Am Abend dann, sassen die beiden wieder zusammen und Lea erzählte beim Essen alles was sich zugetragen hatte, der Reihe nach. Nathaniel lauschte gebannt und als sie geendet hatte, meinte er: „Das was du da die letzte Zeit erlebst, ist wirklich einzigartig. Es scheint so, als würdest du dein ganzes Leben nochmals aufarbeiten. All deine Dämonen begegnen dir nun, einer nach dem andern. Was mir etwas Sorgen macht ist, dass sie dir immer so zusetzen. Wie jetzt wieder dieser seltsame Mann. Hast du schon eine Ahnung, um was für einen Dämonen es sich bei ihm handeln könnte?“ „Ich weiss es nicht. Er hat vermutlich etwas mit meiner Familiengeschichte zu tun. Mit meinem Vater, der leider schon gestorben ist und auch mit meiner Mutter. Er hat jedoch auch die Gesichter von jenen Mädchen angenommen, welche mich in der Schule so schlimm gemobbt haben. All jener, mit denen ich ein etwas schwieriges Verhältnis hatte. Die mir alle auf irgendeine Weise das Gefühl gaben, nicht so viel wert zu sein. Das hat mich irgendwie total aus der Bahn geworfen. Ich dachte doch eigentlich, ich hätte das alles schon besser verdaut. Aber wäre es so, hätte dieser Mann mir doch nicht so zugesetzt.“
Nathaniel nickte zustimmend. "Ja, darum ist er wohl sehr wichtig für dich diesen Dämonen immer mehr auf den Grund zu gehen. Das alles hilft dir dich weiter zu entwickeln.“ „Ja, aber ist alles immer so real. Ich fühle mich manchmal so verletzlich und bedroht. Vor allem weiss ich nicht, was mir in diesen Zwischenwelten alles passieren kann und was es für Folgen haben könnte, würde mich einer dieser Dämonen übermannen.“ „Ich denke, es ist sehr wichtig, dass du an dich selber glaubst, dass du begreifst, dass es schlussendlich in deiner Hand liegt, wie viel Macht du diesen Dämonen selbst gibst.“ Lea nickte und schaute nachdenklich in ihr halbleeres Weinglas. „Ja, sowas hat mir damals der weisse Tiger auch gesagt, als ich im Koma lag. Aber… obwohl mir das jetzt bewusst ist und ich mich eigentlich sicher fühle… In diesen anderen Welten… ist das irgendwie ganz anders. Dann werden diese Dämonen zu richtigen, handfesten Feinden. Auch meine Helfer sind immer sehr real. Die Pferdefrau und Silberstern haben diesen dunklen Mann ausser Gefecht gesetzt, um mich zu beschützten. Auch woher sie kommen, was sie eigentlich sind, das alles bleiben Rätsel. Meinst du es könnte doch eine göttliche Macht sein, die mir durch diese Helfer beisteht? Oder, sind es einfach Teile von mir? Aber wenn es nur Teile von mir sind, kann ich diesen dann vertrauen?“ "Das kannst du dir schlussendlich nur selbst beantworten Lea. Du allein musst diesen Dingen mehr und mehr auf den Grund gehen. Aber ich bin schon sicher, dass wir immer auf irgendeine Weise von etwas Höherem begleitet und beschützt werden. Vielleicht nutzt diese Macht tatsächlich diese Zwischenwelt- Erlebnisse, um dich bei deinem inneren Heilungsprozess zu unterstützen. Immerhin… warst du mal sehr weit unten, damals… als das alles mit dem Koma war, als du… sterben wolltest…“ Auf einmal lagt tiefe Trauer in Nathaniels Stimme und Lea erkannte, dass in die Vergangenheit einmal mehr, mit aller Macht heimsuchte. Für ihn war es ein schreckliches Erlebnis gewesen, als sie sich hatte umbringen wollen. Auch wenn es seither nie mehr so weit gekommen war, Lea wusste dass er sich manchmal noch immer Sorgen um sie machte.
