2. Kapitel
Die geheimnisvolle Frau
So leide ich und kämpfe ich die ganze Nacht hindurch, bis mich schliesslich die Erschöpfung übermannt und ich doch noch in einen unruhigen Schlaf falle. Einen Schlaf, voll mit wirren Träumen und umherhuschender Schatten… und dann ist da auf einmal diese Frau, schrecklich und doch so schön zugleich! Sie schaut mich an und… es ist als würde sie Besitz von mir ergreifen wollen. Sie hat langes, schwarzes Haar, das etwas ungeordnet erscheint, es wirkt aber, als sei das so gewollt. In ihren dunklen, beinahe schwarzen Augen liegt ein gefährliches, kriegerisches Funkeln, dass mich in einer Weise fasziniert, die sich schwer beschreiben lässt. Man sieht ihr an, das sie stark ist… ja sie ist stark und sie ist kriegerisch… nicht… wie ich. Sie trägt in der einen Hand einen langen Speer, von welchem Blut tropft und auf den Rücken schwarze Schwingen. Einen Augenblick lang, überkommt mich Furcht. Ist sie womöglich ein Dämon? Aber… sie schaut mich nicht wie eine Dämonin an. Trotz des Funkelns in ihren Augen, scheint sie mit gut gesinnt. Sie streckt mir nun den blutigen Speer entgegen und fordert mich auf ihn zu nehmen. Doch… noch wage ich es nicht. Ausserdem graust es mich vor dem Blut, an der silbern, im seltsamen Zwielicht einer düsteren Welt, schimmernden Klinge. Denn von wem mag dieses Blut stammen?
Die Frau hebt nun ihre andere Hand, welche zuvor für mich noch nicht sichtbar gewesen war und… ein unglaublicher Schrecken durchfährt mich, als ich sehe, dass sie in der Hand den Kopf eines Mannes hält, eines Mannes… der mir nur allzu bekannt vorkommt! Es ist er, der der mich schon so lange quält und von dem ich mich doch nicht lösen kann. Die Frau hält den Kopf an seinem Haarschopf und dieser baumelt grotesk hin und her. Seine toten, stumpf gewordenen Augen, blicken mich aus tiefen Höhlen an und… ein lauter Entsetzensschrei dringt aus meinem Mund…
Ich schrecke auf und bemerke, dass dies alles nur ein Traum gewesen ist. Seltsamerweise spüre ich etwas wie Bedauern, dass ich nicht weiter bei der geheimnisvollen Frau habe bleiben können, denn sie hätte mir vielleicht die Kraft geben können, die ich gebraucht hätte, um einen weiteren Tag in meinem erbärmlichen Leben zu bestreiten. Ich hebe den Verband, den ich irgendwann in der Nacht noch lose um meine Handgelenke gewickelt habe, etwas an. Die Schnitte darunter schmerzen. Ich stehe auf und gehe mit schleppenden Schritten ins Bad. Wenigstens kann ich heute zur Schule, das lenkt mich jeweils etwas ab. Ich kann dort immerhin ein Ziel erreichen, meine Noten sind sehr gut und eine Arbeitsstelle, habe ich ja auch schon gefunden. Das alles hilft mir etwas über mein Leid hinweg. Ich gehe unter die Dusche und lasse die Strahlen selbiger, mit geschlossenen Augen über meinen Kopf und meinen Körper fliessen. Duschen empfinde ich stets als sehr wohltuend, denn es wäscht gewissen Schmutz vom Körper und damit auch der Seele. Dennoch ganz gereinigt fühle ich mich trotzdem nie, auch wenn ich stets fein duftendes Duschgel verwende und meinen Körper auch gerne etwas eincréme. Aber weder das, noch Deo noch Parfum, oder Make- up erfüllen wirklich ihren Zweck, weil ich mich danach irgendwie noch immer ausgelaugt und leer fühle und die Schatten unter meinen Augen und mein hageres Gesicht, lassen sich mit keinem Make-up wirklich kaschieren.
Aber immerhin… ich sehe mich im Spiegel an, welcher irgendwie etwas schmutzig ist. Wie unter einem Zwang, hole ich einen Lappen und reibe ihn sauber. Aber wozu eigentlich? Nur um irgendeine vermeintliche Ordnung und Sauberkeit in meinen Tagesablauf, aufrecht zu erhalten? Ich umfasse meine Handgelenke mit gequältem Gesicht und lehne meine Stirn dann erschöpft gegen den Spiegel. Ich fühle mich so müde, so ohne Kraft… Dass der Spiegel dadurch wieder schmutzig wird, nehme ich mit leerem Blick zur Kenntnis. All dieser Schnickschnack, bringt eh nicht wirklich was. Mein Gesicht ist so bleich, meine braunen Augen, liegen so tief in ihren Höhlen, fast wie… bei dem Toten, den ich im Traum gesehen hatte. Lebe ich überhaupt noch, oder bin ich schon länger tot, als ich denke?
