Vor langer, langer Zeit entstand eine Legende über die farbenfrohen Lichter, die sich über den Nordhimmel zogen.
Die Wikinger glaubten, dass die Nordlichter die Reflektion der Schilde der Walküren darstellten. Dies war ein Zeichen dafür, dass eine Schlacht geschlagen war und die Frauen nun die gefallenen Helden nach Walhalla führten.
Es war der 25. Dezember und die Schneeflocken fielen leise vom Himmel. In den letzten Tagen hatte sich eine grausame Schlacht zugetragen. Die Erdriesen wollten ein weiteres Mal Asgard erorbern, doch wie bei den vorherigen Versuchen versagten sie. Es war eine der härtesten Schlachten gegen die Riesen gewesen und viele Helden waren gefallen. Die Walküren streiften umher und suchten die Vergangenen zusammen, um sie nach Walhalla zu bringen.
Die Schlachtjungfer Nora sammelte seit über sechs Stunden die verstorbenen Krieger der Schlacht ein. Genau wie alle anderen war sie mit ihre Nerven völlig am Ende und wollte nur noch eins.
Nach Hause.
Es war Weihnachten, das Fest der Nächstenliebe, das man eigentlich mit seiner Familie verbringen sollte. Und sie stapfte hier durch den kniehohen Schnee und sammelte Verstorbene ein.
Sie hatte sich ihren Schild auf den Rücken geschnallt und das Schwert zurück in dessen Scheide gesteckt.
Mit einem Seufzen wandte sie sich dem letzten Gefallenen zu, der dort auf dem Boden kniete und völlig desorientiert wirkte. Langsam ging sie auf ihn zu und erklärte ihm die ganze Sache routiniert. Dass er nun ein Einherjer war und in Odins Palast leben würde. Tot und zugleich lebend. Das war nun sein Dasein.
Odin sei Dank war er ein ziemlich schlauer Kerl, der das Ganze recht schnell begriff und auch keinen hysterischen Heulkrampf bekam. Zusammen mit dem jungen Mann trat sie durch das Tor, das sie von Midgard nach Asgard brachte.
Staunend betrachtete Marc, so hiess der neue Einherjer, Gladsheim, den strahlenden Palast des Allvaters.
Auch sie war jedes Mal aufs Neue gefesselt von dessen Anblick.
Der Eingang wurde von zwei massiven Goldsäulen eingerahmt, die ihm Licht der Sterne strahlten. Jedes Fenster war umrahmt von einer Ladung Rubinen und an den Aussenwänden des Hauses zogen sich Ranken aus Smaragden hoch. Nora blinzelte und löste sich aus ihrer Starre. Sie wandte sich Marc zu und musste ihn schon fast in das Gebäude hineinzerren, so gefesselt war er von dem Anblick.
Walter, der Portier des Hauses, übernahm den jungen Mann für sie, führte Marc in seinem neuen Zuhause umher und erklärte ihm alles.
Nora stieg währenddessen die Treppe in den fünfzehnten Stock hoch, wo sich ihre Gemächer befanden. Mit schnellen Schritten ging sie auf die Räumlichkeiten zu, denn sie wusste, wer dort drinnen auf sie wartete.
Die Tür war nicht abgeschlossen und die dunkelhaarige Walküre trat ein.
Ida sass auf dem Bett und hatte die Nase in ein Buch gesteckt. Sie schien Nora erst zu bemerken, als diese direkt vor ihr stand.
»Hi Ida«, flüsterte Nora. Ihr Herz schlug vor Verlangen, als sie den Blick auf Idas volle Lippen senkte.
»Wo warst du so lange?«, murrte ihre Freundin, jedoch mit einem Lächeln im Gesicht.
»Einherjer einsammeln. Ich wünschte auch, ich hätte den Tag mit dir verbringen können«, erwiderte sie und legte den Schild und das Schwert ab. »Aber dafür haben wir die ganze Nacht für uns.« Sie grinste neckisch.
Ida lächelte genauso schelmisch zurück und flüsterte heiser: »Komm her.«
Das liess sich Nora nicht zweimal sagen. Sie kletterte zu ihrer Freundin ins Bett und nahm ihr das Buch aus der Hand.
»Jetzt bin ich dran.« Sie legte eine Hand in den Nacken ihrer Freundin und zog sie zu sich heran. Mit einem Seufzen berührten ihre Lippen Idas.
Nora intensivierte den Kuss und vergrub die Finger in Idas blonden Haaren. Diese stöhnte auf, während ihre Hände begierig über den Körper der Älteren fuhren.
Die beiden genossen ihre Zweisamkeit, das Gefühl, das Fest der Liebe mit der wichtigsten Person in ihrem Leben zu verbringen.
Während sie sich in den gewärmten Räumen von Gladsheim befanden, rieselten draussen glitzernde Schneekristalle zu Boden und die Nordlichter tanzten über die schillernde Oberfläche. Die Lichter erstrahlten hell und klar am Weihnachtsmorgen und tauchten die nordischen Hochebenen in sanftes Licht.
Es war wunderschön.