„Leandro.“
“ Schöner Name“, entgegnete ich nur knapp und nahm etwas Abstand von ihm. Obwohl ich ihn die ganze Zeit über wissen wollte, war es nun eigenartig ihn zu kennen. Ich hatte tatsächlich etwas besonderes erwartet, obwohl es nur um einen einfachen Namen ging. Doch ich war mir nun nicht sicher, ob ich diesen Namen mochte.
„Nicht so schön wie deiner.“
„Siehst du die Plattform dort unten? Lass uns dort hingehen“, fragte ich aufgeregt und deutete mit meinem Finger auf eine breite Fläche aus Stein.
„Muss das sein? Willst du nicht hier oben stehen bleiben?“ Ich konnte nicht ganz sagen was es war, aber ich liebte das Meer und wollte seinen Wellen so nah wie möglich sein. Sie schlugen gerade so am Ende der Plattform an, ehe sie wieder zurück ins Meer flossen. Die salzige Luft stieg mir in die Nase und erinnerte mich an die schöne Zeit zurück, wo wir noch keine Ausflüge an heruntergekommen Orte gemacht hatten.
„Bitte. Ich will den Wellen zusehen und das Rauschen genießen. Außerdem könnte ich dort bestimmt viel mehr verstehen“, versuchte ich ihn umzustimmen und wich aus seiner Umarmung immer weiter zurück. Ich versuchte einen möglichst großen Abstand zwischen uns herzustellen. Es war nicht so, dass mir seine Nähe zu viel wurde, stattdessen hatte ich Angst ihm könnte es mit der Zeit zu viel geworden sein. Brauchten Typen nicht so etwas wie Freiheit?
„Na gut, dann sieh mal zu wie du dort hin kommst.“
„Ich denke du bist ein Vampir? Hilf mir doch einfach.“
„Wahrscheinlich hast du Recht, alleine würdest du es niemals schaffen.“ Wie bitte? Sah ich wirklich so schwach und einfallslos aus? Nein! Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen.
„Wie bitte? Na klar kann ich das alleine schaffen, ich habe nur keine Lust“, protestierte ich, schritt an den Abhang heran und starrte viele Meter weit nach unten, bis ich den Sand erspähen konnte.
„Ha, beweis es!“
„Das ist kindisch.“
„Wie du meinst, dann helfe ich dir eben. Aber mir war von vornherein klar, dass du es alleine nicht schaffen würdest“, entgegnete er arrogant.
„Ey!“, beschwerte ich mich und schubste ihn an der Schulter etwas weiter nach hinten.
„Na gut wenn du mir nicht glaubst, werde ich es dir wohl beweisen müssen!“
„Sieht so aus“, lachte er amüsiert und verschränkte erwartungsvoll seine Arme vor der Brust. Prüfend sah ich die Klippe hinunter und überlegte mir einen Plan, wie ich diese Plattform erreichen könnte, ohne dabei draufzugehen.
Vielleicht würde ich die kleine Spalte mit meinen Füßen erreichen können, um von dort auf die Plattform springen zu können? Ich kniete mich auf den Boden, ließ die Beine langsam die Klippe herunter baumeln und tastete vorsichtig mit meinem Fuß nach dieser Spalte.
Leandro konnte sich dieses Szenario nicht entgehen lassen und trat etwas näher an mich heran, um mich auslachen zu können, wenn ich etwas falsch machte. Mit den Fußspitzen tastete ich nach etwas stabilen, wo ich für einige Zeit stehen könnte. Mit vereinten Kräften versuchte ich mich an dem kalten Gestein festzuhalten, bis ich endlich diese Spalte finden würde. Doch der stürmende Wind und meine schwindenden Kräfte machten das Ganze etwas kompliziert. Meine Kraft wurde immer weniger, meine Hände immer schwitziger und ich spürte wie ich den Abhang immer weiter nach unten rutschte, ohne dabei die Spalte finden zu können. Panik machte sich in mir breit, doch ich war zu stolz um sie Leandro zu zeigen und nach seiner Hilfe zu fragen. Schließlich hielt ich mein Gewicht nur nach an meinen Fingerspitzen und war kurz davor aufzugeben, doch da fand mein linker Fuß endlich die Widerstand. Schnell versuchte ich dort einen einiger Maßen festen Stand zu bekommen und lehnte mich schließlich gegen das Gestein.
