Unsanft erwachte er, als man ihm einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf kippte.
Sein Schädel schmerzte und pochte unsanft und ihm schien jeder einzelne Knochen zuschreien zu wollen, wie sehr sie litten.
Unsicher sah er sich um. Sein rechtes Auge konnte er aus einem unbekannten Grund nicht öffnen und auch sein linkes schien sich nicht fokussieren zu wollen.
Er zischte vor Schmerz und versuchte sich aufzurichten, aber seine Hände waren hinter seinem Rücken an einer Art Pfahl zusammengebunden.
Ihm fehlte jegliche Kraft, auch nur zu versuchen sich zu befreien. Vor ihm standen die Banditen, zumindest glaubte er das.
Er erkannte ihre Gesichter nicht, aber da sie ihn auszulachen schienen, konnte er zumindest sicher sein, dass sie ihm nicht helfen würden. Einer saß fast genau vor ihm in der Hocke und packte ihn grob an den Haaren.
„Na was haben wir denn hier? Ist unser lieber Prinz endlich aufgewacht? Tut mir übrigens leid mit deinem Auge, aber Sav sammelt leider Augäpfel und er fand dein Auge so außergewöhnlich. Wusstest du, dass sie unterschiedliche Farben hatten? Ach was rede ich da. Natürlich wusstest du das.“
Akito versuchte sich in die Richtung von dem eben genannten Sav zu drehen, dieser hielt ihm stolz seine Trophäe entgegen.
An einer Art Lederkette hing sein Auge!?
Akito musste sich übergeben, sie hatten ihm sein Auge rausgeschnitten!?
Immer wieder musste er würgen, aber sein Magen war bereits leer. Die Männer betrachteten ihn angewidert und der scheinbare Anführer ließ ihn los, aber nicht, ohne ihm vorher einmal in seiner Wunde herum zu stochern.
Der Schmerz wurde immer schlimmer und er verlor wieder das Bewusstsein. In seinem Kopf hörte er wieder die Worte: „Liebe Grüße von Daddy!“
Es dauerte nicht lange, bis er sein Bewusstsein zurückerlangte. Sein gesamter Körper schmerzte ihn immer noch und alleine bei dem Gedanken an sein Auge wurde ihm schlecht.
Während er ohnmächtig gewesen war, hatte jemand sein Erbrochenes weggewischt. Er schien allein zu sein, daher versuchte er erneut sich umzusehen.
Der Raum war nicht sonderlich gut beleuchtet, hier und dort hatte man eine Kerze angezündet, aber selbst das spärliche Licht reichte, um in das Ausmaß des Albtraums bewusst zu machen.
Akito war noch nie zuvor in einer gewesen, aber er befand sich in einer Folterkammer.
Die Instrumente auf den Tischen jagten ihm einen Schauer nach dem anderen über den Rücken und er musste sich zwingen nicht länger darüber nachzudenken, was sie ihm antun würden.
Man hatte seine Hände zu fest zusammengebunden, er spürte sie nicht mehr, aber je mehr er versuchte sich zu befreien, desto schlimmer wurden die Schmerzen. Ihm blieb nichts Anderes übrig, als zu warten und auf eine Gelegenheit zur Flucht hoffen.
Vielleicht suchte man ja auch bereits nach ihm. Teo und Pamil würden bestimmt nicht tatenlos herumsitzen.
Hoffentlich.
Er wusste ja selbst nicht einmal, wo er sich befand. Die Nachricht von seinem Vater war unmissverständlich. Der König selbst hatte diese Männer angeheuert, es wunderte ihn nur, dass er noch am Leben war.
So gut er konnte, versuchte er sich auch in der rechten Hälfte des Raumes umzusehen, aber er schaffte es nicht, seinen Kopf weit genug zu drehen. Das einzige, was er erraten konnte, war eine Feuerschale und die stand sicherlich nicht nur hier, um etwas Wärme zu spenden.
Wieder bekam er Gänsehaut. Mit etwas Glück würden sie ihn für heute in Ruhe lassen.
Stunden verstrichen und niemand kam. Akito versuchte etwas zu schlafen, aber immer, wenn er sein Auge schloss, überkam ihn eine furchtbare Übelkeit. Vielleicht warteten sie ja auch darauf, dass er an seinen Verletzungen starb.
Ihm blieb nichts Anderes übrig, als zu spekulieren.
Mittlerweile waren bestimmt schon mehrere Stunden vergangen und er merkte, wie sein Blick langsam trüb wurde. Falls er Recht behielt, hatten sich seine Wunden entzündet und er hatte ein Fieber entwickelt.
Am Rande seines Bewusstseins konnte er Schritte wahrnehmen und mit einem lauten Knall flog die Tür auf.
