicht hören, so sehr war sie mit der Musik in den Ohren beschäftigt. Brombeere sah sich selber mit Stern und Donner an der Seite und begannen im Kreis mit zu tanzten. Brombeeres Augenlieder wurden auf einmal schwerer und die Flammen des flackernden Lagerfeuers wurden grösser. Ein riesiger Löwenkopf fauchte in den Flammen und die Müdigkeit besiegte Brombeeres Bewusstsein.
Zufrieden beobachtete Donner, die schlafende Brombeere. Sobald der Hypnotisierte den Löwen im Feuer erblickt, schläft er ein wie ein Stein. Donner wusste nicht weshalb aber vermutlich war ein Löwe etwas Beruhigendes für eine Katze. Donner legte sich wieder in das frische Farm Nest hin, rollte den Schweif ein und schloss die Augen.
„Hilfe, aua, lasst mich los!“, schrie eine Stimme und weckte Donner aus dem Halbschlaf. „Hältst du jetzt dein verdammtes Maul!“, schrie eine weitere Stimme bedrohlich. Donner sprang auf und eilte schnell zum Höhleneingang. Jemand braucht dringend Hilfe!
Draussen herrschte rabenschwarze Nacht und stumme Schleiereule hockte auf dem Ast einer Eiche und beobachtete Donner. „Ihr Grobiane, lasst mich los!“, erst jetzt wurde Donner bewusst, von wo diese Stimmen kamen. Aus meinem Kopf!
Donner hielt sich die Ohren zu, in der Hoffnung es würde die Lautstärke der Stimmen eindämmen aber es half nichts. Da fiel Donners schmerzverzerrter Blick auf den Eingang von Monds Hölle. Sie kann mir bestimmt weiter helfen! Leise trat Donner in die kalte Hölle ein. „Mond?“, Donner wollte sie sanft aufwecken. Keine Antwort folgte. Ein Strahl Mondschein fiel über ihren Kopf in die Hölle. Donner entdeckte im Scheine des Mondes weder ein cremefarbiges Fell noch eine Katze. Der rare Geruch von Mond war noch zurückgeblieben, vermischt mit einem fremdartigen Geruch, den sie nicht kannte. Verzweifelt eilte Donner in die Nacht hinaus und suchte die nahe Umgebung ab aber Mond blieb verschollen. Der Lorbeerbusch vor Donner wackelte. „Mond!“, wollte Donner bereits rufen aber die Stimme versagte, als Fleck hinter den Zweigen auftauchte. Der gefleckte Jäger des Wales funkelte Donner streng ins Gesicht. „Wieso treibst du dich um diese späte Stunde rum?“ „Mond ist verschwunden“, jammerte Donner und versuchte die Verzweiflung zu unterdrücken. Teiger streckte den Kopf aus seiner Hölle. „Geht es auch noch ein bisschen lauter?“, knurrte er verschlafen. „Wir müssen Blitz unbedingt informieren“, drängte Donner Fleck. Der launische Kater schüttelte den Kopf. „Nein, wir werden Blitz nicht wecken .Bestimmt macht sie gerade einen Spaziergang, genau wie ich.“ „Und wenn ihr etwas zu gestossen ist?“, widersprach sie laut. Teiger mischte sich ein. „Hast du nie gelernt einer ausgewachsenen Katze zu gehorchen?“ miaute er streng. Donner hörte nicht zu und schätze lieber den Abstand zwischen Boden und Höllenkammer ab, wo Blitz schlief. Teiger durchschaute aber ihren Plan und wollte sich auf sie stürzten. Donner jedoch ahnte auch seinen Plan und wich schnell, wie ein Kaninchen, vor seinen Klauen aus. Teiger schlitterte auf der feuchten Erde aus und verlor das Gleichgewicht. Ein Objekt stand Donner aber noch im Wege, Fleck! Mit dem Kopf rammte sie ihn zur Seite und kletterte den nackten Felsen hinauf. Teiger nahm die Verfolgung auf und bevor er sie erwischen konnte schlüpfte sie in den dunklen Hölleneingang. Rasch erkannte Donner im Dunkeln Blitz. Der graue Kater schnarchend friedlich neben Flamme. „ Aufwachen!“, Donner rüttelte an seiner Schultern. Blitz wälzte sich und öffnete die Augen. „Was ist los?“, murmelte er verschlafen. „Mond ist verschwunden“, flüsterte Donner möglichst leise. Bevor Donner ein weiteres Wort aussprechen konnte, stand er hellwach auf den wackligen Beinen. Er schaute ihr ernst in die Augen. Seine gelben Augen waren vor Furcht verdunkelt. „Und was hat dich mitten in der Nacht zu Mond verschlagen?“ „Ich also...“, Donner überragte fieberhaft ob sie ihm von den geheimnisvollen Stimmen erzählen sollte. „Ich höre?“, bohrte er ungeduldig nach. „Mir war übel und deswegen wollte ich Mond aufsuchen aber sie lag aber nicht in ihrem Nest“, berichtete Donner aufgeregt. „Sie hat bestimmt einen Mondspaziergang unternommen“, einen Schatten fiel neben Donners schlanken Schatten. Fleck kam, flankiert von Teiger, wütend auf Donner zu gesteuert. „Tut uns leid, dass dich die Kleine geweckt hat, sie ist übergeschnappt“ Donner fuhr die Krallen aus. Die Kleine, hab ich richtig gehört? Du bist vielleicht gerade mal einen Monat älter!
