„Wie kommen wir zur Kirche?“
„Was willst du bitte in einer Kirche? Beten das meine Schwindelanfälle wie von Geisterhand verschwinden oder was“, antwortete ich schnippisch und sah ihn mit großen Augen an.
„Sicher nicht, ich glaube nicht an Gott.“
„Prima, nimm den Gläubigen ihren Glauben, aber wunder dich dann nicht, wenn sie dich nicht mehr leiden können.“
„Du bist nicht religiös. Außerdem, nur weil ich sage, dass ich nicht an Gott glaube, heißt das ja nicht, dass ich was gegen die Leute habe, die es tun und abgesehen davon, interessieren mich die Meinungen der anderen nicht. Das solltest du vielleicht wissen.“
„Ja das weiß ich ganz genau, mir ist nur neu, dass dich meine Meinung in irgendeiner Art und Weise interessiert.“
„Also wo geht es zur Kirche?“, brach er das Thema ab und ließ meine Behauptung einfach verschwinden. Sollte das etwa heißen, ich wäre ihm doch nicht völlig egal,... zumindest meine Meinung nicht? Meine anfängliche Schlagfertigkeit, über den Grund warum er ausgerechnet die Kirche besuchen wollte, hatte er gnadenlos zerschmettert und mir meine Freude darüber genommen.
„Komm mit“, murmelte ich Augen rollend und raste los. Warum hatten wir uns heute Morgen überhaupt mit dem Bus zufrieden gegeben? Ist ja nicht so, dass wir mindestens in der Hälfte der Zeit, hätten da sein können, wenn nicht sogar früher.
Während ich mit vereinten Kräften um eine Vielzahl von Ecken bog, warf ich einen flüchtigen Blick über meine Schulter und prüfte, ob er mithalten konnte. Der Gedanke daran, ihm beim letzten Mal haushoch geschlagen zu haben, verschaffte mir einen Energieschub, den ich ausnutzte und ohne auf meine Umgebung zu achten, einfach auf die Kirche zu preschte.
Den Weg hatte ich allerdings kürzer in Erinnerung, sodass ich nach einer Weile spürte, wie mich meine Kräfte verlassen wollte und der Energieschub, längst verloren gegangen war. Doch wenn ich mit so einem Tempo losgelaufen war, dann musste ich es wohl oder übel beibehalten. Als ich diesen kurzen Blick nach hinten geworfen hatte, war mir aufgefallen, dass Leandro kaum Mühe hatte, dieses Tempo durchzuziehen. Im Ausdauerlauf war ich noch nie gut gewesen. Vielleicht hatte ich ihn im Wald nur schlagen können, weil es dort kurze Strecken gewesen waren.
Endlich sah ich die gefärbten Scheiben der Kirche und beschleunigte auf den letzten Metern noch einmal mein Tempo.
Wenig Licht schimmerte durch die getönten Fensterscheiben und hinterließ auf dem Boden kleine Kreise und Dreiecke. Die Fenster waren neu, sodass sie nur von wenigen Fingerabdrücken verschmutzt waren und die Regentropfen vom glatten Glas abperlten. Der Rasen, der um das Gemäuer angelegt worden war, hatte noch nicht einmal die Gelegenheit bekommen, richtig wachsen zu können. Ein paar kleine Rosen hatten sich trotz des kalten Wetters dazu durchringen können, ihre Farbenpracht der Außenwelt zu zeigen. Eng waren zwei von ihnen an das Backsteingebäude herangewachsen, sodass sie sich nun mit dem, darum rankenden, Efeu verbunden hatten.
Zögernd trat ich an die große Kirchentür und erinnerte mich an den Tag, wo ich sie das letzte Mal betreten hatte. Es war die Hochzeit meiner Tante gewesen, nichts besonderes. Doch umso länger ich darüber nachdachte, desto eigenartiger fand ich es, dass ich mich nicht mal mehr an die Anwesenheit meiner Eltern erinnern konnte. Ob diese Wissenslücke etwas mit den Bildern zu tun hatte? War es vielleicht gar nicht meine Tante, sondern die dieser eigenartigen Familie gewesen, zu der ich angeblich gehören sollte?