„Scheiße! Gus! Komm schnell her, wir haben ein Problem!“
„Was hast du denn?!“
„Schau ihn dir doch an! Wenn das so weiter geht stirbt der uns weg!“
„Na und früher oder später stirbt er doch eh!“
Der erste Typ packte diesen Gus am Kragen. „Wenn er stirbt, bevor wir unsere Vereinbarung erfüllt haben, sind wir alle Tod! Kapiert!?“
Ah, also sollte er nicht sterben. Noch nicht.
„Verdammt! Hohl sofort Doc her!“
Verschwommen nahm er wahr, wie der erste Typ auf ihn zukam.
„Und du Prinzchen, bleib gefälligst wach ja!!? Hey ich rede mit dir!“
Er schlug ihn, aber Akito konnte den Schmerz nur noch entfernt wahrnehmen, er spürte förmlich, wie sein Geist immer mehr von der Dunkelheit verschlungen wurde. Das nächste was er wahrnahm waren Stimmen, aber sie waren verschwommen, durcheinander.
Vor seinem inneren Auge blitzte das Bild seiner Mutter auf. Ob sie ihn wohl holen würde?
Dann könnte er endlich bei ihr sein.
„Gib nicht auf! Komm schon!“
Eine Frau? War das die Stimme seiner Mutter? Aber sie war doch tot! Vielleicht hatte sie recht, er sollte nicht so einfach aufgeben. Damit würde er seinem Vater nur in die Hand spielen!
Nein, er musste das hier überleben, stärker werden! Und ihm dann zeigen wozu er fähig ist!
Er würde überleben! Koste es, was es wolle! Die Stimmen wurden deutlicher und er schaffte es sogar sein Auge zu öffnen.
Der Raum war viel zu hell erleuchtet, sodass sein Auge sich erst an das Licht gewöhnen musste. Aber Akito spürte die Veränderung sofort, sein Kopf fühlte sich nicht mehr so schwer an und auch der Platz an dem einst sein Auge gewesen war Pochte nicht mehr so unaufhörlich.
„Ah, ich glaube mein neuer Stammpatient wacht auf.“
„Wie geht’s ihm Doc?“
„Nicht so gut, wie es sollte, aber er wird überleben.“
Vor ihm kniete ein alter Mann. Er hatte einen Vollbart und dazu eine Glatze. Man konnte ihn auch nicht unbedingt als schlank bezeichnen. Insgesamt, machte er auf Akito einen schleimigen Eindruck.
Neben ihm stand der Anführer und Lächelte ihn schief an.
„Sry deswegen, wärst uns fast weggestorben.“
Akito bemühte sich, ihn angeekelt anzusehen, aber mit einem Auge stellte sich das als deutlich schwieriger heraus.
„Mhm, soll mir dieser Blick etwas sagen?“
Er hob hilflos seine Hände.
„Tut mir leid aber ich verstehe kein Einäugisch. Aber keine Sorge, wir haben genug Zeit um das zu üben.“ Sein Grinsen war geradezu abartig und auch Doc konnte nicht ganz sauber im Kopf sein, wenn er bei dieser ganzen Sache mitmachte.
„Und wann können wir weitermachen?“
Nachdenklich kratzte Doc sich am Kinn.
„Mir wäre es lieb, wenn sein Körper sich noch mindestens ein paar Tage ausruhen kann. Das Fieber ist zwar gesunken und die Wunde auch sauber ausgebrannt und -gewaschen, aber ihr solltet es noch nicht übertreiben. Und Liv, sei in Zukunft vorsichtiger! Ich bin nicht immer hier und Sav hatte eine ziemliche Katastrophe verursacht, es wäre besser gewesen, er hätte mich das Auge entfernen lassen.“
Liv zuckte nur teilnahmslos mit den Schultern. „Weißt du, ich glaube der halbe Spaß ist es, die Augen selbst rauszunehmen.“
Danach machte er sich auf den Weg zur Tür, bevor er ging, wendete er sich allerdings noch einmal an Akito.
„Du hast Glück, deine Schonungsfrist wurde gerade ein wenig verlängert.“
Als sich der Blick von Doc und Akito erneut trafen, Lächelte dieser traurig.
„Du hast das Glück echt mit Löffeln gefressen was?“
Nach einigen Versuchen gelang es Akito zu antworten, seine Kehle war staubtrocken. Doc reichte ihm etwas Wasser und er trank gierig.
Vielleicht würde er von ihm ja ein paar Antworten bekommen.
„Wie lange bin ich schon hier?“
Überrascht zog Doc die Augenbrauen hoch.
„Wirklich? Das ist es was dich am Meisten interessiert? Nicht warum du hier bist?“
Akito schüttelte langsam und vorsichtig den Kopf. „Das weiß ich schon.“
„Tatsächlich? Nun, mittlerweile dürfte die dritte Woche angebrochen sein. Du warst lange bewusstlos.“ Akito nickte verstört, drei ganze Wochen schon. Sicher suchte man schon nach ihm.