Auf einmal verschwimmt alles vor meinen Augen und ich schliesse diese, um wieder klarer sehen zu können. Und dann… ist da plötzlich wieder diese Frau, im Spiegel und schaut mich an! Die seltsame, unheimlich schöne Frau. Es ist… als wäre sie mich. Wieder dringen ihre Augen tief in meine Seele vor und… ich merke, wie sie mir immer näher und näher kommt, wie sie Teil von mir werden will… Da hämmert es auf einmal heftig an meine Tür und die Frau ist verschwunden. Ich schüttle mich, um mich wieder in der Realität zurecht zu finden und sogleich ergreift mich Panik. Was wenn er es ist? Mein Puls fängt wieder an zu rasen, mein Mund und mein Hals sind auf einmal staubtrocken.
„Mach auf!“ höre ich ihn sogleich brüllen „verdammt nochmals mach auf, oder ich schlage die Tür ein!“ Oh nein! Nicht schon wieder er! Warum kann er mich nur nicht endlich in Ruhe lassen? Seit ich mich von ihm getrennt habe, dreht er total durch. Er war schon früher verrückt, aber nun… ist er noch unberechenbarer geworden! Er sieht mich als seinen Besitz an und… er scheint sich noch im Recht zu fühlen, während er mich misshandelt. Er sagt immer, dass ich daran Schuld sei und ich nicht einfach abzuhauen hätte, als seine... Frau. Fast jeden Tag führt er mir das wieder vor Augen, indem er mich heimsucht, wo auch immer ich bin. Ich habe Angst, ich fange an zu zittern. Ich will ihm auf keinen Fall öffnen, denn ich weiss was dann passieren wird. Aber wenn ich nicht öffne, könnte es unter Umständen noch schlimmer werden. Ich zögere lange, wohl zu lange, denn mein Ex Freund wird immer zorniger und hämmert wie ein Besessener gegen die Tür. Wenn ich ihm nicht öffne wird er mir sonst irgendwo auflauern, das war schon immer so. So atme ich nochmals schwer ein und aus und drehe dann den Schlüssel im Schloss meiner Tür. Als ich die Klinke niederdrücke, wird diese mit enormer Gewalt aufgeschmettert und trifft mich hart am Kopf. Ich taumle zurück und… er kommt herein, wutschnaubend, seine Augen in irrem Glanz funkelnd, sein Gesicht puterrot und sein Haar zerzaust. Er sieht für mich nur noch schrecklich aus. Ich kann an ihm nichts mehr Schönes finden, dabei… habe ich ihn mal so geliebt. Ehe ich mich wieder richtig erholen und klar sehen kann, ist er schon bei mir und… schlägt mit voller Wucht zu! Mir ist als zerberste mein Kopf, Blut spritzt zur Seite. Meine Augen tränen. Seine Schläge sind hart, so schrecklich hart! Er ist brutal und grausam und… ich… habe ihm nichts entgegen zu setzen…
„Doch! Hast du!“ höre ich auf einmal eine Stimme in mir. „Es ist genug! Ich werde dir helfen!“ und… in diesem Augenblick sehe ich erneut die schöne, zugleich wilde Frau vor meinem inneren Auge und diese kommt immer näher und näher. Ich bin so in Not, dass ich mich nicht mehr dagegen wehren will. Ich will nur noch, dass Er verschwindet, dass er mich endlich in Ruhe lässt und… je mehr die Frau von mir Besitz ergreift, umso zorniger und krafvoller werde ich. Er schlägt noch einmal zu und mein Kopf scheint ein weiteres Mal zu explodieren.
Doch dann auf einmal, spüre ich eine gewaltige Kraft in mir, eine Kraft, welche ich zuvor noch niemals gespürt habe. Sie muss es sein, diese geheimnisvolle Frau muss es sein, die mir diese Kraft verleiht… Mein Bewusstsein entgleitet mir und ich bin auf einmal nur noch dunkler Zorn und Rache!
3. Kapitel
Die Rache wird dich treffen!
Nach einiger Zeit, komme ich auf einmal wieder zu mir. Ich liege inmitten von Scherben und er… liegt nicht weit von mir, ebenfalls in einer Menge Scherben. Er ist ohnmächtig, blutet und hat einige Hämatome in seinem Gesicht. Seine Kleider sind zerfetzt, wie von langen Krallen. Meine Wohnung ist ein reines Trümmerfeld. Alle Flaschen aus meiner kleinen Hausbar sind zerschmettert, Möbel liegen in wildem Durcheinander herum, teilweise in ihre verschiedenen Bestandteile aufgesplittert. Ich selbst spüre den Schmerz von seinen Schlägen noch in meinem Gesicht, das nun ziemlich stark zu brennen beginnt und ich gehe zum Spiegel, um zu sehen, ob alles noch dran ist. Mein Blick wandert ein weiteres Mal zu meinem Ex Freund herüber. Was ist da nur passiert? Ich gehe zu ihm hin und schaue, ob er noch atmet...