„Können wir oder wartest du darauf, dass uns jemand einlädt?“
„Was? Nein... ich habe nur die Architektur bewundert“, stammelte ich, machte einen Schritt von den Rosen weg und lief auf die Tür zu.
„Natürlich.“
„Also, wonach suchen wir genau?“
„Wirst du noch sehen, sei nicht so aufgeregt.“
„Ich soll nicht so aufgeregt sein? Das lässt sich leicht behaupten, wenn man weiß worum es geht!“, zischte ich und versuchte seinen arroganten Blicken auszuweichen. Egal wie arrogant er auch schauen mochte, sexy sah er dabei immer aus. Mit großen Augen schaute er die Tür an und versank kurz in Gedanken. Unbewusst kaute er dabei auf seiner Unterlippe herum und ließ seine Kieferknochen gefährlich heiß hervortreten.
„Hilfst du mir mal?“, riss er uns aus den Gedanken und brachte mich wieder zur Vernunft. Entschlossen warf er mir seinen Rucksack zu und machte sich an der Tür zu schaffen.
„Was genau wird das?”
„Was wird das wohl werden, hm?”
„Du kannst doch nicht in eine Kirche einbrechen. Das ist ein heiliger Ort, noch nie etwas von Respekt gehört?“
„Das wird überbewertet. Und jetzt spiel` dich nicht so auf, du siehst doch, dass ich das kann“, schnaufte er und rüttelte angestrengt auf dem Metall herum.
„Ich fasse es nicht“, brachte ich nur zweifelnd hervor und stemmte meine Hände in die Hüfte.
„Jetzt stell dich nicht so an und nimm meine Tasche aus dem Dreck. Dir war doch wohl klar, dass ich die Kirche nicht nur von außen ansehen wollte.“ Seufzend schwang ich mir den Rucksack wieder über und beobachtete seine geschickten Bewegungen, die versuchten das Schloss zu knacken.
„Ja irgendwie schon. Trotzdem. Was wenn das jemand rausbekommt?“
„Keine Sorge, ich mach es ja nicht allein, du kommst ja mit“, lachte er. Gleichzeit mit seinem Lachen ertönte ein leichtes Knacken und die schwere Tür öffnete sich einen Spalt. Ich nahm einen tiefen Luftzug, ehe wir uns auf den Weg in das Gemäuer machte. Der Geruch von frischem Holz stieg mir in die Nase und erinnerte mich an ein Möbelgeschäft, dass voll mit Betten und anderem, teurem Zeug war. Mit einem lauten Quietschen öffneten wir die linke Tür und schlossen sie gleich wieder hinter uns, damit niemand auf die Idee kommen würde, nachzusehen, wer hier Nachts herumschnüffelte. Die Kirche bestand zwar schon seit vielen, wirklich vielen von Jahren, aber sie war erst vor Kurzem renoviert worden.
Natürlich war es dunkel, also schalteten wir die Taschenlampen an unseren Handys an und leuchteten den Weg entlang. Etwas verwirrt blieb ich stehen und fragte mich, wie das Licht nach draußen geschienen haben konnte, wenn es hier doch völlig dunkel war. Warum war es überhaupt an gewesen? Während Leandro ein, für mich völlig gewöhnliches, Muster auf dem Boden begutachtete, machte ich mich auf den Weg nach oben, um die Quelle des Lichtes ausfindig zu machen. Nicht das ich unbedingt scharf darauf war, jemanden hier zu anzutreffen, aber ich konnte mir kaum vorstellen, dass niemanden beim Verlassen der Kirche, das brennende Licht aufgefallen war.
Während Leandro nun ganz vertieft auf dem Boden hockte und die schwarzen Blumen, um die frei fliegende Vögel kreisten, begutachtete, wagte ich mich immer weiter nach oben. Wenn ich die Treppe so hoch schritt und meinen Blick auf den edlen, roten Teppich richtete, bekam ich fast das Gefühl, in einem waren Schloss herumschnüffeln zu dürfen. Das grelle, fast bläuliche Licht meines Handys, zerstörte beinahe die schöne Atmosphäre der Kirche. Das Geländer war prunkvoll nur aus echtem Gold angefertigt worden und der, im Licht glitzernde Kronleuchter, nahm für einen Moment die Realität und ließ mich ins Träumen verfallen.