„Wo bin ich hier?“
Doc sah ihm tief in die Augen.
„Du glaubst nicht wirklich, dass du das hier überleben kannst, oder? Bisher hat noch niemand nach dir gesucht und dein Vater steht kurz davor einen Krieg zu beginnen. In nicht einmal einem Monat haben sie dich alle vergessen. Da haben sie sicher deutlich größere Sorgen.“
Sein Lachen wurde breiter, als er sah wie Akitos Hoffnung schwand.
Aber er würde nicht aufgeben, er würde nicht eher sterben, ehe er den Duft der Rosen seiner Mutter ein letztes Mal gerochen hatte. Und vor allem würde er seinem Vater niemals die Genugtuung verschaffen, hier in diesem Loch zu sterben.
Doc schien das Aufblitzen in seinem Auge bemerkt zu haben und lehnte sich nach vorne. Dabei flüsterte er ihm mit bedrohlichem Unterton etwas zu: „Weißt du was, ich glaube du bist fitter als ich gedacht habe.“
Damit stand er auf und lies Akito mit einer bösen Vorahnung zurück. Ungefähr zwei Stunden lang ließen sie ihn bangen. Liv war der erste, der hereinkam, danach folgten Sav und noch ein anderer Muskelprotz. „Na? Lang genug gewartet? Ich ja!“
Am liebsten hätte Akito ihm Beleidigungen an den Kopf geworfen, aber das wäre keine gute Idee. Ganz bewusst langsam entschied er sich für eine große Metallzange und überreichte sie feierlich Sav. Dieser schien regelrecht GLÜCKLICH!?
Sein Vater hatte anscheinend die schlimmsten der Schlimmen hier versammelt. Sav machte nicht einmal Anstalten, ihm zu erklären, was er machen würde. Liv und der andere Typ griffen ihn und einer von beiden Schnitt seine Hände frei. Zusammen schleiften sie ihn zu einem Stuhl, der sich praktisch direkt zu seiner rechten befand.
Dort schnallten sie ihn an Händen und Füßen fest. Auch sein Kopf wurde festgeschnallt. Danach nahm das Grauen seinen Lauf. Einen Fingernagel nach dem anderen riss man ihm sorgfältig raus.
Sav bedachte dabei immer wieder, dass er auch ja Pausen einlegte, damit Akito bei Bewusstsein blieb. Man hatte ihm mittlerweile etwas in den Mund gestopft, damit sie sein Geschrei nicht länger ertragen mussten. Er wurde fast verrückt vor Schmerz und diese Bastarde schienen auch noch Gefallen daran zu finden! Er würde sie allesamt umbringen! Einen. Nach. Den. Anderen!
Immer wieder wiederholte er diesen Gedanken, als sie bei seinen Füßen angekommen waren, war es das einzige, dass ihn noch bei Verstand hielt.
Sav betrachtete noch einmal zufrieden sein Werk und legte dann sie Zange weg.
„Und jetzt?“
Liv schien angestrengt zu überlegen: „Unser Freund hier scheint ein wenig neben der Spur findet ihr nicht auch? Zwingt ihn etwas zu essen und zu trinken und dann machen wir für heute Schluss.“
„Was jetzt schon? Wir sind noch nicht einmal eine ganze Stunde in Gange!“
Der Dritte schien einen Aufstand machen zu wollen. Vielleicht würden sie ihm ja den Gefallen tun und sich gegenseitig umbringen. Wie schön es wäre, wenn ihnen jetzt einfach die Köpfe platzen würden. Die Vorstellung davon brachte ihn zum Lachen und verwirrt sahen ihn die Typen an.
„Shit, ich glaube er ist kaputt.“
Liv schlug ihm einmal kräftig ins Gesicht und er verstummte. Vor Schmerzen stöhnte er immer wieder und sein Mund füllte sich mit Blut. Angewidert nahmen sie ihm den Lappen aus dem Mund und er spuckte das Blut auf den Boden. Liv sah ihn noch einmal angeekelt an und befahl den anderen Männern dann zu gehen.
„Weißt du eigentlich, was dein Vater uns hierfür zahlt? Ein wahres Vermögen! Und das dafür, dass wir dir das Leben zur Hölle machen, kaum zu glauben, oder? Du musst ihn wirklich, wirklich sehr verärgert haben.“
Als Akito nicht reagierten trat er gelangweilt gegen den Stuhl. Akito hätte ihm gerne antworten, aber seine Zunge schien anzuschwellen und wollte ihm nicht so recht den Dienst erweisen.