Sie neigte sich nach vorne und legte ihm liebevoll die Hand auf seinen Unterarm. „Liebling, soweit wird es nicht mehr kommen. Hab keine Angst! Ich glaube wirklich ich bin auf einem guten Weg, mich mehr und mehr, von gewissen Mustern zu befreien. Ich habe schon einige Fortschritte gemacht und bestimmt werden diese Zwischenwelten mir auch immer mehr offenbaren. Ich will Vertrauen darin haben und mich dorthin führen lassen, wo mein Schicksal mich haben will.“ Nathaniel nickte mit einem erleichterten Lächeln, nahm ihre Hand in seine und küsste sie sanft. „Ich bin froh, dass du das so siehst Lea und ich werde dich wo immer es geht, bei diesem Prozess unterstützen.“ Lea ging zu ihm rüber, setzte sich auf seinen Schoss und umarmte ihn eng, sie war so unendlich dankbar ihn zu haben und die beiden küssten sich innig und lange…
4. Kapitel
Der Besucher in der Nacht
Als Lea ins Bett ging, lag sie noch eine Weile wach und dachte über so manches nach. Sie ärgerte sich irgendwie, dass sie sich so hatte von diesem dunklen Mann einschüchtern lassen. Das nächste Mal, dazu war sie fest entschlossen, würde sie ihm nicht mehr solche Macht geben. Sie dachte mit Liebe und Zuneigung an Silberstern und die wundervolle Pferdefrau, welche ihr so beigestanden hatten und mit den Gedanken an sie, schlief sie schlussendlich zufrieden ein…
Auf einmal erwachte sie! Jedoch nicht ganz, es war ein Art Halbschlaf, ein seltsamer Alpha Zustand. Ihr Bewusstsein war ganz klar und es kam ihr so vor, als würde ihr drittes Auge ganz besonders geschärft werden. In diesem Zustand bekam sie Einblick in Dinge, die sie im Wachzustand nicht sah und doch war es auch keine Traum, das spürte sie deutlich. Am Ende des Bettes, stand auf einmal eine Gestalt! Zuerst war sie noch nicht zu erkennen, doch dann wurden ihre Konturen immer klarer. „Papi?“ flüsterte sie ungläubig. Früher hatte sie ihren Vater immer so genannt. „Papi… bist du es wirklich?“ Sie konnte es kaum glauben. Vor ihr stand tatsächlich ihr Vater! Sie warf einen prüfenden Blick auf Nathaniel. Dieser schlief tief und fest und kriegte nichts von der eigenartigen Erscheinung in ihrem Zimmer mit. „Was tust du hier?“ Sie rieb sich ihre Augen, doch der Besucher verschwand nicht. Er lächelte sie nur an. Sein Ausdruck war sehr liebevoll, was sie eigentlich erstaunte und sie vernahm seine Worte in ihrem Herzen, ohne dass ihr Vater dabei den Mund bewegte. „Hallo Lea. Schön, dass du mich sehen kannst. Ich habe schon öfters nach dir geschaut und es freut mich, wie du dich entwickelst. Du hast sehr viele wichtige Schritte gemacht und nun scheint mir der Moment gekommen, mit dir Verbindung aufzunehmen, denn du bist die letzten Monate sehr sensibel geworden für die jenseitige Welt. Ich bin hier um dir zu sagen, dass ich dich sehr liebe, auch wenn ich es im Laufe meines Lebens oft nicht genug zeigen konnte. Aber es war so. Eigentlich war ich immer sehr stolz auf dich und es tut mir leid, dass wir uns nicht mehr im irdischen Leben versöhnen konnten. Seit ich in der jenseitigen Welt bin, habe ich viel an Weisheit und Wissen gewonnen und ich begriff immer mehr, dass wir, vor allem aber ich, es nicht so weit hätten kommen lassen sollen, dass wir uns so auseinanderleben. Ich hätte dich früher wieder anrufen sollen, doch irgendwie war ich zu stolz und zu blockiert. Das tut mir Leid. Ich war damals einfach noch nicht weit genug, wir beide waren wohl noch nicht weit genug.
