13. Kapitel
Die Nacht bricht langsam herein und wir müssen baldmöglichst einen Platz zum Rasten finden. In der Dunkelheit ist es schwierig, sich noch richtig zu orientieren. Wir fliegen über einen Wald, welcher wie ein dunkles Meer unter uns wogt. Angestrengt halten wir nach irgendwelchen Lichtern Ausschau. Das ist gar nicht so einfach hier, doch schliesslich werden wird doch fündig. Ein Stück vor uns, erkennen wir den flackernden Schein einiger Feuer zwischen den Bäumen und setzen zur Landung an.
Die Gruppe von Lichtern entpuppt sich als ein Dorf, welches unserem Heimatdorf in vielem sehr ähnelt. Auch hier leben die Leute vor allem in Baumhäusern. Im Schein eines grossen Lagerfeuers erkenne ich, dass diese Häuser allerdings bunt bemalt sind, das ist etwas anders, als bei uns. Die Bäume, auf denen sich die Häuser befinden, faszinieren mich jedoch fast noch mehr als die Häuser selbst. Ich erkenne nun, dass ihre Blätter und Stämme in allen Farbschattierungen leuchten. Das ist mir im Dunkeln bisher nicht aufgefallen. Es gibt alle Farben des Regenbogens und auch die Leute, die wir nun um das Lagerfeuer sitzen sehen, sind erstaunlich bunt gekleidet. Anders als bei den Ibranis jedoch, sind diese Kleider aus etwas grobmaschigeren Stoffen und besitzen einen bequemen Schnitt. Die meisten hier, auch die Frauen, tragen Hosen und weit geschnittene Tuniken, die mit einem Gürtel zusammengehalten werden. Ihre Haare sind vorwiegend lang und schwarz, ihre Haut etwas dunkler als meine, aber einiges heller als jene von Dinael. Das muss ganz klar ein Stamm der Indigenes sein.
Doch da ist noch etwas anderes, etwas das mich sehr verunsichert. Es ist ein Käfig und in diesem Käfig sitzt ein Mann, der genauso aussieht, wie die anderen Dorfbewohner. Aber warum ist er eingesperrt? Dem muss ich näher auf den Grund gehen. So gebe ich meinem Paradisi Alba das Kommando zur Landung anzusetzen, während die Indigenes mit grossen, erstaunten Augen, zu uns emporblicken.
Orphiel und Orphiala schauten, zusammen mit ihren Leuten und Tierbegleitern ungläubig zum Himmel empor. Wer kam da noch zu so später Stunde und erst noch auf so edlen Paradisiacae dahergeflogen?
Als die Reiter näherkamen und schliesslich neben dem grossen Lagerfeuer landeten, konnte das Fürstenpaar es kaum fassen. «Aber das sind doch… Das sind die grossen Führer, Hanael und Hanania! Sie besuchen uns also doch. Wie wunderbar!
Die Neuankömmlinge waren berührt von dem herzlichen Empfang, denn die Leute jubelten und umkreisten sie alle mit strahlenden Gesichtern. «Ihr wusstet, dass wir kommen?» fragte Hanael erstaunt. Orphiel ergriff das Wort: «Ja, das Reh hat uns erzählt, dass ihr zu den verschiedenen Völkern reist und da dachten wir, ihr kommt bestimmt auch bald hierher. Wir haben viele Leckereien gesammelt, gebacken und gekocht, um euch einen würdigen Empfang zu bereiten, doch nun waren wir doch nicht wirklich vorbereitet. Es tut mir leid.» «Nur keine Umstände,» beschwichtigte ihn Hanania. «Wir brauchen nicht viel. Nur ein Bett für die Nacht wäre ganz schön!» «Aber natürlich! Ihr werdet natürlich in einer würdigen Unterkunft nächtigen. Ein Baumhaus haben wir schon für euch vorbereitet, eure Freunde…» Orphiel nickte Dinael und den beiden Ibrani Frauen ebenfalls freundlich zu, «werden wir sicher auch noch dort unterbringen können.» «Das wäre sehr nett!» freute sich Hanael und entschloss vorerst nicht zu fragen, wer denn der Mann im Käfig war. Er war schrecklich müde und wollte nur noch schlafen. Die Indigenes waren wirklich sehr freundlich. Sie richteten ihnen ihr eigenes Baumhaus, mit allem nötigen Komfort ein und stellten auch noch einige Leckereien, Früchte und Beeren aus dem Wald, frisch gebackenes Brot und ein süsses Getränk bereit.
Sogleich legten sich die Reisenden schlafen, um am nächsten Tag wieder neu gestärkt am Dorfleben der Indigenes teil zu nehmen.
Heiteres Vogelgezwitscher weckte Hanael und diesem kam es einen Augenblick lang vor, als ob er wieder zu Hause wäre. Eine wundervolle Ruhe und Freude, erfüllt sein Herz. Ja, an so einem Ort, konnte die Seele wahrlich genesen. Eine Weile blieb er noch liegen, in die weichen Decken seines Bettes eingekuschelt. Neben sich den warmen Körper von Hanania, welche still und regelmässig atmete. Sie schien noch zu schlafen. Er schaute seine Liebste an und einmal mehr, wurde ihm das grosse Glück bewusst, dass er eigentlich hatte. Er und seine Partnerin waren zusammen und sie schien ganz von ihrer Schwermut geheilt. Das war das grösste Geschenk überhaupt. Er erhob sich langsam und ging zum Fenster. Als er hinausblickte, schaute er atemlos um sich. Die Bäume bildeten ein Feuerwerk an Farben, welches durch die Morgensonne noch etwas weichgezeichnet wurde. Die Luft war erfüllt mit einem wundervollen Geruch. Es war, als würde jeder Baum seinen ganz eigenen Duft verbreiten, welcher auch noch zu seiner Farbe passte. Blumen wuchsen dicht an dicht, es gab sogar Orchideen, welche sich auf den Ästen der Bäume ausbreiteten. Alles schien in sanftes Regenbogenlicht gehüllt und herrliche Vögel, flogen über ihren Köpfen. Hier hatte es vielleicht sogar Paradisi! Wie als Antwort, flog Alba auf einmal heran und landete auf dem Balkon, des prächtig bemalten, Baumhauses. «Es gibt hier einige unserer Art,» sprach sie. «Ich habe sie gefragt, ob sie evtl. bereit wären noch einige Personen mehr zu tragen, sollten noch einige mit uns mitkommen wollen. Ich erfuhr dadurch, dass auch das Fürstenpaar hier eigene Paradisi haben und es gibt auch noch ein paar andere. Jedenfalls würden sie uns schon helfen, sollte es nötig sein.» «Das sind gute Neuigkeiten Alba, vielen Dank!» Der Vogel neigte leicht den Kopf. «Dann ruf mich einfach, wenn du mich brauchst.» «Das werde ich tun, geniess deinen Tag, vermutlich bleiben wir noch eine Weile hier.»