Kapitel 1 Strand
Sanft um schmiegten die Wellen den hellen Sandstrand. Durch den wolkenlosen Himmel beschienen, glitzerte die Wasserfläche. Nichts erinnerte mehr an das blitzzuckende Unwetter der Nacht. Dem peitschenden Wind, der das Wasser mit voller Wucht an die schroffen Felsen drückte, war die Puste ausgegangen. Die sanfte Meerbriese lies die kleinen Wellen am Sand schäumend brechen. Das sanfte Rauschen hatte den gesamten Strand eingenommen.
In der Nähe der Felsen lag zusammengebrochen ein junger Mann...
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"Das Unwetter der letzten Nacht ist vorüber.", stellte Lukas befriedigt fest als er die Nase aus dem Fenster streckte. Eine sanfte Briese blies salzige Meerluft von den Klippen heran, die man fast schon schmecken konnte. Der junge Mann beschloss seine übliche Morgenpatrouille am Strand zu beginnen, sicher hatte das Unwetter einigen Unrat und Treibholz an den Strand gespült. Als Krieger des Dorfes war es unteranderem seine Aufgabe, dieses mit all seinen Territorien zu schützen, aber auch in Stand zu halten. Es störte ihn nicht, dass außer ihm niemand der alten Tradition folge leistete, da er so den morgendlichen Strand allein für sich hatte...
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"Dämon, wach auf." Eine melodische Stimme klang an sein Ohr. Die Stimme der jungen Frau war ihm vollkommen unbekannt und doch kannte sie seinen Namen. Salzige Nebelschwaden zogen durch seinen Kopf, die von ihrer warmen Stimme langsam, aber bestimmt aufgelöst wurden.
"Na los, hier kannst du nicht liegen bleiben.", forderte die Lieblichkeit auf. Sie hatte wohl recht, der Boden war keine Alternative zu einem gemütlichen Bett. Langsam regten sich seine Lieder, der grausamen Nacht schien ein wunderschöner Tag gefolgt zu sein. Zu wunderschön, stellte er fest, als ihn die grelle Sonne ins Gesicht stach. Die Mädchenstimme lachte über seine undefinierbaren Unmutsbekundungen. "Aufstehen.", jauchzte sie bestens amüsiert. Es half nichts, er musste sich endgültig damit abfinden. Langsam richtete er sich auf und streckte sich der Sonne entgegen. "Geht doch.", gluckste die Stimme, welche sich scheinbar einen Spaß daraus gemacht hatte ihn morgendlich zu quälen. Sich nach der Ruhestörerin umblickend, stellte er verwundert fest, dass er ganz allein am Strand war.
Wie kann das sein? Er hatte die Stimme doch vor einem Moment noch gehört.
Ihr Kichern erreichte ihn, egal wo er sich hinwendete, er konnte seine Quelle nicht ausmachen. Ungläubig rieb der junge Mann seine Augen. So fest, dass sie schon schmerzten.
"Sei unbesorgt, deine Augen funktionieren bestens."
"Wer bist du? Was bist du?"
"Bis bald, Dämon.", endete die Stimme, seine Frage nicht beachtend.
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Der Strand scheint sauber zu sein, stellte Lukas zufrieden fest. Seinem wachsamen Blick entging nicht, dass ein Fremdling an der Saumgrenze die Wellen beobachtete. Die nussbraunen Strähnen hingen wie frisch gewaschen, aber trocken, in das Gesicht des Fremden. Behutsam näherte sich Lukas der Person. Man konnte ja nie wissen, ob es nicht ein Feind war...
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Ein Mann mit rotbraunem Haar schritt auf Dämon zu. Vorsichtig, aber ohne sich verstecken zu wollen näherte sich der wahrscheinlich bewaffnete Mann. Wenige Schritte vor Dämon beendete er sein Vorankommen: "Dein Gesicht kommt mir nicht bekannt vor."
Ich weiß selbst nicht, wie ich aussehe, stellte Dämon fest und schritt an die Saumgrenze um in das klare Meerwasser zu blicken. Verschwommen konnte er die Spiegelung seines Gesichts erkennen. Sein braunes Haar, verdeckte ein wenig die smaragdgrünen Augen. Das Gesicht war vom Sand zerkratzt und hatte eine kleine Schnittverletzung an der Wange, die ihm erst jetzt bewusst wurde. Reflexartig betastet er die Stelle, die bei der Berührung feurig brannte.
"Ich habe dich etwas gefragt.", brachte sich Lukas streng wieder ein.
"Wo bin ich?", erwiderte Dämon ohne auf die erneute Frage einzugehen.
Von der unbeeindruckten Art des Fremden beeinflusst, senkte sich die Anspannung in Lukas. Warum das so war konnte er sich nicht erklären, aber ihm schien sein Gegenüber wie ein Ruhepol. "Du bist ein merkwürdiger Gesell. Wir stehen hier zu Füßen der Klippen von Nabat. Hauptstadt des Reiches Kewir. Und wo kommt unser Findling her?"
"Ich weiß es nicht."
"Soso, soll's eine Finte sein? Nicht wissen, woher man kommt und nicht wissen wo man lebt? Lüge, ist keine Alternative zur Wahrheit."
"Es ist die Wahrheit!", reagierte Dämon brüsk.
"So, wie ist dein Name?"
"Ich heiße Dämon. Mehr weiß ich auch nicht.", funkelte Dämon noch immer etwas beleidigt, den unbekannten an.
Was war denn das für eine Art? Er konnte doch auch nichts dafür, an diesem Strand aufzuwachen. Lieber hätte er seine Nacht in einem Federbett verbracht. Aber dem war eben nicht so. Sich jetzt auch noch von einem Typen als Lügner bezeichnen zu lassen, war Gift für den schon ruinierten Morgen.
"Verzeih meinen Ton, ich heiße Lukas. In letzter Zeit treten vermehrt Banditen auf, die meinem Dorf schaden wollen..."
"Schon gut.", wiegelte Dämon die beschwichtigende Erklärung seines Gegenübers ab." Aber war die Verstärkung den unbedingt nötig?"
"Verstärk...[ung?]"
"Hehe, er spricht von uns.", kicherte eine maskierte Gestalt, als sie hinter einem Felsen, einem Schatten gleich, hervorsprang. Zwei weitere folgten ihr mit ähnlicher Schnelle. Die drei Gestalten verbargen ihr halbes Gesicht hinter einer schwarzen Gesichtsmaske. Ihre krummen Dolche waren so schnell gezückt, wie sie die Deckung der Felsen verlassen hatten...
*
Die Stimme hatte sich wieder gemeldet gehabt. Sie empfahl ihm tief einzuatmen, seine Gedanken auf seine Arme zu konzentrieren und die dabei zu spürende Energie in Richtung des Feindes frei zu lassen. Dämon tat, wie ihm geheißen, im selben Moment waren zwei der Banditen an die spitzen Klippen der Felswand geschleudert. Schwer verletzt brachen sie stark blutend zusammen. Der Anführer der Bande wurde durch den Schock leicht überwältigt. Lukas fesselte die drei, fassungslos behielt er seine Bekanntschaft im Blick. Eindeutig war Dämon ein Magier, aber die Kraft die er an den Tag gelegt hatte, war selbst den meisten Magiern, nach härtestem Training, in ihrem Leben nicht vergönnt. Dieser blickte auf seine Hände und konnte nicht begreifen, was soeben geschehen war...