Doch nicht lange ließ mich Leandro in der Bewunderung zurück und brüllte plötzlich durch das hellhörige Gebäude meinen Namen, sodass ich ihn nicht mal überhören konnte, selbst wenn ich es gewollt hätte. Ein Echo legte sich in den Raum, das nach und nach immer leiser wurde. Seufzend verließ ich die Treppenstufen wieder und stolzierte zu ihm, während ich mit zweifelnden Blicken, das Gekritzel auf dem Boden musterte.
„Was genau wird das?“
„Ich glaub das ist es schon.“
„Was? Willst du jetzt etwa von den Vögelchen eine Erklärung haben oder was erhoffst du dir davon?“
„Quatsch.“
„Und warum lässt du mich dann nicht nach oben gehen?“
„Deswegen“, antwortete er. Noch im selben Moment zogen sich Kreise um das Muster, gefolgt von tiefen Löchern. Das Rattern mehrere Räder erfüllte den Raum, während die dunklen Löcher sich zu einem Großen, Tiefen verwandelten. Ein steile Treppe erstreckte sich vor uns und führte in die tiefe Dunkelheit.
Da würden mich keine hundert Pferde runter bekommen! Schließlich kannte er sich hier auch nicht aus und schon meine Intuition verriet mir, dass sich der Boden wieder schließen würde, sobald wir die Treppe betreten würden. Mir hatte das kleine Treppenabenteuer bei den Panuletas gereicht, noch mehr davon brauchte ich wirklich nicht.
„Das ist aber nicht dein Ernst oder?“
„Was meinst du?“, hakte er nach und stieg ohne lange zu zögern, in die Tiefe hinab. Mit seinem Handy leuchtete er die dunkle Treppe runter.
„Warte! Die ist steil, instabil und es ist dunkel. Es wäre wahnsinnig dort runterzugehen!“
„Quatsch. Was soll schon passieren?“
„Zu hundert Prozent schließt sich diese Tür wieder, wenn wir dort runter gehen.“
„So ein Schwachsinn!“
„Das was du vor hast, ist schwachsinnig!“
„Na komm oder soll ich alleine gehen?“, fragte er mit hochgezogenen Augen und reichte mir seine Hand. Das konnte echt nicht wahr sein. Ist es etwa zu viel verlangt, einen Tag ohne irgendwelche übernatürlichen und völlig verrückten Sachen, verbringen zu wollen?
„Ist ja gut“, willigte ich misstrauisch ein und griff nach seiner Hand.
Es war ein Kampf die engen Treppenstufen unversehrt verlassen zu können, doch wir schlugen uns ganz gut und so kamen wir gegen meine Erwartungen heil unten an. Seine Hand hatte ich die ganze Zeit nicht losgelassen und selbst jetzt, wo wir unten standen, hielten wir immer noch Händchen. So gab er mir ein wenig Sicherheit und die konnte ich hier unten wirklich gut gebrauchen.
Seufzend ließ ich meine Blicke durch die dunklen Gänge schweifen und fragte mich, ob noch jemand außer ihm, die Tunnel kannte. Der Lichtkegel reichte nicht weit, aber es genügte um erkennen zu können, dass der Tunnel mit vielen Weiteren verbunden war. Der Boden unter uns gab etwas nach und beim genaueren Betrachten erkannte ich, dass sich Sand unter unseren Füßen befand. Schrilles Piepen drang mir in die Ohren und mein reizendes Handy erinnerte mich, an die letzten, verbleibenden, fünfzehn Prozent Akku.
„Ne oder?“, murmelte ich und schaltete das Licht meines Handys aus, um Akku sparen zu können, damit ich im Notfall noch etwas Energie für ein Telefonat haben würde.
