Er lebte schon seit Drachengedenken an diesem Hügel, dem Hügel mit seinen schroffen Felsen und Bäumen, die ihn sanft bedeckten. Sonnengetränkt standen sie da, diese Bäume, Kraft spendend wie die Felsen, auf denen sie wuchsen.
Sein Zuhause hatte sich der kleine Drache auf dem Hof des Friedens eingerichtet. Dort fühlte er sich wohl. Manchmal wanderte er hinauf zur grossen Höhle, wo seine Mutter lebte. Bei ihr verspürte er eine Herzensweite, die ihn nährte und erwärmte. Von ihr hatte er die Lebensfreude geerbt, das Staunen können über all die Schönheit, die ihn umgab.
Doch als er heute zu der grossen Höhle kommt, ist seine Mutter nicht mehr da. Er sucht nach ihr, sucht sie in jedem Winkel - aber sie ist fort. Er versteht tief innen, dass sie nie mehr zurückkommen wird von dort, wo sie hingegangen ist. Da sitzt er nun, der kleine Drache, und weint grosse Drachentränen. Sie kullern den Hügel hinab, lange und beinahe unaufhörlich. Er weint und weint.
Auf einmal kommt ein Rabe geflogen, setzt sich vor den kleinen Drachen hin, schaut ihn still an und sagt dann: "Wir danken dir, kleiner Drache! Schau mal, was du mit deiner Trauer geschaffen hast!" Verwundert hebt der kleine Drache den Kopf und staunt: Vor ihm liegt, silberglitzernd, ein wunderschöner See. Bewegt sitzt er da, schaut und versucht zu verstehen.
"Jede Trauer birgt in sich etwas Neues", sagt der Rabe. "Deine Trauer war auch ein Geschenk an das Grosse Sein. Gleichzeitig lebt in diesem See die Erinnerung an deine Mutter weiter." Er weist mit dem Schnabel über den See. Der kleine Drache schaut genau hin und entdeckt die Insel gewordene Gestalt seiner Mutter, erfüllt von heilender Drachenkraft.