Mein Blick wanderte nach unten und ich konnte schnell die Plattform erkennen. Allerdings sah sie plötzlich viel kleiner und weiter entfernt aus, als von oben. Ich atmete ein Mal tief ein, nahm meinen ganzen, noch übrig gebliebenen, Mut und Stolz zusammen und sprang schließlich ohne weitere Überlegungen.
Mit einem dumpfen Knall landete ich auf dem Stein und war froh endlich angekommen zu sein. Meine Anspannung lockerte sich und ein breites Grinsen legte sich auf meine Lippen, als ich begriff, dass ich die Wette gewonnen hatte.
Stolz drehte ich mich um und starrte nach oben. Doch Leandro konnte ich nirgends entdecken.
„Leandro?“, rief ich verärgert und rappelte mich schnell auf. Als ich meine Hände vom Boden entfernte, ging plötzlich ein stechender Schmerz durch meine Handflächen. Erschrocken wich ich einen Schritt zurück, als ich die Glassplitter in meinen Handflächen entdeckte. Warum hatte ich mich auf diesen Quatscht überhaupt eingelassen? Und wo zur Hölle war er hin? Erst jetzt bemerkte ich, dass ich von dieser Plattform ohne seine Hilfe nicht mehr wegkam und das wusste er wohl zu gut.
Welcher Idiot muss gerade hier seine Glasflasche zerschlagen?“, fragte ich wütend und stampfte mit meinem rechten Fuß auf.
„Leandro, wo bist du? Das ist echt nicht witzig!“, rief ich wütend und ließ meine Blicke durch die Landschaft wandern.
Klatschen drang in meine Ohren und seichte Schritte kamen auf mich zu. Ich drehte mich ruckartig um und schaute in seine Augen.
„Ich bin begeistert Prinzessin.“
„Nenn` mich nicht so!“, rief ich empört und musterte ihn vorwurfsvoll.
„Das hätte ich dir gar nicht zugetraut“, gab er zu und kam auf mich zu gelaufen.
„Ich stecke eben voller Überraschungen.“ Sein Grinsen machte mich wahnsinnig. Obwohl ich vor seinen spitzen Eckzähnen wohl Angst haben müsste, mochte ich sie. Seine Lachgrübchen verzauberten mich immer wieder aufs Neue und beim Anblick seiner Augen, könnte ich jedes Mal stundenlang dahinschmelzen.
„Ich bin stolz auf dich“, erklärte er und begann Küsse auf meinem Hals zu verteilen.
„Lass das!“, rief ich wütend und stieß ihn weg von mir.
„Was ist los?“
„Da! Sieh es dir an! Warum hast du mich zu diesen Schwachsinn überhaupt überredet?“
„Ach Prinzessin, was machst du denn?“, fragte er besorgt und griff nach meiner Hand, um sie sich genau anzusehen.
„Ich habe gesagt du sollst aufhören mich so zu nennen! Ich habe einen richtigen Namen! Und wie bist du hier so schnell runter gekommen?“
„Das tut mir leid. Na gut, dann nenne ich dich wieder bei deinem richtigen Namen.“ Eigentlich war es mir zu viel, dass er mich schon jetzt so nannte, aber so sehr ich mich auch dagegen sträuben wollte, so mochte ich diesen Spitznamen irgendwie doch. Das Problem war nur, dass ich ihm nicht sauer sein konnte, wenn er mich so nannte und das wollte ich in dieser Situation unbedingt sein.
„Ich bin gesprungen.“
„Wie gesprungen? Das ist doch viel zu hoch!“
„Ich bin ein Vampir, schon vergessen?“
„Fast, kannst du mir dann auch erklären warum ich alleine springen sollte?“, fragte ich erwartungsvoll und riss meine Hand aus seiner Gewalt.