„Egal, ein Licht muss uns reichen“, brummte Leandro und begann gebannt auf sein Display zu starren, als suchte er nach einer Karte für diese Gänge. Nun hatten wir die Hälfte des Lichtes verloren und ich spürte den ersten Anflug von Angstgefühlen.
Die Gasse war ziemlich eng, weshalb wir schließlich doch aufhörten unsere Hände in einander zu verschränken und etwas Abstand von einander nahmen. Langsam bekam ich das Gefühl, als würden sich die Wände schleichend auf uns zu bewegen und uns irgendwann zerquetschen. Natürlich war das nicht der Fall, aber schon die Vorstellung daran, brachte meine Kehle dazu, sich zuzuschnüren und mir das Gefühl, gleich ersticken zu müssen. Gerade als ich mich etwas an die Enge gewöhnt hatte, beziehungsweise wieder atmen konnte, ertönte ein dumpfer Knall über uns und der einzige Weg hier raus, verschwand. Mit dem Knall verwandelte sich die frische Luft, in Stickige. Meine Atemzüge wurden schneller und das Gefühl allmählich zu ersticken, größer. Die Luft war ekelig warm und feucht. Sie erdrückte einen.
Schnell knöpfte ich meinen Mantel auf und entfernte den Schal um meinen Hals, der das beengte Gefühl, nicht verbessert hatte. Doch auch das Abnehmen hatte an der Situation nichts verändert. Ein Schauder lief mir den Rücken hinunter, brachte die Hitze mit sich und ließ Panik über mich fallen.
Obwohl ich Luft einatmen konnte, kam sie plötzlich nicht mehr in meiner Lunge an. Als würde der Sauerstoff in Mund und Nase halt machen und gleich wieder nach Außen strömen. Als gäbe es dort eine Klappe, die den Sauerstoff wieder nach außen stieß.
Plötzlich spürte ich, wie die warme Luft nicht einmal mehr bis zu meinem Rachen vordrang und ich das Gefühl der Atemnot ganz deutlich zu erkannte. Mir wurde heißer und die ersten kleinen Schweißtropfen begannen meine Schläfen runter zu rinnen. Mein Blut pulsierte in den Adern und alles worauf ich mich konzentrieren konnte, war dieses erstickende Gefühl. Dieses Gefühl, wie meine Kehle wortwörtlich immer enger wurde. Ich wollte etwas sagen, ich wollte ihn um Hilfe bitten, doch mein Mund öffnete sich nicht. Immer wieder ging ich die Worte in meinem Kopf durch, doch wie sehr ich mich auch zwingen wollte, kein Ton verließ meinen Mund. Er schien meinen hektischen Atem nicht einmal mitbekommen zu haben, denn er starrte immer noch auf sein Handydisplay und tippte ganz vertieft darauf herum. Ich wollte ihn berühren, doch auch das ließ mein Körper nicht mehr zu. Keinen Millimeter konnte ich mich noch bewegen.
Langsam begannen kleine, schwarze Punkte vor meinen Augen aufzutauchen und zu tanzen. Egal wo ich meine Augen hinschickte, sie folgten mir. Ich spürte den ersten Anflug von leichten Schwindel und konnte nur deshalb aus dieser Bewegungslosigkeit ausbrechen. Schnell stützte ich mich an der Wand ab. Selbst die Backsteine waren von einer ekligen Wärme umhüllt. Wieder versuchte ich ein Wort rauszubringen, mir war egal Welches und welche Bedeutung es hatte, Hauptsache ich konnte meine Stimme hören. Doch immer noch tat sich nichts. Als hätte jemand ein Brett in meinen Rachen geschoben, dass mir das Atmen und die Sprache verwehrte. Wie lange ich hier unten schon stand? Wie lange würde ich es noch ohne Luft aushalten? Plötzlich zog sich alles in mir zusammen, mein Rachen begann auszutrocknen und ich bekam einen starken Hustenreiz, den ich nicht unterbrechen konnte. Meine Lunge presste sich zusammen und ich bekam das Gefühl, als würde sie jemand in seine heißen Klauen nehmen und zerquetschen. Wieder versuchte ich einen Ton aus meiner Kehle zu quetschen. Erfolglos. Langsam verstärkte sich der Schwindel und die schwarzen Punkte wurden immer größer.