Doch jetzt sehe ich, wie sehr dich das alles immer noch quält und ich glaube, dass ich einen grossen Anteil an diesem seltsamen, dunklen Mann habe, der dir gestern begegnet ist. Ich war immer ziemlich kritisch mit dir, habe dich manchmal vielleicht zu wenig in deinem Wesen gewürdigt, da wir sehr verschieden waren. Doch nun, begreife ich, dass ich dir diesen Dämon teilweise mit auf deinen Weg gegeben habe. Du warst immer sehr sensibel und darum bist du wohl auch so verzweifelt gewesen. Es tut mir so unendlich leid, dass ich daran scheinbar einen grösseren Anteil habe, als es mir bewusst war. Du bist so ein wundervoller Mensch und hat so viel zu geben. Du darfst nicht immer so streng mit dir selbst ins Gericht gehen! Denn du bist wertvoll, so wie du bist! Kannst du mir vergeben?“
Lea schaute ihren Vater ungläubig und mit Tränen in den Augen an. „Natürlich würde ich dir vergeben... wenn du das wirklich alles zu mir sagen würdest, wenn es… wahr wäre!
Aber ich bilde mir das alles bestimmt nur ein.“ Auf einmal wurde ihr Herz schwer und die Last ihrer Trauer, ihrer Unsicherheit schien sie beinahe zu erdrücken. „Das alles… es kann nicht real sein. Du würdest mir sowas nie sagen! Du bist nur ein Phantom, ein Phantom, das aus meiner Sehnsucht nach einer Versöhnung mit dir, entsprungen ist. So lange habe ich schon damit verbracht, dich endlich aus meiner Erinnerung zu verbannen, mich endlich so weit von dir zu lösen, dass deine Abweisungen nicht mehr so schmerzlich waren. Und nun… kommst du einfach wieder auf diese Art und Weise und gaukelst mir eine heile Welt vor! Nein, so einfach lasse ich mich nicht täuschen! Du bist tot und ich habe das endlich einigermassen verkraftet. Bitte lass mich einfach in Ruhe, was auch immer du bist!“ Das Gesicht ihres Vaters wirkte noch bekümmerter und er sprach: „Schade, dass du mir nicht glauben willst, dass du nicht begreifst, dass ich wirklich zu dir spreche… dass du immer noch so sehr an dir zweifelst…“ Woran du, wie gesagt, einen grossen Anteil hast!“ sprach Lea auf einmal wütend. „Warum kommst du jetzt, nach so langer Zeit erst und warum sollte ich dir das alles glauben? Ja ich zweifle daran, dass du wirklich da bist, ich zweifle daran, dass du es ernst meinen kannst. Ich bin einfach so, ob er dir passt oder nicht und dass ich so sensibel bin… welch tolle Erkenntnis! Du meinst mit andern Worten ich bin schwach, ich sei auf dich und dein Geschwafel von Versöhnung angewiesen. Doch da irrst du! Ich komme ganz gut ohne dich klar und ich werde es dir und all den andern, die mich für schwach halten, beweisen! Ich bin wie ich bin und ich bin wertvoll, kapierst du das? Ich bin wertvoll und ich brauche deinen Zuspruch nicht, schon lange nicht mehr. Geh doch wohin der Pfeffer wächst. Geh!!“
Das letzte Wort hatte sie etwas zu laut gerufen, denn Nathaniel erwachte und blickte sie mit erstaunten, verschlafenen Augen an „Was ist Lea, hast du geträumt?“ Leas Vater war nun verschwunden und der Alphazustand wich einem klaren Wachzustand. „Ich… ich habe meinen Vater gesehen…“ Auf einmal wurde Leas Herz von einem unbändigen Schmerz zusammengezogen und sie warf sich weinend ich Nathaniels Arme…