„Ich wollte nur mal sehen wie du dich so anstellst. Nur hätte ich nicht damit gerechnet, dass du es überhaupt ausprobierst.“
„Na toll und wenn ich gefallen wäre? Hättest du dann blöd oben gestanden und zugesehen?“
„Nein! Natürlich nicht!“, zischte er empört und schaute mir vorwurfsvoll entgegen.
„Wie kannst du mir so was unterstellen?“
„Als ich dort hing und fast gefallen wäre, hast du dich keinen Millimeter bewegt.“
„Glaub mir, ich hatte alles unter Kontrolle. Bevor du realisiert hättest, dass du fällst, hätte ich dich schon aufgefangen und auf sicheren Boden gebracht.“
„Gib bloß nicht so an“, murmelte ich und runzelte die Stirn, als er mir plötzlich sein Amulett um den Hals hing. Kurz wartete ich auf eine Erklärung von seiner Seite, doch schnell bemerkte ich, was dieses Ding mit mir anstellte.
Ein schriller Schrei verließ meine Lippen und hallte die tiefen Klippen entlang. Zerrender Schmerz zog sich durch meine Handflächen und ließ Hitze in mir aufsteigen. Langsam verschwanden die Glassplitter aus meiner Haut und die tiefen Schnitte verheilten. Völlig erstaunt von diesem Zauber starrte ich immer wieder zwischen meinen Händen und dem Amulett um meinem Hals hin und her.
„Okay das hatte ich jetzt nicht erwartet”, brachte ich erstaunt hervor und gab ihm die Kette schleunigst zurück.
„Und gerade deswegen ist es so wichtig für uns, das letzte verschwunden Amulett zu finden, also... wenn du irgendeine Ahnung haben solltest,...”
„Schon klar sag ich´s dir, aber jetzt mal ehrlich, woher sollte ich das wissen? Bis gestern hatte ich nicht mal den blassen Schimmer, dass es so etwas wie Vampire oder diese komischen Meerjungfrauen gibt”, unterbrach ich ihn abrupt und warf ihm zweifelnde Blicke zu.
„Panuletas.“
„Wie auch immer.“ Schnell legte er die Kette um und versteckte den Anhänger unter seinem Pullover. Dabei zog die Mitte des Amuletts meine Aufmerksamkeit auf sich. In den durchsichtigen Kreis befand sich eine rote Flüssigkeit, die meiner Beurteilung nach, wie Blut aussah.
„Was ist das rote im Amulett?”, hackte ich neugierig nach, während wir uns an den Rand der Klippe setzten und unsere Beine waghalsig hinunterbaumeln ließen. Eigentlich mochte ich die Höhe nicht besonders, aber in seiner Gegenwart hatte ich das Gefühl mir könnte nichts passieren.
„Das ist Vampirblut.”
„Warum ausgerechnet Blut.”
„Das Blut gibt dem Amulett erst die ganze Stärke. Es ist so etwas wie der Motor.“
Interessiert nickte ich. Lächelnd rückte er mir nun ein Stück näher und legte seinen Arm versöhnend um meine Schulter.
„Ist in jedem dieser Amulette Vampirblut drin?“
„Nein, es ist abhängig von der Art der Wesen. Jeder Stammbaum füllt es mit dem eigenen Blut auf. Und jeder Stammbaum besitzt eigentlich zwei Amulette, wenn der Graf sie nicht alle gestohlen hätte.“
„Also ist in dem Amulett der Hexen Hexenblut drin?” Zufrieden nickte er. Die kühle Luft hatte mir gut getan und ich spürte wie mein Kopf freier wurde. Langsam konnte ich mich mit dieser unbekannten, verrückten Welt anfreunden und wurde immer wissbegieriger.
„Warum gibt es nur zwei Amulette pro Stammbaum? Wäre es nicht besser, wenn jeder hier dieses Amulett tragen dürfte?“
„Besser wäre es schon, aber nur die reinblütigen Familien besitzen diese Amulette.“
„Also gibt es nur zwei reinblütige Familien in jedem Stamm?“
„Davon wird ausgegangen ja, aber ich halte das für einen Mythos. Von richtiger Reinblütigkeit können wir bestimmt nicht sprechen.“
„Warum?”