Endlich! Endlich konnte ich ein Räuspern aus meiner Kehle bringen. Erst leise und dann immer lauter, bis er sich von seinem Handy losreißen konnte und mir besorgte Blicke zu warf.
„Alex? Ist alles in Ordnung?“, hauchte er in einem weniger panischen Ton, als es meine Worte gewesen wären und machten einen Schritt auf mich zu, um seine Hand beruhigend auf meine Schulter zu legen. Parallel zu seiner Berührung, ertönten beruhigende Worte. Als ich seine kalte Hand auf meiner Schulter zu spüren bekam, verschwand die Hitze, Luft drang wieder in meine Lunge und ich konnte aufatmen.
„Alles ist gut“, wiederholte er sich, als er merkte, dass ich ruhiger wurde. Erleichtert stöhnte ich auf und nickte.
„Was war los?“, fragte er besorgt und sah mir tief in die Augen.
„Nichts, nur ne kleine Panikattacke. Ich mag enge Räume einfach nicht“, entgegnete ich knapp und schnappte nach Luft.
„Du bekommst einfach so Panikattacken?“, fragte er ungläubig und warf mir einen prüfenden Blick zu.
„Ja.“
„Das wusste ich gar nicht.“
„Du musst ja auch nicht alles wissen“, antwortete ich stolz.
„So wie sieht der Plan aus?“, hakte ich nach, nachdem er mich eine Weile nur still an geschwiegen hatte.
„Na ja, zurück können wir kaum“, murmelte er fast verlegen und ließ seine Hand wieder sinken. Ich setzte eine angepisste Miene auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Stimmt, ich hatte schon wieder vergessen, dass die Tür zugefallen war, genau so, wie ich es prophezeit hatte.
„Ich habs dir von Anfang an gesagt! Es war doch klar, dass diese blöde Tür zufallen würde! Gott, warum hab ich mich nur auf diese Schnapsidee eingelassen?“, zischte ich.
„So klar war es nun auch wieder nicht“, bemerkte er unsicher und starrte erneut auf seinen Bildschirm.“
„Natürlich war das vorhersehbar! Das passiert in jedem zweiten Horrorfilm!“
„Hm“, entgegnete er nur abwesend und wischte auf seinem Display herum.
„Wie kommen wir dann wieder hier raus? Wo ist der nächste Ausgang?“, fragte ich seufzend und starrte unauffällig auf sein Handy, um sehen zu können, was seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Schulterzuckend trat er einen Schritt von mir weg, verstaute sein Handy schnell in der Hosentasche und schaute mir entschlossen entgegen. Warum hatte er es so schnell weggezogen? Ob er mir Laureen geschrieben hatte? Ob sie wirklich immer noch Kontakt hatten? Selbst wenn es so wäre, so hätte ich nun kein Recht mehr dazu, mich beschweren zu können und trotzdem würde ich es tun.
„Wahrscheinlich wird am Ende des Ganges noch eine Tür sein, aber so genau weiß ich das nicht.“
„Na klasse! Erst schleppst du mich hier siegessicher runter und dann hast du nicht einmal eine Ahnung, wie wir hier wieder weg kommen?“, fluchte ich wütend und sah ihn giftig an. Das konnte doch echt nicht wahr sein! Mit diesem Typen konnte man echt nur irre werden!
„Mecker nicht so rum, wir sind schließlich wegen dir hier.“
„Ich finde das ist mein gutes Recht, immerhin stecken wir hier unten fest!“, brüllte ich nun so laut, dass ein leises Echo zu hören war, das erst nach einigen Augenblicken verstummte.