Stattdessen sammelte er so viel Blut und Spucke in seinem Mund und wartete darauf, dass Liv etwas näherkam. Provokativ starrte er ihn wütend an, wenn er ihn richtig einschätzte, würde er darauf anspringen. Und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis Liv ihn am Kinn packte und seinen Kopf unangenehm nach hinten bog. Jetzt hatte er Liv da, wo er ihn haben wollte.
Er spuckte ihm eine volle Ladung Spucke und Blut ins Gesicht. Angewidert stolperte er zurück und wischte es sich mit seinem Ärmel weg.
„Das wirst du bereuen!“
Er nahm sich einen Stab aus Eisen und drückte ihn in das Feuer. Akito hatte schon vorher gewusst, dass es nicht gut sein würde, sich gegen ihn aufzulehnen. Aber er wollte nicht ohne Gegenwehr aufgeben. Schließlich wusste er, dass sie ihn nicht töten durften. Es dauerte nicht lange und das Eisen fing an zu glühen. Selbstzufrieden grinsend kam Liv wieder zu ihm zurück und drückte ihm die Stange gegen die Brust, sofort fingen seine Kleider Feuer. Zufrieden sah er zu, wie sich Akito vor Schmerzen krümmte und verzweifelt versuchte sich loszumachen.
Immer wieder drückte er die Stange zuerst in das Feuer und dann auf seine Haut. Dabei hinterließ er zahlreiche Wunden und schon bald war fast sein gesamter Oberkörper voller Blut. Langsam, aber sicher verließen Akito alle Kräfte und er sackte bewusstlos in sich zusammen.
Als er wieder aufwachte, war er allein. Die Kerzen waren niedergebrannt und die Feuerschale aus. Akito horchte, konnte aber niemanden hören, hatten sie zurückgelassen? Unwahrscheinlich.
Wahrscheinlich waren sie in der Nähe und planten ihre nächste Folter. Ob er es jemals schaffen würde zu entkommen? Ob ihn jemals jemand retten würde?
Er betete dafür, wie noch nie zuvor. Wenn er schon sterben musste, dann nicht so. Nicht hier. Wieder dachte er an den Rosengarten seiner Mutter, wie sie darin umherlief und ihn der Duft umgab. Wenn er sich genügend darauf konzentrierte, konnte er sie fast schon wirklich riechen.
Er stöhnte erschrocken auf, als er versuchte sich zu bewegen, jemand hatte zwar seine Wunden versorgt, aber das linderte seine Schmerzen auch nicht. Wenn er nur die nötige Kraft aufbringen könnte, dann könnte er die Lederriemen bestimmt reißen. Aber so sehr er es auch versuchte, sobald er auch nur versuchte einen Finger zu bewegen, verkrampfte sich sein ganzer Körper und er verlor wieder fast das Bewusstsein. Wieder einmal fühlte er sich Machtlos. Nicht einmal die Kraft sich umzusehen, konnte er aufbringen.
Nicht, dass es etwas gebracht hätte, der Raum war schwarz. Es gab keine Fenster und das Licht der Kerzen war verloschen. Durch das fehlende Feuer wirkte der Raum unnatürlich kalt, sodass Akito auch noch zu frösteln anfing. Vielleicht hatte die nächste Runde ja auch schon begonnen.
Mentale Folter, sie wollten ihn brechen. Sie würden ihn hier so lange alleine lassen, bis er den Verstand verlor. Zuerst vergingen Stunden, dann Tage, nach der ersten Woche war er so ausgehungert, dass er alles gegessen hätte.
Das einzige, was ihm zeigte, dass er noch bei Bewusstsein war, war ein kleines Mädchen, dass ihm ab und zu etwas Wasser brachte. Akito musste all seine Willensstärke aufbringen, sie nicht nach etwas zu Essen zu fragen, denn er wusste, dass hinter der Tür immer jemand wartete. Er würde keine Schwäche zeigen, er würde nicht brechen, ihnen geben, was sie wollten.
Nach mehreren Wochen bekam er auch etwas Suppe, nicht viel, gerade genug, dass er bei Kräften blieb.
Das Mädchen schien große Angst vor ihm zu haben und seine Versuche, sie anzulächeln, schienen sie nur noch mehr zu beunruhigen. So vergingen weitere Wochen, wenn nicht sogar Monate und Akito klammerte sich mit aller Macht an den Gedanken, von hier zu entkommen und seinen Vater zu töten.
Ja, er würde ihn töten. Aber nicht einfach so, nein, er würde nur für ihn zu dem Teufel werden, den er schon immer in ihm gesehen hatte.
Er würde seine Herrschaft brechen, koste es, was es wolle. Auch, wenn er dabei starb.
Immer wieder malte er sich aus, wie er seinem Vater die Kehle durchschnitt, ihn erhängte oder öffentlich verbrannte.