„Verdammt, Mond ist nicht mondsüchtig und ausserdem liegt in ihrer Hölle ein fremdartiger Geruch!“, knurrte Donner. Blatt knurrte in ihrer Nähe aus dem Schlaf. „Erinnert der Geruch an einen toten Dachs?“, fragte Blitz hektisch. Donner zuckte mit den Schultern. „Warum nach einen toten Dachs?“, wollte Teiger wissen. Blitz antwortete nicht, stattdessen rannte er zum Höllenausgang und mit einem Satz war er an der Kante verschwunden. Donner streckte Fleck und Teiger die Zunge heraus und folgte Blitz.
„Hier riecht es wirklich eigenartig“, bemerkte Blitz und schnupperte in der kleinen Hölle herum. „Zu wem gehört er?“, hackte Donner nach und tanzte auf den Zehenspitzen herum. Sie konnte sich nichts schlimmeres Vorstellen als ein riesiger Dachs, der einen toten Katzenkörper zwischen den Zähnen festhielt. Blitz riss sie aus den Gedanken. „Könntest du Brombeere holen?“ „Wozu brauchst du Brombeere?“, eine Spur Eifersucht sprudelte in ihr hoch. „Sie ist eine der besten Fährtenleser.“ Donner neigten respektvoll den Kopf und eilte wieder zum Ausgang, wo Fleck und Teiger warteten. „Fleck, du kannst mir Flamme holen, er hat auch einen tollen Geruchssinn!“, befahl Blitz dem braunweissen Kater.
„Brombeere“, flüsterte Donner ihr ins Ohr. Keine Regung folgte. „Brombeere!“, zischte Donner lauter. Sie erwachte nicht aus dem tiefen Schlaf, dafür wurde Stern aus dem Schlaf gezehrt. „Was zum Kuckuck ist passiert?“ „ Mond ist verschwunden und leider erwacht diese Schnarch Nase nicht“, Donner warf einen Blick zu Brombeere. Ihre Nasenflügel blähten auf und ein lautes Schnarchen ertönte. „Bei dem Schnarchen wird gleich die Felsendecke einstürzten“, Stern amüsierte sich köstlich. „Broooombeereeee!“, schrie Donner. Brombeeres Haare sträubten sich zu Berge und im nächsten Moment stand sie zitternd auf den Pfoten. Donner drängte Brombeere aus der Hölle.
Mehr Jäger des Waldes hatten sich unterdessen um Monds Hölle versammelt mit besorgten Gesichtsausdrücken. „Habt ihr eben vorher so rumgekräht?“, wütend streckten Dunkel und Nacht ihren Kopf aus der benachbarten Hölle. „Keine Sorge, ich erledige das“, Stern schob Donner weiter. „Danke“, miaute Donner und zog Brombeere weiter. „Nicht so eilig“, Nacht schob sich in ihren Weg. „Ihr habt meinen Schlaf gestört.“ „Es ist ein Notfall“, erwiderte Donner kühl. „Ja, genau“, knurrte Brombeere, obwohl sie nicht wusste worum es handelte. Nacht machte sich keine Mühe, auch nur einen Schnurrharre zu bewegen. Entschlossen packte Stern sein Nackenfell und schleuderte ihn in Richtung Dunkel. Sie prahlten aneinander und fielen ins nachtfeuchte Gras. „Danke“, rief Donner ein zweites Mal und verschwand in Monds Hölle. Mit wutverzerrten Gesichtern funkelten Nacht und Dunkel Stern entgegen. „Kein Zeit für eine Tracht Prügel“, gab Stern zurück und sauste davon. „Verfluchter weisser Schneeball, bleib stehen!“, krähte Dunkel. Leider vergass Stern zu schauen in welche Richtung sie rannte, prahlte gegen einen muskulösen Körper und fiel rücklinks in den Dreck. Als Stern den Kopf aus dem Dreck hob, standen zwei grosse Tatzen vor ihrem Gesicht. Sie wanderte mit dem Blick hoch zum Gesicht. Teigers stechend grüne Augen funkelten ihr entgegen. „Augen im Hinterkopf?“, knurrte Teiger wütend. Stern schnaubte. Ein Kater hätte ihr wenigstens aufhelfen können!