„Vom Meckern wird es aber nicht besser. Lass uns erst Mal nach Antworten suchen und uns später um einen Ausgang kümmern.“ Seine Ruhe will ich mal haben. Er zündete zwei Fackeln an, um uns den Weg leuchten zu können und zusammen liefen wir dann nach rechts, in die einzige Richtung, wo sich ein langer Gang befand. Auch ich wollte nicht in Dunkelheit laufen, weshalb ich ihm eine Fackel abnahm und ihm folgte.
„Wo hast du die her?”
„Her gezaubert natürlich”, lachte er und schenkte mir einen eigenartigen Blick, der mich glauben ließ, er machte sich gerade gedanklich über meine Unaufmerksamkeit lustig. Daher funkelte ich ihn böse an und gab ein beleidigtes: „Pffe“ von mir. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass er sich kaum Sorgen um einen Ausgang machte. Er schien so vertieft in das Finden von Antworten zu sein, dass er sich um alles andere erst einmal keine Sorgen machte.
„Man die lagen auf dem Boden, zieh nicht son Gesicht!”, rief er plötzlich, in die Stille hinein, die schon viel zu lange zwischen uns gestanden hatte.
„Ich verzieh mein Gesicht wies mir passt, verstanden?“
„Kannst du mal aufhören dich wie eine Diva aufzuführen?“
„Wie bitte? Wie eine Diva ja? Dann hör du mal auf dich wie der Retter in Not aufzuführen, der für alles eine Lösung hat. Denn das hast du ja ganz offensichtlich nicht!“
„Natürlich. Hör zu ich muss dir nicht helfen, ich komme ganz gut allein klar. Du hingegen nicht. Also reiß dich gefälligst am Riemen und versuch wenigstens so zu tun, als müsstest du dich nicht gleich übergeben, wenn du mich siehst.“ Verdutzt zog ich eine Augenbraue hoch und suchte nach einer passenden Antwort. Doch seine Worte, die irgendwie die Wahrheit ansprachen, hatten meine Schlagfertigkeit vernichtet und mich zum Verstummen gebracht... schon wieder.
Unsere schweren Schritte ergaben ein gewohntes Knirschen, was die unbehagliche Stille etwas in den Hintergrund stellte. Warum brauchte es eigentlich einen verdammt arroganten Typen in meinem Leben, damit ich Orte wie diese entdecken konnte?
Abgesehen von der ganzen Übernatürlichkeit die er mit sich brachte, war es doch ziemlich eigenartig, dass ich noch nie von diesem Ort gehört hatte und es schien, als wäre das nicht die einzige Kirche, die solch unentdeckte Gewölbe verbarg.
Angewiderte starrte ich den Griff meiner Fackel an und hätte sie am liebsten in den Sand geworfen, als ich sah wie abgewetzt der Griff bereits war. Hygienisch war sie unter keinen Umständen und ich wollte gar nicht wissen, welche eigenartigen Menschen ihren Griff bereits in ihren schwitzigen Händen getragen hatten, aber trotzdem hatte es etwas Gutes. Wenn der Griff so dreckig und bereits von vielen Menschen benutzt worden war, musste es wohl heißen, dass sie hier auch wieder raus gefunden hatten. Vorausgesetzt natürlich, wir würden nicht jede Sekunde auf ein Massengrab zu schlendern. Obwohl wir unterwegs an einigen Abzweigungen vorbeigekommen waren, hatten wir keine von ihnen genutzt und waren den Gang bis zu seinem Ende gefolgt.
Als würde sie hier gar nicht reinpassen, befand sich plötzlich eine dunkelbraune Tür vor unseren Augen, die bis an die Decke reichte. Verwundert runzelte ich die Stirn und begann immer neugieriger zu werden, was sich wohl hinter ihr befinden würde. Ich malte mir viele verschieden Sachen aus, die sich hinter ihr abspielen könnten, doch umso näher ich ihr kam, desto unwahrscheinlicher wurden meine Annahmen. Leandro würdigte mich eines kurzen Blickes, ehe er den schwarzen Knauf drehte, sich das Schloss langsam öffnete und die Tür uns ihr Verstecktes offenbarte. Erstaunt von dieser Weitläufigkeit trat ich in den Raum und betrachtete erstaunt die Umgebung.