Ich stand vor unserem Haus in Kalifornien. Um mich herum war ein wunderbares Wäldchen, in dem die unterschiedlichsten und faszinierendsten Arten von Zecken lebten. Einige von ihnen hatten ein sehr inniges Verhältnis zu mir, ich jedoch weniger zu ihnen. Ihre Annäherungsversuche mussten sie in der Regel mit dem Leben bezahlen. Doch auch ich kam nicht immer unverletzt davon. Meine Liebe zu den Zecken bezeugte ich durch ausgesuchtes Insektenspray, das ich ihnen täglich zu essen gab.
Es war eines Montags nach der Schule, als ich die Zecken fütterte. Ich ärgerte mich gerade über meinen Biolehrer, der mir nur ein Gut gegeben hatte, und knallte mir prompt den Kopf an einem Baum. „Oh Mist, verdammte Scheiße“, fluchte ich ungehalten.
„Du sollst nicht fluchen“, sagte eine ehrwürdige Stimme über mir.
Ich schielte hoch. „Und wer bist du?“
„Ich bin Gott.“
„Ach ja?“ Ich sah hoch – und blickte in das schönste Gesicht, das ich je gesehen hatte. Tiefliegende Augen, die in allen Farben des Regenbogens schimmerten und deren Blick voll Weisheit und Güte war; von edlen gewölbten Augenbrauen begleitet, unter einer edlen, hohen Stirn. Eine grazile und doch markante Nase ragte zwischen hohen Wangenknochen auf, die über einer unwiderstehlichen, sanften und doch energischen Kieferpartie lagen, und das alles umrahmt von langem, wallendem, engelsgleichem Haar.
Er war wirklich Gott.
Die anmutige Gestalt sprang schwungvoll vom Baum. Sie lachte und ihre Stimme war die reinste, die ich je gehört hatte. „Nee, war ‘n Witz, ich bin nicht Gott. Aber ich bin dein Schicksal.“
„Mh“, sabberte ich. Das hört man doch gern.
„Weißt du, dass du etwas ganz Besonderes bist?“, fragte Schicksal.
Ich lachte. „Ich? Nein, ich bin dermaßen durchschnittlich, dass ich schon wieder undurchschnittlich bin. Weißt du, dass die Jungs in meiner Klasse mich dauernd umrennen, weil sie durch mich hindurchsehen?“
„Oh nein“, sprach Schicksal. „Sie rennen durch dich hindurch, weil sie von deiner Schönheit geblendet sind.“
Ich musste lachen. Schicksal war nicht nur bildschön, er war auch charmant. „Das ist wirklich nett gemeint von dir“, meinte ich. „Aber ich weiß schon, wie’s ist.“
Er trat ganz nah vor mich hin. „Noch größer als deine Schönheit ist deine unglaubliche Bescheidenheit. Wisse, dass du die Schönste auf der ganzen Elfenwelt bist.“
„Moment mal, welcher Welt?“
„Die Elfen. Denn auch, du, oh Liebe meines Herzens, bist eine Elfe. Und wir beide sind füreinander bestimmt.“
Gegen das Füreinander-bestimmt-Sein hatte ich ja gar nichts einzuwenden. Aber das Gerede mit der Elfe? „Du verwechselst mich. Wenn ich eine Elfe bin, wieso weiß ich es dann nicht?“
„Weil wir es vor dir geheim gehalten haben, damit es dich umso mehr erfreut, wenn du es erfährst.“
Das war eine Erklärung, wenn auch keine sehr gute. Aber trotzdem, so einfach konnte ich das nicht glauben.
„Aber sieh doch mal“, begann ich. „Ich seh doch gar nicht aus wie eine Elfe.“
„Nur weil du dich nicht siehst, wie du wirklich bist. Sieh in diesen Teich.“
Ich folgte – und sah eine wunderschöne Elfenprinzessin mit wallendem Haar, kostbaren Kleidern und Diademen und Edelsteinen im Haar.
„Das soll ich sein?“, hauchte ich. „Seit wann habe ich so teure Sachen?“
„So hast du immer schon ausgesehen, du hast es nur nicht wahrgenommen, weil dein Verstand es nicht zulassen konnte.“
„Du bist mir bestimmt“, sagte Schicksal leidenschaftlich. Er trat auf mich zu und senkte seine süßen, nach Minze riechenden Lippen auf meine, wo sie in einem innigen, alles vergessenden Kuss verschmolzen. Ich hatte noch nie zuvor so etwas erlebt wie in diesem Moment. Ich wusste, dass wir zusammengehörten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit löste sich Schicksal von mir. „Holde, willst du meine Frau werden?“
„Ja“, flüsterte ich so leidenschaftlich wie noch nie. Mit ganzem Leib und ganzer Seele wollte ich sein werden.
Er strich mir sacht über die Wange, seine Berührung so zart wie eine Feder. „Dann werden wir im nächsten Jahr am ersten Tag des Sommers heiraten. Doch zuvor musst du unsere Welt befreien.“
Ich sah verwirrt zu ihm. „Wie meinst du das?“
Sein Blick wurde ernst und unendlich traurig. Ich konnte es nicht ertragen, ihn so traurig zu sehen. Es machte sein perfektes Gesicht faltig. „Unsere Welt des Friedens wird bedroht. Von den bösen Hosenscheißern. Um uns alle zu retten, musst du die Goldene Klobürste finden. Doch die Reise ist beschwerlich. Die Klobürste wächst nur im Reich der Stinkstiefel, wo unzählige Gefahren lauern. Willst du die Reise auf dich nehmen?“
„Ja“, hauchte ich, ohne zu zögern, denn ich wollte ihn glücklich sehen. „Ich werde alles tun, damit wir zusammen sein können.“
„So sei es“, sprach er. „Leider kann ich dich nicht begleiten, da Stinkstiefel für mich tödlich sind. Doch nimm dies als Geschenk für die Reise.“ Er reichte mir eine Flasche auserlesenen Parfüms. „Wenn die Zeit gekommen ist, wirst du wissen, wie du sie benutzen musst.“
„Werde ich dich wiedersehen?“, flüsterte ich.
„Dessen bin ich gewiss.“ Er lächelte huldvoll. „Doch für jetzt müssen wir Abschied nehmen.“ Er küsste mich auf die Stirn. „Gott segne dich.“
Ich lächelte selig. Da er ja selbst Gott war, freute mich sein Segen ungemein.
Er wandte sich ab und ich sah seinem perfekten Hintern nach, wie er sich entfernte. „Äh, he, halt mal!“, rief ich, als mir etwas einfiel. „Wie komm ich denn in das Reich der Stinkstiefel?“
Er wandte sich noch einmal zu mir um. „Du wirst den Weg finden, wenn du es willst. Die Antwort liegt in den Bäumen“, erklärte er mir geheimnisvoll und war dann plötzlich weg. „Ach so, ja“, murmelte ich. „In den Bäumen.“