Wieder einmal suchte ein Rudel Katzen nach Beute. Hungrig lauerten sie mit scharfen Krallen in ihrem Versteck, fest entschlossen zu vernichten.
Auch Blacky war einer dieser Katzen, welche jedoch keinen besonderen Gefallen an der Jagd fand. Sie hatte nichts gegen Mäuse, noch nie. Doch um bei den anderen Katzen nicht in Ungnade zu fallen, wendete auch sie sich öffentlich gegen Mäuse.
"Passt auf! Da kommt einer dieser Störenfriede."
Eine graue Maus mit weißen Ohren lief in die Richtung, in welcher die Katzen lauerten. Ahnungslos pfiff sie vor sich hin. Als die Maus nah genug war, sprangen die Katzen aus ihrem Versteck und umkreisen die Maus, ohne sie aus den Augen zu lassen. "Na sieh mal einer an! Wen haben wir denn da? Eine Maus." Alle Katzen, außer Blacky, lachten. Mit großen Augen starrte die Maus die Katzen an - sah nach links und sah nach rechts, in der Hoffnung eines Ausweg zu finden. Doch es gab keinen. "Was wollt ihr von mir?", fragte die Maus mutig. Die Anführerin der Katzen kam einen Schritt hervor. "Was wir wollen? Wir wollen, dass du und die anderen deiner...Art...verschwinden. Ihr seid hier unwillkommen!"
"Aber was haben wir euch denn getan?"
Wieder fingen die Katzen an zu lachen. Hilfe suchend sah die Maus jede einzelne Katze an, doch diese grinsten nur bösartig. Alle, bis auf eine. Blacky sah beschämt zu Boden. Es gefiel ihr nicht, was da ablief - schließlich hatte sie nichts gegen Mäuse. Warum sollte sie auch? Soll ich eingreifen, fragte sich Blacky und sah zu den anderen ihrer Art. Sie konnte nicht nachvollziehen, wieso die Katzen die Mäuse hassten. Schließlich bemerkte Blacky, dass die Maus zu ihr sah. Doch was sollte sie tun? Die anderen zu bitten einfach aufzuhören, war keine Alternative, denn dann könnten ja die Katzen meinen, dass Blacky sich mit den Mäusen verbunden hätte. Letztendlich wäre sie dann in der selben Situation wie die Maus.
"Wir haben euch doch nichts getan! Warum hasst ihr uns so? Schließlich sind wir doch alle Lebewesen aus Fleisch und Blut. Ihr könnt uns doch nicht verurteilen, nur weil wir keine Katzen sind." Erneut kam die Anführerin einen Schritt auf die Maus zu. "Genau. Ihr seid anders, Krankheiten der Natur. Wofür braucht man euch? Ihr vermehrt euch täglich und verbreitet euch wie eine Krankheit. Sogar unsere Arten steckt ihr an." Die Maus war fassungslos. "Das ist doch gar nicht wahr! Nur weil immer mehr Katzen merken, dass auch wir Mäuse ein Recht zu leben und zur Freiheit haben, heißt das noch lange nicht..." Blacky bemerkte, dass sich der Blick der Katzen veränderte und nun kampfeslustig auf die Maus schauten. Wenn Blacky etwas tun wollte, musste es jetzt geschehen. "Du weißt doch gar nicht, was du da sagst." Blacky trat aus der Menge hervor, ging zu der Anführerin und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Diese grinste die Maus diabolisch an, nickte und sprach: "Blacky will dir Maus ganz für sich allein. Lassen wir ihr doch die Freude, denn schließlich hatte due8noch nie eine ganz allein für sich zum...spielen." Die anderen Katzen miauten gehässig und stimmten zu. Blacky ging zu der Maus, welche verängstigt zu ihr sah und drückte sie zu Boden. "Ich möchte es allein machen. Nur so zum einüben."
"Das verstehen wir. Lass dir Zeit", sagten die Anderen und gingen weg. Blacky wartete noch einen kurzen Augenblick und sah dann zu der Maus hinunter, welche unvorstellbar zitterte. "Hör zu Maus. Ich will dir nichts tun, denn ich habe nichts gehen dich. Doch ich musste so tun, als ob ich dir ein Leid zufügen will." Irritiert sah die Maus Blacky an. Sie traute ihre Ohren nicht. Da sagte doch eine Katze, dass sie einer Maus nichts antun wolle. "Warum tust du das?" Blacky seufzte, sah zum Himmel und meinte: "Weil ich selbst lieber eine Maus wäre." Die Katze und die Maus unterhielten sich noch sehr lange. Die Zeit verging und der Mond tauchte die Häuser der Stadt in kühlendes Silber. "Wann hast du mitbekommen, dass du lieber eine Maus wärst?" Blacky überlegte kurz uns sagte: "Da war ich noch ziemlich klein. Ich konnte mit meinen Gefühlen nichts anfangen. Mit der Zeit beschlich mich eine Ahnung, doch ich wollte es mir nicht eingestehen, weil alle Katzen etwas gegen Mäuse haben." Beide seufzten. "Und nun sitze ich hier mit einer Maus und wünschte, dass ich auch eine wäre. Ich bin nicht normal. Ich bin anders. Keine Maus und keine Katze. Ich bin..."
"Du bist du und etwas ganz besonderes. Du hast die Seele einer Maus und den Körper einer Katze. So etwas ist etwas besonders! Verleugne es nicht. Schäme dich nicht. Sei stolz!" Die Katze nickte, sah zu dem Mond und rief voller Stolz und Überzeugung: "Ich bin eine Maus und das ist gut so!" Plötzlich begann der Mond hell zu leuchten und es wirkte fast so, als ob er nur auf die Katze schien. Blacky fühlte sich wohlig warm und ein Gefühl voller Zufriedenheit nahm einen Platz tief in ihrem Herzen ein - und ein Gefühl der Gewissheit. Gewissheit, dass sie trotz allem eine Maus war und auch sein wollte. Zufrieden wollte Blacky zu der Maus hinunter schauen, merkte jedoch bald, dass dies gar nicht möglich war, denn die Maus war auf der gleichen Höhe wie sie selbst "Was ist passiert? Warum bist du so groß?", fragte Blacky erstaunt. Doch die Maus lächelte nur und meinte: "Nein. Andersherum. Du bist auf meine Größe gewachsen. Du bist jetzt eine richtige Maus. Genau wie ich."
"Aber wie kann das sein???"
Vielleicht war es der liebe Mond, der der armen Katze helfen wollte...aber vielleicht war es auch Blacky selber, die sich so sehr wünschte eine Maus zu sein. In dem Moment, wo sich Blacky bewusst wurde, dass sie trotz allen Hindernissen eine Maus war, wurde der Rest unwichtig.
Und aus einer Katze, die lieber eine Maus sein wollte, wurde eine Maus, die eigentlich noch nie eine richtige Katze gewesen war.