7. Kapitel
Ashalia und Haialah lagen zusammen auf einem bequemen Liegesofa in Ashalias Haus. Haialah streichelte leicht Ashalias nackten Arm . «Deine Haut ist schön weich,» sprach sie liebevoll.» «Das hat mir Anauel auch schon mal gesagt,» sprach Ashalia. «Das ist jetzt aber gar nicht romantisch. Ich will jetzt wirklich nicht an Anauel denken!» «Es tut mir leid, aber ich habe immer noch das Gefühl, dieser Mann sitzt mir im Nacken und wird eines Tages auf einmal wieder hier auftauchen und alles zerstören.» «Nein das wird er nicht, dafür sorge ich schon!» Haialah gab ihr einen Kuss auf die Stirn. «Ja, ich weiss,» lächelte Ashalia und drückte die Hand ihrer Gefährtin. «Ich bin sehr froh, dass wir uns gefunden haben. Du gibst mir das Gefühl… ganzer zu sein.» «So geht es mir auch. Eine aussergewöhnliche Geschichte, die uns da verbindet.» «Ja, du bist mir näher als alle anderen. Ich fühle mich sicher und geborgen bei dir. Allein… fühlte ich mich oft so verletzlich.» «Und ich fühle mich alleine, niemals richtig lebendig. Auch wenn da irgendwo noch jemand ist, der einst als Gegenstück von uns geschaffen wurde, so kümmert mich das immer weniger, seit ich bei dir bin.» «Und doch, frage ich mich manchmal, was uns noch alles erwarten wird. Menschen wie Anauel geben niemals auf, bis sie das erreicht haben, was sie wollen. Er wird mich suchen und wenn er mich findet?» «Wenn es sein muss, verteidige ich dich mit meinem Leben.» «Aber… eigentlich sollte das doch gar nicht nötig sein. Wir sollten doch alle in Frieden leben und das Volk der Ibranis müsste nicht so gespalten sein.» «Das ist wohl das Ergebnis der langen Abgeschiedenheit vom Licht,» gab Haialah zu bedenken. «Viele wissen einfach nicht mehr, wie es richtig geht. Ich fühle mich manchmal auch etwas verloren. Ich merke zudem, dass etwas unter der Oberfläche brodelt und manchmal habe ich richtiggehend Angst, um unsere Welt.» Ashalia streichelte tröstend die Wange ihrer Gefährtin und sprach: «Ja, ich spüre diese Angst manchmal ebenfalls, doch so lange du und ich zusammen sind, werden wir sicher immer einen Weg finden.» «Ja, das denke ich auch. Morgen haben wir eine Rastsitzung auf der grossen Almlichtung. Dort werden wir unser weiteres Vorgehen besprechen. Kommst du mit mir?» «Ja, wenn du möchtest.» «Es würde mich freuen, ausserdem erfährst du dann gleich, was weiter geplant ist.»
Als wir wieder aufbrechen, schlagen wir die Richtung zu den naheliegenden Bergen ein. Die Paradisi sind gut ausgeruht und so erreichen wir ziemlich schnell, die ersten Hügelkämme. Wir fliegen so niedrig wie möglich, um nach anderen Menschen Ausschau zu halten. Der Ibrani König hatte uns vor den Rebellen gewarnt, welche scheinbar immer mal wieder Reisende überfallen, um ihnen ihre Waren abzunehmen. Das ist etwas, dass wir auf keinen Fall dulden können, denn die Söhne und Töchter, aus den einst himmlischen Gefilden, dürfen sich keinesfalls gegenseitig bestehlen. Wir fühlen uns eigentlich ziemlich sicher auf unseren wundervollen Flug- Reittieren, doch es ist eine trügerische Sicherheit, wie wir bald merken. Denn auf einmal zischen, dicht an uns vorbei, einige seltsame, längliche Gebilde, mit gefährlichen Spitzen. Entsetzt weichen wir den gefährlichen Geschossen aus und lassen unsere Paradisi auf einem, von Felsen geschützten Hochplateau, landen. Vorsichtig wagen wir uns etwas aus unserer Deckung hervor. Und schon wieder zischen einige der seltsamen Gebilde auf uns zu, diesmal treffen mich zwei davon. Sie bohren sich tief in meinen Oberarm und in meine Seite. «Bei allen Seelen!» Ich ziehe die seltsamen Dinger aus meinem Körper. Töten können uns diese zwar nicht, aber es ist doch sehr unangenehm, sie im Körper stecken zu haben. Es geht aber mehr um die dunkle Energie, welche diesen Geschossen innewohnt: Energie aus Hass und Verachtung. Es erschüttert uns zutiefst, dass wir auf diese Weise angegriffen werden und unsere Aura verdunkelt sich, vor Trauer und Entsetzen. «Was soll das?!» rufe ich und trete nun mit beschwichtigend erhobenen Armen, aus der Deckung hervor, während immer mehr der Geschosse um uns herum zischen und auch meine Begleiter und die Paradisi in Angst und Schrecken versetzen. Hinter den gegenüberliegenden Felsen entdecke ich einige Gestalten, mit schwarzen Augenmasken. Diese feuern die Geschosse ab. «Das sind Pfeilbogen!» ruft Dinael. «Sie haben Pfeilbogen!» ich habe sowas noch nie gesehen. Weitere Pfeile fliegen herbei und bohren sich an unzähligen Stellen, in meinen Körper. «Autsch!» klage ich und bin selbst erstaunt, dass ich solche Schmerzen spüre. Das ist eine ungewohnte, beängstigende Erfahrung.