„Halte Stern auf Teiger!“, rief Dunkel und rannte zu ihnen. Stern wollte fliehen aber Teiger hielt sie fest. Dunkel sprang mit ausgefahren Krallen auf ihren Rücken. Bevor Stern sich verteidigen konnte wurde sie unter einem stickenden Haufen von Katzenpelzen begraben. „Lasst Stern sofort in Ruhe!“, brüllte eine männliche Stimme. Die vier Katzen liessen von Stern los, die wacklig auf die Beine kam. Ihr Retter, Kralle, sass auf einem Felsvorsprung und funkelte ihnen wütend entgegen. „Macht euch nützlich, Mond ist verschwunden“, knurrte Kralle wütend. „Paaren könnt ihr euch noch später“, fügte er hinzu und sprang elegant vom Vorsprung. „Dein Gequake interessiert uns nicht, dreckiges schwarzes Fellknäul!“, knirschten Nacht und Streif zwischen den Zähnen hervor. Paaren? , wie bitte?, Stern knirschte ebenfalls mit den Zähnen, als die Kater maulend davon zogen. Aber was wäre passiert, wenn Kralle nicht eingegriffen hätte, bei diesen Katern wusste man nie.
Flamme schnüffelte an den kahlen Felswänden herum und rümpfte seine Nase, um den gespeicherten Geruch ganz genau durch die Geschmacksknospen gleiten zu lassen. „Wem gehört diesen Geruch?“, Blitz kauerte nervös in seiner Nähe. Flamme sah ihn mit ernsten Augen ins Gesicht und verschonte seine Stimme. „Sag es mir!“, verlangte Blitz, als Flamme weiterhin schwieg. „Die Jäger des Schattens“, murmelte er betrübt. „Also mich erinnert dieser eher an einen totem Dachs“, mischte Brombeere sich ein, die neben ihnen schweigend gewartet hatte. „Das ist es eben, die Jäger des Schattens riechen nach toten Dachsen!“, klärte Blitz sie auf. Donner schluckte in der Ecke einen Kloss hinunter. „Schon eine Spur gefunden?“, Sturm trat in die Hölle ein. „Die Jäger des Schattens haben zu geschlagen“, murmelte Flamme dem sandbraunen Kater entgegen. Sturms Augen rissen sich vor Sorge weit auf. „Wir brauchen mehr Beweise“, Blitzs Stimme klang verzweifelt, er wollte nicht an das Unheil glauben. Während Donner betäubt Löcher in die Felswand startte, suchte Brombeere nach mehr Beweisen. Ihr Blick blieb an den Wänden hängen, dort wo ein schwacher Strahl vom Mondschein hängen blieb waren deutliche Kerben zu erkennen. Brombeere begutachtete die Kerben und erkannte die spitzen gebogen Formen von Krallen. Frisch waren sie eindeutig, am Felsboden befand sie ein frisch abgekratztes Steinpulver. „Krallenspuren!“, rief Brombeere. „ Hier sind Krallenspuren im Stein!“ Blitz berührte die Stelle mit der Pfote und ein weisses Pulver blieb an seiner Pfote hängen. „Frisch“, murmelte er gekränkt. Donner sniffte traurig, ein kalter Luftstoss wirbelte Donner durchs Fell und sie fühlte sich so verlassen wie noch nie. In der Trauer spürte sie etwas Weiches zwischen den Zehen hängen blieben. Sie schaute genauer hin und entdeckte ein verfangenes cremefarbiges Fellbüschel zwischen den Zehen. „Hier ist noch einen Beweis auf einen stattgefundenen Kampf“, krächzte Donner und hielt den Felsbüsche in die Luft. Tränen liefen die Wange von Blitz hinunter und landeten mit einem leisen Geräusch auf dem Felsen. „Schatten!“, knurrte er und spielte mit den Krallen. Donner schloss die Augen. Es ist also wahr, komisch nur, das keine Katze auch nur einen laut von Mond gehört hatte.