geschrieben: 25. November 2017
Lieber Peter
Tja, was soll ich schreiben, irgendwie muss ich einiges loswerden, aber was genau daraus entstehen wird, wer weiss. Ich fühle mich gerade wieder ziemlich verloren und zweifle an allem was ich tue. Ich war heute so kreativ so voller Enthusiasmus und dann auf einmal änderte die Energie und ein altes, trauriges Erlebnis, holte mich wieder ein. Das Erlebnis mit dir Peter, der sich selbst umgebracht hat.
Mann Peter, warum nur hast du so einen Scheiss gemacht, warum hast du dich uns niemals mitgeteilt? Wir wären doch für dich dagewesen, wir hätten sicher zusammen eine Lösung gefunden. Ich weiss nicht was in dir vorging und ich weiss nicht, was gerade in mir vorgeht. Welche Dunkelheit mich wieder erfasst hat. Ist doch eigentlich ein völliger Blödsinn! Das alles ist schon so lange zurück und ich will im Augenblick sein, nicht im Gestern, aber auch nicht im Morgen, einfach im Hier und Jetzt. Dieses Hier und Jetzt hat so viel zu bieten, so viel an Schönem, Wunderbaren. Neue Erkenntnisse dürfen in uns reifen, das alles passiert im Jetzt und nur im Jetzt. Weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft. Und doch wird mir, jetzt da ich das schreibe klar, dass ich doch oft mit meinem Denken in der Zukunft, oder eben der Vergangenheit bin. In der Zukunft bin ich, wenn ich immer darüber nachdenke, was andere über mich denken könnten. Ich habe das Gefühl alle lassen mich manchmal im Stich. Alle verlassen mich wieder, oder ich verlasse sie, wie auch immer.
Mit 18 Jahren, setztest du deinem Leben einfach ein Ende! Bist davon gelaufen einfach so. Hoffentlich schämst du dich auch manchmal dafür, dass du das getan hast, dass du einfach alles weggeworfen hast, uns allein gelassen, deine Mutter allein gelassen hast. So wie einst dein Vater euch alleine gelassen hat! War das deine Aufgabe Peter? Ich denke wohl eher nicht. Ich bin wütend, wütend und enttäuscht von diesem unerwarteten Abgang von dir. Ich war dir doch immer eine gute Freundin, warum hast du nicht mit mir geredet? Du warst wichtig für mich, für uns für so manchen. Doch du hast dich als unwichtig angeschaut, sonst hättest du das wohl nicht getan. So wie es alle tun, die sich auf solche Weise aus dem Leben verabschieden. Das hättest du dennoch nicht tun sollen nicht so, nicht auf diese Art! Das nehme ich dir übel! Ja ich nehme es dir sehr übel! Wir hatten so glückliche Stunden, haben so viel gelacht und miteinander unternommen. Was sollte dieser Mist?! Du hast es nicht mal geschafft unseren damaligen Film, den wir doch unter so grossen Anstrengungen und mit so viel Herzblut gedreht haben, fertig zu stellen. Ich habe den fertigen Film nie gesehen. Das schmerzt mich auch so sehr. Nein es war nicht richtig, ganz und gar nicht. Es ist aber auch nicht richtig, dass ich ständig an der Vergangenheit herum studiere, denn was hat sie mir zu bieten ausser Schmerz? Okay nicht nur Schmerz, aber zu einem grossen Teil.
Die Vergangenheit ist eine Bitch würde man im heutigen Jargon sagen. Sie schnappt einem mit ihren Haken von hinten, wenn man es am wenigstens erwartet. Wenn man denkt, es endlich geschafft zu haben. Doch dann reisst sie einem zurück in ihre dunkle Welt und da bin ich nun, erneut in diesem Zustand, der mir eigentlich ein Gräuel ist. Ich will nicht von einem Pol in den andern schlenkern, wie auf einem Grat, wo man nie weiss ob man nicht doch mal den Halt verliert. Es ist doch völliger Mist, dass mich solche Gedanken umtreiben. Da bist du auch etwas mit Schuld Peter. Damals als du gegangen bist, auf solch schreckliche Art, da wurde ich auch hinabgezogen in diesen gefährlichen Strudel der Selbstaufgabe, des Selbsthasses, die du empfunden haben musst. Warum sonst hättest du so einen Schritt gemacht. Mit einem Strick um deinen Hals und dann auch noch auf dem Dachboden des Hauses, wo deine Mutter mit dir lebte. Ist dir eigentlich klar, was du damit Schreckliches getan hast? Wie das für deine Mutter gewesen sein muss, kann ich mir nur ausmalen. Dieser Weg war der Falsche, eindeutig der Falsche Peter! Und es ist auch der falsche Weg, wenn ich mich von so eine Stimmung wieder runterziehen lasse. Was ist eigentlich meine Angst, was ist es, dass mich immer wieder so sehr verunsichert, mich an den Menschen zweifeln lässt, an der ganzen Welt in der wir leben. Was für eine Welt, welches Elend überall! Es ist manchmal unbeschreiblich! Unbeschreiblich schrecklich und es zieht mich runter, zieht mich rein in den dunklen Strudel der Verzweiflung und der Selbstzweifel.