«Hört sofort auf damit!» brülle ich nun, von Zorn ergriffen und hebe mein Medaillon hoch. Die Sonnenstrahlen fallen darauf und lassen es erneut kurz aufglühen. «Beim grossen Geist!» entfährt es den Maskierten und sie halten sogleich in ihrem schändlichen Tun inne.
Sie legen ihre Pfeilbogen zur Seite und kommen nach vorne. Ungläubig starren sie uns an. «Ihr… ihr seid es wirklich! Die grossen Führer, die Boten unserer göttlichen Eltern!» «Genau! Die sind wir! Was erlaubt ihr euch, uns auf diese Weise anzugreifen? Das verstösst gegen eins der wichtigsten Grundgesetze von Eden. Wir dürfen uns nicht bekämpfen. Was um alles in der Welt soll das?»
Einer der Bogenschützen, nimmt seine Maske ab und ergreift das Wort, während er sich leicht vor uns verbeugt. «Wir sind untröstlich, verzeiht uns. Wir ahnten ja nicht, dass die grossen Führer noch leben und uns sogar die Ehre erweisen, uns hier aufzusuchen.»
«Rede nicht so geschwollen daher!» sprach Hanael noch immer ärgerlich. «Was habt ihr euch überhaupt gedacht, anderen Brüdern und Schwestern mit diesen… schrecklichen Dingern...,» er deutete auf die Pfeilbogen, während er sich noch den letzten Pfeil aus dem Oberschenkel zog, «überhaupt auf diese Weise Schaden zuzufügen?» «Wie gesagt, es tut uns sehr leid,» sprach der junge Mann mit glattem, schulterlangen, kastanienbraunem Haar. «Wenn wir euch erkannt hätten, dann…» «Es geht doch nicht darum! Niemand hat so einen Angriff verdient!» «Leider hat sich viel verändert, seit ihr verschwunden seid…» meldete sich nun eine Frau mit wallenden, dunkelroten Locken zu Wort. Als sie die Maske abnahm, schaute Hanael in zwei dunkelgrüne, ziemlich durchdringende, Augen. Sie blickte die Neuankömmlinge herausfordernd an. «Wenn ihr nicht verschwunden wärt, grosse Führer, dann müssten wir uns heute vielleicht nicht vor Anauel und seinen Anhängern schützen. Leider jedoch gelten wir hier als Rebellen, als Gesetzlose, ja als Freiwild, weil wir uns gegen Anauels Führungsstil auflehnen.»
«Wir haben mit Anauel gesprochen,» erwiderte Hanael kühl «und er sagte, ihr hättet seine Geliebte Ashalia entführt.» «Entführt! Seine Geliebte!» rief die junge Frau aus «das sieht ihm wieder mal ähnlich diesem… diesem, ach ich finde keine Worte für ihn! Ashalia ist vielmehr vor ihm geflohen, weil er sie ständig belästigt hat. Er wollte sie schon immer für sich und hat die verrückte Idee, dass jene die von ihren Dualen getrennt wurden, nun mit anderen, ebenfalls alleinstehenden Dualen, zusammengebracht werden müssen. So ein Schwachsinn! Wo bleibt da der freie Wille? Ashalia wollte nie mit Anauel zusammen sein. Kein Wunder, der Kerl ist ja verrückt! Ashalia ist nun mit mir zusammen! Mein Name ist Haialah und ich bin eine der Anführerinnen der rebellierenden Kriegergarde…»