„Natürlich kann man viel über seine Vorfahren, deren Vorfahren und vielleicht auch noch viel weiter in Erfahrung bringen, aber über die Jahrtausende verschwimmt eh so vieles.
Eigentlich hat meine Familie nur das Ansehen reinblütig zu sein, weil sie auf der einen Seite sehr mächtig ist und das schon über viele Generationen hinweg und zum anderen, weil man über fünf Generationen nachweisen kann, dass nichts die Linie außer reine Vampire gekreuzt hat, die wiederum über fünf Generationen auch nicht von etwas anderem, als reinblütige Vampire gekreuzt wurden und so weiter...Aber inwiefern das wirklich der Wahrheit entspricht, kann wohl heute keiner mehr sagen”, erklärte er und legte seinen Kopf auf meiner Schulter ab.
“Wenn das in eurer Welt so eine große Rolle spielt, warum wurde es dann nicht schriftlich festgehalten”, fragte ich, zog meine Beine wieder nach oben und drängte sie eng an meinen Körper. Trotz seiner Jacke begann ich zu frösteln und bildete mir ein, auf diese Weise den heulenden Wind von mir fernhalten zu können.
„So einfach ist das nun mal nicht. Schließlich gibt es auf der ganzen Welt auch noch andere Vampire außer in diesem Ort. Irgendwann wurde unserer Familie eben diese Reinblütigkeit zugeschrieben und seitdem tragen wir diesen Ruf. Ob nun verdient oder nicht.“ Bisher hatte ich noch nicht in Betracht gezogen, es könnte weitere Vampire und Hexen geben. Außerhalb von diesem Ort. Doch wenn ich darüber nachdachte, fragte ich mich, warum ich dann noch keinem über den Weg gelaufen war.
„Und warum habe ich dann noch nie einen Vampir getroffen?”, fragte ich überzeugt davon einen guten Einwand gebracht zu haben und stand auf.
„Wo willst du hin?”
„Mir ist kalt, können wir ein bisschen laufen gehen?”
„Wenn´s sein muss. Durch den Wald?”, stöhnte er und stand ebenfalls auf.
„Na ja das Meer wäre mir lieber, aber ich glaube die Wellen sind heute etwas zu hoch”, beklagte ich mich und lief auf das andere Ende der Plattform zu.
“Hier in der Nähe gibt es einen Strand, der ziemlich weit an Land reicht, vielleicht ist dieser Teil noch nicht überflutet.”
“Dann lass uns dort hingehen”, beschloss ich euphorisch und wartete darauf, dass er mir helfen würde wieder auf die andere Seite zu kommen. Doch stattdessen zeigte er mir eine Stelle der Plattform, von der es nicht unmöglich war, einfach auf die andere Seite zu springen. Vorhin war mir diese Stelle gar nicht aufgefallen. Unsicher schritt ich an sie heran und betrachtete die Entfernung skeptisch.
Zwischen Felsen und Waldboden war es zwar nur ein knapper Meter, aber Überwindung brauchte es trotzdem. Ich hatte gehofft, dass er mir wenigstens den Rückweg erleichtern würde, doch diesen Gefallen wollte er mir natürlich nicht tun. Angeberisch sprang er ohne große Mühen über den Abhang und landete sicher auf der anderen Seite. Er hatte meine Unsicherheit wohl mitbekommen und so reichte er mir kurz danach doch seine Hand, um mich sicher auf die andere Seite zu bringen. Zögernd nahm ich sie entgegen und sprang schnell, ohne darüber lange nachdenken zu können.
„Die Zeit rennt ganz schön. Wir sollten uns beeilen, wenn wir noch im Hellen dort ankommen möchten”, bemerkte er nachdenklich und drückte meinte Hand nun noch etwas fester, damit ich sie nicht wegziehen würde. Bevor es dunkel werden würde? Ich hatte das Gefühl der Tag hatte gerade erst angefangen. Wie spät es wohl war? Eigentlich war es unwichtig. Immerhin hatten wir nichts besonderes geplant und meinen Eltern würde ich mit meinem langen Verschwinden bestimmt einen Denkzettel verpassen können. Schließlich hatten sie sich die letzte Zeit über sehr merkwürdig verhalten und waren auf meine Wünsche in keinster Weise eingegangen. Sie würden schon sehen was sie nun davon hatten.