Vermutlich geht es mir da ähnlich wie dir damals! Aber nein! Das alles ist vorbei! Ich bin nicht wie du! Es ist NICHT mein Weg, das Leben vorzeitig zu beenden. Es gibt auch keinerlei Grund dazu, denn wenn ich im Jetzt bin, dann erkenne ich, wie beschenkt ich doch wurde. Welchen Segen ich erfahren durfte, dadurch dass ich durchgehalten habe. Durchgehalten, nicht wie du, der aufgegeben hat! Du hättest niemals aufgeben dürfen, ist dir das klar? Du hättest erkennen sollen, dass du Hilfe brauchst, Hilfe von einer Fachperson, welche dir hätte beistehen können, das alles wirklich und wahrhaftig zu bearbeiten und anzuschauen. Ich bin hier, ich lebe und ich bin glücklich! Ich habe alles was ich jemals ersehnte.
Stell dir vor, jetzt da ich diese Weiterbildung mache, da lerne ich so viel über mich selbst. Ich weiss gar nicht, ob ich noch mehr tun möchte, als das was ich gerade im Jetzt tue. Alles andere ist schon in der Zukunft. Die Zukunft, die voller Pläne und voller Verlockungen ist, die einem rufen. Doch wenn man dann bei ihnen angekommen ist, wenn sei greifbar geworden sind, begreift man, dass man gar nicht mehr braucht, als man schon hat. Das alles eh von Moment zu Moment geschieht. Es ist der Zwischenraum zwischen Gestern und Morgen. Es ist das Heute, das JETZT, zwischen vorher und nachher. DAS ist DER Zwischenraum! Es gibt kaum ein besseres Beispiel als das! Hättest du von Moment zu Moment gelebt, dich von allen Ängsten und dem WERDEN- Wollen befreit, hättest du dich wohl auch nicht umgebracht. Doch entweder du hast zu sehr in der Vergangenheit, oder zu sehr in der Zukunft gelebt. Anders kann ich mir deinen Entschluss dein Leben zu beenden nicht verstehen. Ich will nicht diesen Fehler machen! Ich will lernen im Jetzt zu sein und auch immer mehr aufarbeiten, was mich noch quält. Ich will meinen Heilungsprozess fortführen. Also Peter, bleibe du in der Vergangenheit denn du BIST Vergangenheit. Du hast diesen Weg beschritten, ich habe nicht vor dir zu folgen. Mögen die lichtvollen Mächte an meiner Seite stehn!
Und auch… an deiner… auf deinem weiteren Weg!
Lebe wohl! Ich lebe heute HIER, du dort!
Deine Freundin
Ein paar Worte zum Loslassen und dem Abschied aus dem Internet:
Vergiss nicht die Narben deiner emotionalen Vergangenheit zu heilen
Man muss sich stets bewusst sein, wann ein Kapitel im Leben endet. Wenn du darauf bestehst, länger als nötig auf einer Stufe zu verharren, verlierst du deine Freude und den Sinn für alles andere. Schließe die Kreise, Türen oder Kapitel, wie auch immer du sie nennen magst.
Das Wichtige ist, sie schließen zu können und Momente des Lebens gehen zu lassen, die sich dem Ende zuneigen.
Wir können die Gegenwart nicht wahrnehmen, wenn wir uns nach der Vergangenheit sehnen,oder an ihr leiden. Nicht einmal, indem wir uns fragen warum. Das, was passiert ist, ist passiert. Man muss loslassen und sich davon lösen. Wir können nicht ewig Kinder sein, auch keine verspäteten Jugendlichen oder Angestellte in nicht bestehenden Unternehmen und wir sollten erst recht keine Verbindung mit Menschen eingehen, die nicht mit uns verbunden sein wollen.
Solche Dinge passieren und man muss sie gehen lassen.
Paulo Coelho
Um ein neues Kapitel in unserem Leben zu beginnen, müssen wir viele andere erst schließen. Die Wunden aus unserer emotionalen Vergangenheit zu heilen ist schmerzhaft und kompliziert. Dennoch haben wir wahrlich alle etwas Unerledigtes in unserem vergangenen Gefühlsleben, das unsere Gegenwart stört und sogar unsere Zukunft bestimmen kann.
Es ist normal, dass uns vor diesem emotionalen Abgrund des Lebewohls schwindelig wird. Genauso verhält es sich, wenn wir von oben in eine tiefe Schlucht hinabschauen müssen: Unser Verstand scheint es uns zu verbieten.
Dennoch ist in diesem Falle etwas in diese emotionale Schlucht hineingefallen und obwohl wir es jetzt nicht mehr zurückbekommen können, müssen wir trotzdem hineinschauen, um zu sehen, ob der Sturz es tatsächlich zerstört hat. Das bedeutet, wir müssen sehen, dass dieses Stück , das sich von uns losgelöst hat, wirklich nicht mehr zu uns gehört, um es zu glauben. Es war schön, solange wie es andauerte, ja, aber es hat sich in einen Stolperstein verwandelt, der uns verboten hat, den Pfad des Lebens weiterzugehen.
Letztendlich solltest du, wenn du Lebewohl sagen musst, gleichzeitig dankbar sein, da jeder Abschied dir die Möglichkeit bietet, eine Lektion zu lernen, die unverzichtbar für den Weg sein wird, den du in deinem Leben beschreitest.
Stell dir vor, wie es ist, dich wieder als du selbst zu fühlen, dich zu akzeptieren und alles gehen zu lassen, was jetzt nicht mehr zu dir gehört. Du kannst deinen Weg mit Leichtigkeit weitergehen. Es gibt zweifellos kein Wort im Wörterbuch, das dieses wunderschöne und angenehme Gefühl auch nur annähernd beschreiben könnte.