Meine Gedanken wurden von unserem abrupten Stopp unterbrochen und ich verdrängte schleunigst den Gedanken an die Uhrzeit. Das Wellenrauschen, das unterwegs verloren gegangen war, drang erneut in meine Ohren und brachte mich zum Lächeln.
Ich folgte ihm einen steilen Abhang hinunter und endlich befanden wir uns am Strand. Der Weg der uns geblieben war, war nicht besonders breit, aber es reichte um nebeneinander laufen zu können.
Meine Hand hatte er immer noch nicht losgelassen und so liefen wir nun nebeneinander den endlosen Strand entlang. Ich lief auf der Seite des Wassers und so musste ich einige Male näher zu ihm springen, da das Wasser sonst meine Schuhe überflutet hätte.
„Also, warum bin ich dann noch keinem Vampir begegnet?“, hakte ich ungeduldig nach und versuchte meine Haare zu bändigen, die bei dem stürmischen Wind völlig außer Kontrolle geraten waren.
„Uns gibt es auf der ganzen Welt verstreut. Einige von uns gehen sogar auf Schulen und leben ein richtiges menschliches Leben, weil sie versuchen ihre Besonderheit zu leugnen.”
„Das kann nicht sein. Dann müsste ich in meinem Leben schon einmal einem begegnet sein und daran könnte ich mich definitiv erinnern. Außerdem wäre es doch anderen Menschen auch schon längst aufgefallen.”
„Glaub mir, ganz bestimmt nicht. Sie sind Meister darin sich unter die Menschen mischen zu können, also einige von ihnen. Außerdem musst du ja noch keinem von uns begegnet sein, immerhin gibt es mittlerweile mehr Menschen als uns. Dazu kommt, dass sich viele nicht mehr unter die Menschen trauen.”
„Was? Wieso das denn?”, fragte ich völlig fassungslos und begann etwas schneller zu werden.
„Es kursieren viele schlechte Gerüchte über die Menschen und darüber was sie unseren Vorfahren angetan haben. Sie haben uns verbrannt, vergiftet und eingesperrt. Alles für Tests, um uns zu verstehen, dabei sollten sie anfangen sich selbst zu verstehen. Nicht wir sind besonders, sonder ihr seid es!”
„Was? Was genau meinst du damit?”, erkundigte ich mich und blieb erstaunt stehen.
„Die Menschen sind nichts anderes als Vampire, Hexen oder Werwölfe. Sie haben nur ihre Kräfte längst verloren.”
„Das heißt du willst mir erklären, dass wir eigentlich alle übernatürlich sind? Nur keine Kräfte mehr haben? Jetzt wird`s absurd!”
„Ich bin kein Wissenschaftler und so genau weiß ich auch nicht alles, aber uns wurde erzählt, dass es früher wohl nicht einmal Menschen gab. Alles was du über die Menschheitsgeschichte weißt, ist völliger Humbug. Na gut nicht ganz, den ersten und zweiten Weltkrieg hat es wohl wirklich gegeben.”
„Du willst mich auf den Arm nehmen oder? Du zerstörst gerade mein komplettes Menschenbild.“
„Das tut mir leid, aber ich glaube es ist besser, wenn ich dir gleich die ganze Wahrheit erzähle, dann verstehst du mehr.“
„Also bin ich auch ein Vampir, nur ohne Kräfte?”, fragte ich ungläubig und lief wieder los. Ich hatte mich gerade an den Gedanken gewöhnt, dass es diese ganzen übernatürlichen Wesen überhaupt gab und jetzt? Jetzt versuchte er mir zu sagen, dass ich selbst so wäre?... Wir alle?
„Ich weiß nicht, vielleicht bist du auch eine Hexe?”
„Meinst du wegen meiner roten Haare oder was?” Lauthals fing er an zu lachen und löste seine Hand aus meiner, um seinen Arm um mich legen zu können und mich näher an sich heran zu ziehen.
„Nein! Das ist doch schwachsinnig. So etwas sagt doch gar nichts über jemanden aus. An den Hexenverbrennungen sind damals überwiegend Menschen gestorben, da diesen schwachsinnigen Gerüchten geglaubt wurde.“
„Und wo her weiß ich dann was ich bin?”
„Ist das relevant?”
„Nein nicht wirklich, aber es interessiert mich nun mal.”
„Ich glaube das hängt von deiner inneren Einstellung ab, deinen Interessen und Vorlieben. Aber so oder so, du wirst es eh nicht genau wissen.”
„Aber...”, setzte ich an, doch fix unterbrach er mich genervt und blickte mir erschöpft entgegen.
„Können wir das Thema einfach lassen?”
„Aber...”
„Von mir aus können wir da ein anderes Mal drüber sprechen, doch für heute reicht es. So langsam wird es für dich und für mich zu viel.”
„Aber es ist gerade so spannend. Ich will das unbedingt herausfinden.“
„Wir haben noch so viel Zeit vor uns, da werden wir noch den passenden Zeitpunkt finden.“
„Aber ich bin nur zwei Wochen hier und dann fahre ich wieder zurück nach Berlin“, entgegnete ich und verstand plötzlich die Realität. Wie sollte das mit uns überhaupt irgendetwas werden? Es war ja nicht nur, dass er ein Vampir war. Er lebte auch noch in England. Sollten wir dann etwa eine Fernbeziehung führen?
Seufzend verwarf ich diesen Gedanken wieder und blickte zum Meer hinaus. Die dunklen Wolken kamen immer weiter auf uns zu und ich bekam die Befürchtung, uns würde bald ein Wolkenbruch bevorstehen. Der kräftige Wind blies mir immer schwerer ins Gesicht und hatte erneut die Kapuze seiner Jacke von meinem Kopf geweht.
Plötzlich begann mein rechter Arm eisig kalt zu werden und Gänsehaut legte sich auf meinen Körper. Ich brauchte ein paar Sekunden bis ich verstand, dass mich eine größere Welle erwischt hatte.
Erschrocken schrie ich auf und verzog das Gesicht zu einem sehr gequälten. Ich kniff angestrengt meine Augen zusammen und versuchte den Kälteschock zu überstehen.
Ein paar salzige Wassertropfen waren mir in die Augen geschossen und trugen nun die Schuld an meinen brennenden Augen.
Auf einmal spürte ich etwas hartes an meinem Fuß. In null Komma nichts lag ich auf dem Boden und bemerkte den nassen Sand unter meinem Rücken. Das Brennen in meinen Augen wurde weniger und ich blickte gleich in das schadenfrohe Gesicht Leandro´s.
„Was ist so witzig?”, fragte ich beleidigt und rappelte mich schnell auf.
„Nichts, nichts du kleiner Tollpatsch”, grinste er und hielt mir die Hand hin.
„Tollpatschigkeit ist eine Gabe!“, erklärte ich entschlossen, bekam dafür aber nur zweifelnde Blicke. Als ich meine linke Hand in den Boden stemmte und mich mit der rechten an seinem Arm hochzog, spürte ich plötzlich etwas spitzes unter meiner Handfläche.
Als ich mich kurz gesammelte hatte und den Sand so gut es ging von meiner Körper abgeklopft hatte, suchte ich nach der Ursache. Mein Blick fiel auf etwas Glänzendes. Ich griff in den Sand und holte schließlich eine silberne Kette an die Oberfläche.
„Na haste was gefunden?”, lachte er und sah auf meine Handfläche.
„Hm”, brummte ich und strich den Sand vom silbernen Kettchen ab. An der Kette befand sich ein silberner Anhänger, in Form eines Herzens. Obwohl es nicht besonders zu sein schien, freute ich mich über den Fund.
„Was steht da?”, fragte Leandro und nahm mir die Kette von der Handfläche. Kritisch musterten seine Augen den Anhänger. Erstaunt zog er seine Augenbrauen hoch und seine Lippen begannen sich ein wenig von einander zu lösen.
„Was ist?”
Kurze Zeit unterbrach nur das Rauschen der Wellen die Stille, dann aber fragte ich erneut:
„Was ist? Steht dort etwas geschrieben?”